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Ab durch die Mitte, direkt zur Meisterschaft

Der TBV Lemgo dominiert mit seinem Tempohandball die Bundesliga. Auch gegen TuSEM Essen gewinnenChristian Schwarzer und Kollegen mit 36:30, was den Startrekord auf nunmehr 15 Siege in 15 Spielen hochtreibt

ESSEN taz ■ Am Ende dieses Spiels zwischen TuSEM Essen und dem TBV Lemgo, das die drohende Langeweile in der Handball-Bundesliga doch beerdigen sollte, fühlte man sich endgültig an den Silvesterknaller „Dinner for One“ erinnert. Erneut nämlich hatte der Tabellenführer die Nase vorn, erneut war der Erfolg beunruhigend souverän ausgefallen, diesmal mit 36:30, und erneut kam dieser Sieg bei einem Gegner zustande, an dem Lemgo in der letzten Spielzeit noch an den eigenen Nerven gescheitert war. „Same procedure as every game“, so könnte, da das Starensemble seinen Startrekord auf nunmehr beeindruckende 15 Siege in Folge ausgebaut hat, also das TBV-Motto lauten.

Wieder nämlich rollte der Express aus Lemgo unaufhörlich gen gegnerisches Tor, und wieder überschritt er die sagenhafte Quote von 35 Toren. Die Ostwestfalen, die ihre Spiele mit im Schnitt neun Toren Vorsprung gewinnen, führen weiterhin mit vier Punkten die Tabelle an – und nur zwei Spiele, gegen Flensburg und in Wetzlar, fehlen noch zur perfekten Hinrunde.

Die Partie beim Tabellenvierten könnte sich im Saisonrückblick indes als Schlüsselspiel herauskristallisieren. Denn an diesem Mittwoch in Essen vermochte es der Lemgoer Angriffsexpress nicht, den Gegner bereits in der Anfangsphase niederzuwalzen, diesmal führten sie nicht schon, wie es oft der Fall war in dieser Saison, nach einer Viertelstunde mit zehn Toren. Speziell bei der Durchführung der „schnellen Mitte“, diesem bisher in Perfektion vorgeführten taktischen Moment, auf das sich kaum ein Gegner einstellen konnte, war klar erkennbar, wie sehr das Lemgoer Tempospiel auf den Spielmacher Daniel Stephan zugeschnitten ist. Damit gemeint ist der schnellstmögliche Wiederanwurf nach einem Gegentor, der den Handball – seitdem die Regel 1996 eingeführt wurde – derart forciert hat, dass man schon von einer Revolution sprechen muss. In Lemgo ist Christian Schwarzer für den Anwurf zuständig. Die erste Option: Ein Pass auf den heranstürmenden Stephan, der entweder selbst durchbricht oder aber die wendigen Außenspieler Carlos Lima und Florian Kehrmann mit seinen fantastischen Anspielen bedient – oder aber den ebenfalls sehr schnellen Mittelspieler Markus Baur.

In Essen und auch beim vorangegangenen 31:29-Sieg in Großwallstadt führten diese Spielzüge, die nur vier oder fünf Sekunden dauern, indes seltener zum Erfolg – weil Lima und vor allem der mit einer genialen Spielübersicht gesegnete Stephan derzeit verletzungsbedingt fehlen. Genau dieses Detail aber macht den Erfolg in Essen noch viel wertvoller als jeder Startrekord, der für Schwarzer „zwar schön für die Geschichtsbücher ist, für uns aber gar nicht so interessant“. Denn in Essen profitierte Lemgo von einer starken Teamleistung, aus dem in der Schlussphase zwei Akteure herausragten: Keeper Jörg Zereike und der brachiale Halblinke Marc Baumgartner, der es auf zehn Feldtore brachte.

Genau das war die wichtigste Erkenntnis aus diesem Sieg: Dass die Mannschaft nicht zusammenbricht, wenn ein oder zwei Schlüsselspieler fehlen. Dazu umweht den TBV offenbar schon zu sehr der Nimbus des Unbesiegbaren, ein Nimbus, der sich auswirkt auf die Psyche des Gegners. TuSEM versuchte es, als der Gegner erstmals mit drei Toren in Führung ging, bereits in der 41. Minute (!) mit einer offenen Manndeckung, aber auch das beunruhigte die Unstoppbaren nicht wirklich. „Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist gegen uns“, sagte Christian Schwarzer hinterher mit einem Lächeln im Gesicht. Und umschrieb damit elegant die eigene Überzeugung, im Kampf Mann gegen Mann sowieso überlegen zu sein.

ERIK EGGERS

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