: Chemieverband zieht den Kürzeren
Ab 2005 beginnt der europäische Handel mit Emissionsrechten von Unternehmen. Deutschland und EU-Kommissarin Wallström einigen sich darauf, dass auch Chemiekonzerne um die Verpflichtung zum Klimaschutz nicht herumkommen
aus Berlin HANNES KOCH
Auf einen Kompromis beim Klimaschutz haben sich die Bundesregierung und die Europäische Union geeinigt. EU-Umweltkommissarin Margot Wallström, Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) und Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) vereinbarten, dass der Handel mit Emissionsrechten von Unternehmen 2005 beginnen soll. Damit die Übereinkunft in Kraft treten kann, müssen allerdings alle Umweltminister der EU am kommenden Montag zustimmen.
Somit hat sich der Verband der deutschen Chemischen Industrie (VCI) nicht durchgesetzt. Wirtschaftsminister Clement stellte unter anderem vom Chemiekonzern BASF inspirierte Bedenken gegen den Emissionshandel zurück, weil sie auf europäischer Ebene nicht durchsetzbar erschienen. Bundesumweltminister Trittin und Vertreter von Umweltverbänden zeigten sich zufrieden. Stephan Kohler, Geschäftsführer der Deutschen Energie-Agentur: „ein guter Kompromiss“.
Zwischen 2005 und 2007 ist die Teilnahme am europaweiten Emissionshandel zunächst freiwillig. Etwa 2.000 deutsche Industrieanlagen der Branchen Stahl, Energie, Papier, Zement und Keramik sollen in der Pilotphase mitmachen, brauchen es aber nicht zu tun. Sie können von einer nationalen Koordinierungsstelle kostenlose Zertifikate erhalten, die ihnen den Ausstoss einer bestimmten Menge von klimaschädlichem Kohlendioxid (CO2) gestatten. Stoßen sie mehr aus, müssen sie von anderen Unternehmen Zertifikate dazukaufen; liegen sie unter der erlaubten Menge, können sie ihre Gutscheine veräußern. Das System soll mit marktwirtschaftlichen Methoden zu einer Reduzierung der Klimaschäden führen. Verpflichtend ist die Teilnahme erst ab 2008.
Die Bremser aus Deutschland – neben dem VCI auch Kohle- und Stromkonzerne – mussten vor allem an einem Punkt nachgeben: Entgegen ihrer Forderung gibt es keinen Zwang, einen gemeinsamen „Emissions-Pool“ verschiedener Unternehmen zu gründen. Laut VCI und Co. sollten die Zertifikate an eine gemeinsame Organisation aller deutschen Unternehmen, oder zumindest einer Branche ausgegeben werden. Dieser so genannte Pool hätte verhindert, dass jede einzelne Firma sich um ihren CO2-Ausstoß kümmert. Große Luftverpester hätten sich hinter den Erfolgen des Kollektivs verstecken können, was Umweltverbände massiv kritisierten. Der aktuelle Kompromiss sieht nun vor, dass Betriebe freiwillig Pools bilden können, aber nicht müssen. Die Bremser sind auch deshalb gescheitert, weil Konzerne wie BP, die auf Emissionshandel setzen, ihre Zertifikatsgewinne nicht sozialisieren wollen.
Der Kompromiss ist freilich nur ein erster Schritt. Offen ist unter anderem noch, ob das für Deutschland günstige Basisjahr 1990 in die EU-Richtlinie aufgenommen wird. Und richtig bunt wird die Diskussion, wenn die Bundesregierung konkrete Mengen von Zertifikaten auf einzelne Konzerne verteilt.
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