: Abschiebeärzte sind schon in Aktion
Was sich die Innenminister bundesweit wünschen, ist in Hamburg und Köln bereits Realität: In beiden Städten haben die Ausländerbehörden eigene Spezialisten für die Begutachtung von Abschiebekandidaten. Proteste des Ärztetags halfen nichts
von ELKE SPANNER und LUKAS WALLRAFF
Über die Maßnahmen für erleichterte Abschiebungen, die auf der heute zu Ende gehenden Innenministerministerkonferenz beraten werden, können Flüchtlingshelfer in Hamburg und Köln nur müde lächeln. Die Pläne für einen „Ärztepool“ von Abschiebungsspezialisten sind für sie nicht neu, sondern bereits Realität in ihren Städten.
Seit 1999 beschäftigt die Hamburger Ausländerbehörde auf zwei Stellen Mediziner, deren Aufgabe darin besteht, Flüchtlingen Reisefähigkeit zu attestieren und sie bei Bedarf bei der Abschiebung zu begleiten. Beides – die Beschränkung der Diagnose auf „Flugreisetauglichkeit“ und die Begleitung bei unfreiwilligen Transporten – wurde vom Deutschen Ärztetag bereits mehrfach abgelehnt. Doch in Hamburg blieb dies ohne Wirkung.
Die Einrichtung des Ärztepools bei der Ausländerbehörde geht zurück auf eine Vereinbarung der früheren rot-grünen Koalition im Juli 1999. Damals war es zum Streit gekommen, als die Ausländerbehörde mehrfach die Atteste niedergelassener Ärzte über psychische und physische Erkrankungen von Flüchtlingen als „Gefälligkeitsgutachten“ angezweifelt hatte. Die Koalition einigte sich, dass das Amt Mediziner einstellen und diese bei Zweifeln Amtsärzte der Gesundheitsämter als neutrale Instanz hinzuziehen sollten.
Parallel schaltete sich die Staatsanwaltsanwaltschaft ein und ermittelte gegen einzelne Ärzte wegen „Falschbeurkundung“. Im Mai 2001 kam es zu einer Razzia in sechs Hamburger Praxen. Zu einer Anklage reichten die beschlagnahmten Krankenakten in keinem Fall aus. Doch da die von der Ausländerbehörde angezweifelten Gutachten fast ausnahmslos von Amtsärzten bestätigt worden waren, gerieten auch diese ins Visier der Ermittler. Im Mai 2002 durchsuchte die Staatsanwaltschaft die Räume einer Amtsärztin im Hamburg-Harburger Gesundheitsamt.
Erst als immer mehr Mediziner mit Strafverfahren überzogen wurden, schaltete sich die Hamburger Ärztekammer mit einer Stellungnahme ein. Der Berufsverband erinnerte an die „Verletzlichkeit der Patient-Arzt-Beziehung“. Gegen die Verunglimpfung von Medizinern als Gefälligkeitsgutachter und ihre Einbindung ins Abschiebeverfahren hatte sich die Ärztekammer hingegen nie gewehrt.
In Köln wurde dem Gesundheitsamt die Zuständigkeit entzogen. Seit einigen Wochen sind zwei Mediziner direkt beim Ausländeramt mit Abschiebefällen beschäftigt. Der Leiter des Kölner Gesundheitsamts, Dr. Jan Leidel, wollte diese Entscheidung gestern „nicht kommentieren“. Stattdessen appellierte er an die Innenminister, bei ihrer Konferenz keine Entscheidungen zu treffen, die weiteren Druck auf Mediziner ausüben. „Natürlich gibt es Flüchtlinge, die versuchen, die deutschen Gesetze auszunutzen“, sagte Leidel. Seiner Erfahrung nach sei dies aber „keineswegs die Regel“. Auch unabhängigen Ärzten dürfe man „durchaus zutrauen, dass sie sich an Recht und Gesetz halten“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen