Bereit fürs Fell des Bären

Rodel-Weltcup in Oberhof: Der deutsche Nachwuchs steht bereit, das Erbe von Georg Hackl anzutreten. Der hat sich auch schon einen Thronfolger auserkoren: den 20-jährigen David Möller

aus Oberhof MARKUS VÖLKER

Man ahnt, dass sich in den Albträumen des Georg Hackl ein Schlittendrama abspielen muss. Ein Dieb schleicht sich zum Heiligtum des Rennrodlers aus Berchtesgaden und bearbeitet die Kufen, jene hochsensiblen Schlittenteile, die Hackl, 36, mit Hingabe schleift und wienert und poliert und zum Schutz vor dem hölzernen Schoner sogar mit dreilagigem Klopapier verkleidet, damit nur ja kein Kratzer auf die Metallfläche kommt, mit einer groben Feile. Hackl hat seinen Schlitten deswegen immer im Blick – auch nach seinem vierten Platz beim Weltcup in Oberhof, den der Russe Albert Demtschenko vor Markus Kleinheinz aus Österreich und dem Italiener Armin Zöggeler gewann. „Moment mal, Männer“, sprach Hackl zur Reporterrunde und entschwand in einem atemberaubenden Tempo zum Rodel. Dann sah man den Olympiasieger mit ihm, fein säuberlich in einen Postsack gehüllt, enteilen.

Das war erledigt, nun Männer, die Fragen bitte. Ja, sagte Hackl, er sei äußerst zufrieden, dass er die Oberhofer Rodler, Karsten Albert (Platz 6) und den 20-jährigen David Möller (7.), habe distanzieren können, zumal auf einer Bahn, die ihm in den vergangenen beiden Jahren gar nicht lag. „Ich war hier schlittentechnisch auf dem Holzweg“, ließ der „Schorsch“ wissen. Das Oberhofer Eis tauge nicht für Experimente, dafür sei es viel zu holprig und, wie am Samstag, bei Temperaturen von 6 Grad, zu hart – allenfalls als Test für die WM in Sigulda (17. - 23. Februar) hätten die Läufe etwas gebracht.

Dabei stellt Hackl mit Vorliebe Experimente an. Hier ein bisschen probieren, da ein wenig schrauben. „Ich wollte immer Ergebnisse auf den Schlitten übertragen, die sich hier aber nicht übertragen lassen“, sagte er über die in Thüringen gekappte Standleitung zu seinem Gefährt.

Hart hat es den Tüftler getroffen, dass der Weltverband die Gummipufferung zwischen Schiene und Kufe verbot. Noch immer erbost, schimpfte Hackl in Oberhof: „Diese Regeländerung hat doch hinten und vorne keinen Sinn.“ Dennoch: Rodeln mache ihm Spaß, bis zu den Olympischen Spielen in Turin 2006 könnte es weitergehen.

Am Wochenende beschäftigte sich Hackl aber lieber mit der Gegenwart: „Ich kann derzeit jedes Rennen genießen, ich habe keinerlei Erfolgsdruck“, sagte er. Den Druck hätten nur die anderen im deutschen Team, vor allem der Nachwuchs, der bereitsteht, die Geschäfte zu übernehmen. Als seinen direkten Nachfolger hat Hackl den aus dem Thüringer Wald stammenden David Möller erkoren. Ohnehin befindet sich das Männerteam vor einem Generationswechsel. Hackl wird’s nicht ewig machen, Albert, 34, sowieso nicht, und Denis Geppert, 26, gilt nicht als künftiger Siegrodler. „Das wird mal einer, der Möller, der hat Biss“, legt Hackl die Erbfolge fest. Der zweifache Junioren-Weltmeister, der seit 1995 durch die 14 Kurven der Oberhofer Bahn rauscht, weiß nicht so recht, wie er mit dieser Bürde umgehen soll. Also spricht er davon, „in Zukunft die Vormachtstellung in Deutschland übernehmen zu müssen“, und bittet darum, „nicht mit dem Schorsch verglichen“ zu werden: „So erfolgreich wie er kann ich nie werden.“

Dass Möller in die Fußstapfen des Bayern treten kann, bewies er mit zwei Siegen in den Ausscheidungsrennen der deutschen Mannschaft in Altenberg und Oberhof. Die Weltcups in Park City und Calgary beendete er jeweils auf Platz 5. Auf seiner Heimbahn reichte es diesmal nur zu Rang 7, weil er in den letzten drei Kurven der 1.063 Meter langen Eisrinne viel Zeit verlor. Sein Kopf lugte viel zu hoch über der Brust hervor, ein Sakrileg im Rennrodeln, wo Windschnittigkeit alles ist. Dadurch verlor Möller die entscheidenden drei Zehntelsekunden auf einen Medaillenrang. „Seine momentane Form reicht nicht“, erklärte Bundestrainer Schwab, „um untenraus schnell zu fahren. Wenn er das verbessert, kann er unter die ersten drei fahren.“

Die Planungen im deutschen Team zielen auf Olympia 2006. Der Bundestrainer sagt Möller „eine große Zukunft“ voraus, auch weil er sich bereits so früh in der Weltspitze etabliert hat. „Er startet explosiv, hat ein hervorragendes Fahrgefühl und kann den Schlitten locker laufen lassen“, das seien die Stärken Möllers.

Ein weiterer Kandidat für Turin ist der Oberhofer Jan Eichhorn, 21, der sich allerdings vor dem Saisonstart den Mittelfuß brach und erst im Januar wieder richtig fit ist. „Sonst hätte ich ihm auch viel zugetraut“, sagte Schwab über den Dritten der Junioren-WM 2001. Dennoch: Es wird noch ein bisschen dauern, bis Möller und Eichhorn den seit 1988 dominierenden Georg Hackl ablösen können. Schließlich bereitet dem die Rodlerei unvermindert Spaß.