: Frauen für den Staatsanwalt
Aussagen einer Moldawierin belasten montenegrinische Vertreter der Staatsspitze, in Menschenhandel und Prostitution verwickelt zu sein. Vize-Staatsanwalt jetzt in Haft
BELGRAD taz ■ Wegen des Verdachts, „Frauenhandel betrieben und Frauen zur Prostitution genötigt“ zu haben, sitzt der Vize-Staatsanwalt Montenegros, Zoran Piperović, seit einigen Tagen in Haft. Doch jetzt droht der Fall „Piperović“ noch weitere Kreise zu ziehen. Politiker und einflussreiche Geschäftsleute zittern vor dem Untersuchungsverfahren.
Die Affäre ausgelöst hatte die Aussage einer Frau aus Moldawien vor dem Kreisgericht in Podgorica. Sie nannte mehrere hohe Staatsfunktionäre, die sie „misshandelt“ und zum „Sex genötigt“ haben sollen. Die Moldawierin befinde sich in schlechter Verfassung und habe innere und äußere Verletzungen, erklärte der Gerichtsarzt.
Das Schicksal der Zeugin ist charakteristisch für den organisierten Frauenhandel in Osteuropa. Die junge Frau sei verwitwet und habe zwei Kinder, erfährt man in Podgorica. Mit einem Monatseinkommen von rund 20 Euro konnte sie die Familie nicht ernähren und nahm das Angebot, für viel Geld im Ausland als „Tänzerin“ aufzutreten, an. Sie landete jedoch in einem Bordell. Mehrmals versuchte sie zu flüchten. Jedes Mal stellte sich jedoch heraus, dass Polizisten, an die sie sich gewandt hatte, mit der Frauenmafia verbunden waren.
Erst neulich brachte sie ein Polizist in Podgorica in das „Sichere Frauenhaus“, eine Organisation, die misshandelten Frauen Zuflucht bietet. „Staatsanwalt Božidar Vukčević sollte lieber sofort zurücktreten“, sagte Ljiljana Raičević, die Leiterin des „Sicheren Frauenhauses“. Die montenegrinische Tageszeitung Vijesti schreibt, dass die Polizei Beweismaterial gefunden haben soll, das den Staatsanwalt belastet. Raičević ist skeptisch, ob die Polizei den Fall gründlich untersuchen werde. Immerhin sei dies eine Gelegenheit, einen internationalen Ring von Menschenhändlern auffliegen zu lassen.
Mindestens vier Männer wurden bisher verhaftet. Der Staatsanwalt und sein Vize wollen von nichts gewusst haben, Piperović erklärte, er sei das Opfer einer „schmutzigen politischen Machenschaft“. In Podgorica gibt es fünf Nachtclubs, in denen mehrere Dutzend „Tänzerinnen“ angeboten werden. In den vergangenen Jahren sollen mehr als fünfzig Frauen in Montenegro verschwunden sein, darunter zwei minderjährige einheimische Mädchen.
Sowohl in Montenegro als auch in Serbien ist Prostitution gesetzlich verboten. Alle wissen jedoch, wo sich die Bordelle befinden, selbst in Zeitungen bieten Frauen ihre Dienste an. In Podgorica wird gemunkelt, Montenegros Polizeiminister Andrija Jovičević habe diese Aktion gegen den Frauenhandel auf Anweisung Interpols gestartet.
Derzeit bewachen fünfzehn schwer bewaffnete Polizisten das „Sichere Frauenhaus“ in Podgorica rund um die Uhr. Man ist um die Sicherheit der Kronzeugin besorgt. ANDREJ IVANJI
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen