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Protest erstarrt in der Kälte

Stunden braucht die NPD, um 50 Demonstranten zu sammeln, die anlässlich des Besuchs des israelischen Präsidenten Katsav protestieren sollen. Hunderte demonstrieren dagegen

von STEFAN ALBERTIund ANNE HAEMING

„Wo sind denn die Faschos?“ Der 1,70-Typ mit dem „Keine Nazis“-Aufnäher streckt sich vergeblich, um hinter der grünen Polizeikette im Bahnhof Friedrichstraße etwas von den angekündigten Rechten zu sehen. Ihretwegen ist er gekommen, er und ein paar hundert andere, wegen 200 angekündigter NPD-Sympathisanten, die sie nicht durch Berlin ziehen lassen wollen. Ihretwegen stehen auch 500 Polizisten in Bahnhofsnähe. Ihretwegen? Eine Stunde läuft die NPD-Kundgebung offiziell schon, und kaum 20 Teilnehmer stehen frierend längs einer grüner Minna, gedeckt durch behelmte Polizisten.

„Da hätten die sich auch irgendwo zum Bierchen treffen können“, lästert einer der Beamten. Eier sind schon geflogen aus den Reihen der Linken, einer Kollegin von ihm hängen die Schalen noch an der Schulter. Immer wieder kommt „Nazis raus“ von den Gegendemonstranten.

Zum Schlossplatz soll die Demo führen, halb sieben soll es los gehen. NPD-Funktionär René Bethage erzählt von Leuten, die mit Sicherheit noch kämen. Doch das hat er schon eine Stunde vorher gesagt, und es bleibt bei den paar Dutzend. Von 50 spricht die Polizei offiziell, maximal 100 erwarte man.

Tatsächlich versucht die Polizei ab kurz vor sieben, die Friedrichstraße zu räumen, Platz für die Demo zu machen, die unter dem Titel „Hände weg von Israel _ keine deutschen Waffen für Israel!“ angemeldet ist. Eine halbe Stunde später steht das rechte Grüppchen noch immer, und die Polizei kündigt stärkeren Druck an. Weichen sollen die Gegendemonstranten, sonst müsse man „einfache körperliche Gewalt“ anwenden. Bei Redaktionsschluss ist die Demo unterwegs.

Es ist der Abend der Konfusion. „Was machen wir eigentlich hier?“, ist über Stunden immer wieder in der Nähe der Beamten zu hören gewesen. Aber auch Gegendemonstranten irren in der Gegen herum. Marion Lubina und fünf, sechs PDS-Parteifreunde aus Reinickendorf suchen vergeblich nach einer Kundgebung linker Gruppen am Tränenpalast. Doch nichts tut sich mehr nördlich des Bahnhofs. Ein paar Dutzend Linke sind längst näher an das Geschehen ran oder zur Dorotheenstraße.

Dort kommt Klezmer-Musik aus einem Lautsprecherwagen. Die parteilose Europaabgeordnete Ilka Schröder hat dort zu einer Solidaritätskundgebung mit Israel aufgerufen. Doch dahin wollen Lubina und ihre Reinickendorfer PDS-Freunde nicht, sie wollen zwar keine NPD durch Berlin marschieren, aber keine Waffen nach Israel liefern lassen.

Minus sieben Grad sind es an diesem Abend. Das lässt zeitweise die Konturen zwischen links und rechts verschwimmen, weil die Kälte auch die Glatzen unter Mützen zwingt. NPD-Organisator Bethage trägt zudem Palästinensertuch, Fahnen und Springerstiefel sind verboten. Für die Linken an der Polizeikette trotzdem kein Problem: „Die machen ja mal den Mund auf, dann weiste Bescheid.“

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