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Irrtum im Vollrausch

Aus drei mach eins: Der Rechtssenat schafft es, in der Haushaltsdebatte aus den Ressorts Gesundheit, Umwelt und Justiz das übergeordnete Thema Ordnung herauszuarbeiten. „Erschreckendes Maß an Gleichgültigkeit“ attestiert die SPD der Regierung.

von PETER AHRENS

Gesundheit, Umwelt, Justiz -– so unterschiedlich die Themen bei der gestrigen Haushaltsdebatte auch klingen – sie sind inzwischen allesamt lediglich Spielarten der Ordnungspolitik als übergreifendes Ressort des Rechtssenats, egal, ob es um Drogenbekämpfung, Grünpflege oder Strafvollzug geht.

Ob der Umweltpolitiker der CDU, Wolfram Engels, sagt: „Wenn Bambule Beispiel machen würde, wäre Hamburg die verdreckteste Stadt Deutschlands“, oder der Gesundheitssenator der Schill-Partei, Peter Rehaag, bescheidet, „die Drogenhilfe zum Schonraum zu erklären, halte ich für falsch“ - es sind mehrere Seiten derselben Medaille.

Beispiel Umwelt: Senator Rehaag macht klar, dass „weggeworfene Dosen und wild ausgekippter Müll nicht mehr hinnehmbar“ seien. Ähnlich wie die Graffiti in der Stadt, deren Bekämpfung sowohl Rehaag als auch Engels schwer am Herzen liegen. Nur wenn es um die Bestrafung von Umweltsündern in der Wirtschaft geht, nimmt sich die Koalition zurück. Engels hält den „geringsten Einsatz staatlicher Mittel in der Umweltpolitik“ gar für vorbildlich. Kommentar von GAL-Umweltpolitiker Christian Maaß: „Umweltschutz führt ein totales Mauerblümchendasein.“

Fuchsig macht Maaß den Umweltsenator, als der GAL-Abgeordnete auf die beiden Mercedes-Dienstwagen hinweist, die sich Senator und Staatsrat vor die Tür gestellt haben. Er habe „bisher immer den Wagen gefahren, der mir gefallen hat“, reagiert Rehaag, er werde sich „auch von der GAL nicht dazu zwingen lassen, einen grünen Peugeot zu fahren, nur weil das besser wirkt“.

Beispiel Gesundheit: CDU-Experte Dietrich Wersich, zu Oppositionszeiten ein auch bei den Drogenhilfeträgern anerkannter Fachpolitiker, dankt mittlerweile „der Polizei für ihre Arbeit in ganz besonderer Weise“ und ist der Ansicht, es gebe vom Senat aus „keine Zerschlagung der Drogenhilfe, sondern eine kritische Überprüfung“. SPD-Gesundheitspolitiker Matthias Petersen erkennt darin ein „erschreckendes Maß an Gleichgültigkeit gegenüber Drogenkranken“, muss sich allerdings von der GAL-Fachsprecherin Dorothee Freudenberg selbst wegen der SPD-Haltung zu den Brechmitteleinsätzen rügen lassen.

Beispiel Justiz: Die CDU-Abgeordnete Viviane Spethmann ist froh, dass „der Spritzentausch im Knast endlich vorbei ist“, und ihr Schill-Kollege Reinhold Schaube sieht den Senat in der „Pflicht, Rechtsbrecher zu verwahren“. Und Justizsenator Roger Kusch (CDU) spricht von der „Skurrilität des überbordenden Gnadenwesens“, wenn er auf die Justizlandschaft schaut. GAL-Politiker Christian Maaß glaubt jedoch zu wissen, warum Kusch „nicht als rechtsstaatliches Korrektiv, sondern als Kettenhund“ des Rechtssenats agiere. Maaß hat Kuschs Dissertation ausgegraben, und die trägt den Titel: „Irrtum im Vollrausch“.

Weil er annahm, dass Kusch nach diesem Motto auch seine Behörde führe, brachte er die Koalitionsabgeordneten auf. Den Ordnungsruf, den die Regierenden daraufhin heftig forderten, sprach Schill-Vizepräsident Peter Paul Müller als deren ausführendes Organ denn auch aus – allerdings erst mit reichlich Verspätung, weil Müller die Passage zunächst nicht mitbekommen hatte.

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