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EU-Handelskommissar unter Attac(ke)

Globalisierungskritiker werfen Pascal Lamy vor, das WTO-Dienstleistungsabkommen Gats hinter verschlossenen Türen auszuhandeln. „Die Debatte gehört in den Bundestag“, fordert Attac. WTO-Mitglieder sollen transparenter arbeiten

FRANKFURT/MAIN taz ■ Mehr als 90 nichtstaatliche Organisationen aus 16 europäischen Ländern haben Vorwürfe gegen EU-Handelskommissar Pascal Lamy erhoben. Sie werfen Lamy mangelnde Transparenz bei den Verhandlungen über das umstrittene Dienstleistungsabkommen Gats (General Agreement on Trade in Services) vor. In einem offenen Brief an den Kommissar beschuldigen sie ihn, der Öffentlichkeit seit Monaten wichtige Informationen zu den Verhandlungen vorzuenthalten. Und das, obwohl diese „bedenkliche Auswirkungen auf die Zukunft“ hätten.

Über das neue Gats-Abkommen verhandeln derzeit alle WTO-Mitglieder. Die Welthandelsorganisation will mit dem Gats die Privatisierung etwa der öffentlichen Wasserversorgung und der Hochschulausbildung vorantreiben. Zu den deutschen Organisationen, die den Brief an Lamy mittragen, gehören Attac, die Umweltorganisation BUND und die Grüne Jugend.

Die EU hat im Juli jedem WTO-Mitglied eine Liste übermittelt. Darin zählt sie all diejenigen Bereiche auf, in denen EU-Firmen gerne Dienstleistungen im Ausland übernehmen möchten. Bislang hat sich die Union geweigert, diese Liste zu veröffentlichen. Das stößt bei den Unterzeichnern des Lamy-Briefes auf Widerspruch. Sie verlangen, dass alle von der EU an andere Staaten erhobenenen Gats-Forderungen und die Forderungen anderer Staaten an die EU veröffentlicht werden.

Lamy ist anderer Ansicht. Der Handelskommissar verhandelt in dieser Frage für die Gesamt-Union, die in der WTO als Einheit auftritt. In einem Antwortschreiben an eine Reihe globalisierungskritischer Organisationen verteidigt er ausdrücklich die Vertraulichkeit der ersten bilateralen Phase der Verhandlungen über Forderungen und Gegenangebote. Dies geschehe, „damit jedes Land frei darüber entscheiden kann, wie die Forderungen an die politischen Entscheidungsträger im eigenen Land herangetragen und wie die Gegenvorschläge formuliert werden“. Ferner sei Transparenz „für die meisten Entwicklungsländer keine Garantie für ein faires Vorgehen“. Nach Ansicht Lamys sei sie vielmehr „gleichbedeutend mit mit einem noch größeren Druck auf ihre Positionen, als es ohnehin schon der Fall ist“.

Überraschend kündigte die EU am 12. November eine öffentliche Anhörung zum Thema an. Den Gats-Kritikern reicht das aber nicht. Die Anhörung sei nur ein Vorwand, in Wirklichkeit werde „jener Grad von Transparenz, der für eine gut informierte öffentliche Debatte und einen demokratischen Überblick notwendig ist“, nicht erreicht.

Thomas Fritz, Gats-Experte bei Attac, argwöhnt, dass Lamy „mit seiner Gats-Politik zugunsten multinationaler Konzerne“ zunehmend unter öffentlichen Druck gerate. Es sei dringend erforderlich, dass sich der Bundestag mit den EU-Forderungen zum Gats befasst. Es könne nicht angehen, dass Lamy „ohne Wissen der Öffentlichkeit den Entwicklungsländern die Öffnung ihrer Wassermärkte abverlangt oder den USA einen Ausverkauf der audiovisuellen Dienstleistungen in Europa anbietet“.

ROLF-HENNING HINTZE

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