DIE NEUEN MINIJOBS DROHEN ALLEIN STEHENDE FRAUEN ZU BENACHTEILIGEN: Experiment mit ungewissem Ausgang
In der Sozialpolitik herrscht eine Laborsituation. Man weiß nie, was bei den Experimenten herauskommt. Leider. Die neuen rot-grünen Pläne zur Arbeitsmarktpolitik sind ein solches Beispiel. Nach den Plänen von Wirtschaftsminister Wolfgang Clement soll die Geringfügigkeitsgrenze für Jobs bis zu einem monatlichen Verdienst von 420 Euro erweitert werden. Bis zu diesem Verdienst müssten die Arbeitnehmer dann keine Sozialversicherungsbeiträge zahlen und nur 10 Prozent Lohnsteuer abführen. Das klingt zwar gar nicht so schlecht. Doch die altbekannte Frage stellt sich, ob damit nicht mehr Vollzeitstellen in solche 420-Euro-Jobs umgewandelt werden.
Nach den neuen Plänen müssen die Arbeitgeber – im Unterschied zu den Arbeitnehmern – zwar nach wie vor einen hohen Sozialversicherungsbeitrag entrichten. Ein direkter materieller Anreiz zur Umwandlung ist für die Unternehmer also nicht gegeben. Trotzdem werden die Minijobs durch die neuen Höchstgrenzen attraktiver. Zumindest für bestimmte Arbeitnehmer.
Die Gewinnerrechnung ist dabei relativ einfach auszumachen: Wer beispielsweise über den Ehepartner mitversichert ist, der braucht keine eigene Krankenversicherung. Für Ehefrauen sind geringfügige Jobs immer lukrativ, auch wenn sie nach den neuen Plänen eine Pauschalsteuer entrichten müssten.
Wer allerdings auf einen Vollzeitjob mit eigener Sozial- und Krankenversicherung angewiesen ist, für den sind 420-Euro-Jobs uninteressant. Der – oder die – muss mehr Geld verdienen, um über die Runden zu kommen. Jede Umwandlung von Vollzeitstellen in 420-Euro-Jobs ist daher beispielsweise für allein stehende Frauen eine ernste Gefahr. Es darf nicht sein, dass der Familienstand Jobsuchende privilegiert und andere benachteiligt.
Doch vielleicht ist all die Schwarzmalerei nicht nötig. Vielleicht sind alle Umwandlungen in geringfügige Jobs ohnehin längst passiert. Vielleicht ändert sich schlichtweg kaum etwas auf dem Jobmarkt, wenn die Verdienstgrenze auf 420 Euro erweitert wird. Denn eins ist klar: Die Minijobs lösen so oder so keine Probleme der registrierten Arbeitslosen. BARBARA DRIBBUSCH
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