: Vermummungsverbot für Weihnachtsmänner
Wie sich Polizei und autonome Gruppen auf den EU-Gipfel vorbereiten. Erwartet werden Aktionen des zivilen Ungehorsams – frei von Gewalt
KOPENHAGEN taz ■ Kurz vor dem EU-Gipfel in Kopenhagen ist Dänemarks Verfassungsschutz PET mit einer „Krawallwarnung“ an die Öffentlichkeit gegangen. „Wir sind überzeugt, dass gewisse Kreise eine gewaltsame Konfrontation mit der Polizei suchen“, erklärte PET-Chef Lars Finsen.
Mit den „gewissen Kreisen“ zielt er auf die in Dänemark traditionell starken autonomen Gruppen, die sich für die Anti-EU-Aktionen unter dem informellen Dach der Globale Rødder (Globale Wurzeln) gesammelt haben. PET habe Erkenntnisse, dass die AktivistInnen in den letzten Monaten auf „Mobilisierungstour“ in Deutschland, Schweden, Belgien, Italien und Griechenland gewesen seien und man mit rund 1.500 ausländischen Autonomen rechnen müsse.
Die Grenzen hat Dänemark daher bereits letzte Woche dichtgemacht. Das Schengen-Abkommen wurde außer Kraft gesetzt und Personenkontrollen an allen Grenzen wieder eingeführt. Eine Spezialeinheit der dänischen Polizei hat in Zusammenarbeit mit den KollegInnen anderer Länder seit Monaten Listen möglicher „Krawallmacher“ angelegt und hierbei auch Videoaufnahmen, die bei den Antiglobalisierungsdemos in Göteborg und Genua gemacht worden waren, ausgewertet.
Kia Ditlevsen, Sprecherin von Globale Wurzeln, weist die Warnungen des PET-Chefs als „Stimmungsmache“ zurück: „Wir haben im Ausland auf Grundlage unseres gewaltlosen Programms mobilisiert. Wir wollen gewaltfreie Aktionen haben, aber wir können nicht für jeden Teilnehmer verantwortlich gemacht werden.“
Die „Globalen Wurzeln“ haben zusammen mit anderen autonomen Gruppen aus Nordeuropa ein Manifest gegen die EU formuliert: Diese sei eine Parodie auf die Demokratie und ein Projekt zur Förderung des Kapitalismus. Die Union habe in Europa und auch global zu wachsender Kluft zwischen Arm und Reich beigetragen, sie sei auf dem Weg hin zu einer Außenpolitik, die sich immer mehr militarisiere und führe täglich einen unerklärten Krieg gegen Millionen ImmigrantInnen.
Die Demonstrationen, welche die Organisation Globale Wurzeln in Kopenhagen plant, werden als „konfrontative aber nicht gewaltsame Aktionen des Ungehorsams“ angekündigt. Zwar lehne man Gewalt als Mittel politischen Kampfes nicht ab. Eine politische Analyse habe aber zum jetzigen Nein zur Gewaltanwendung bei den Gipfel-Aktionen geführt: „Die Regierungen und ihre loyalen Medien haben es geschafft, diesen politischen Konflikt in eine Frage der strafrechtlichen Verfolgung von bösartigen und gewalttätigen Krawallmachern umzudrehen.“ Daher werde in der Öffentlichkeit inzwischen „radikale Kritik mit Terror gleichgesetzt“.
Morgen soll vor dem Tagungsgebäude des Gipfels eine erste Aktion von Globale Wurzeln stattfinden, danach dann verschiedene in der gesamten Innenstadt Kopenhagens. Gerechnet wird mit rund 3.000 TeilnehmerInnen. Polizeipressesprecher Kaj Vittrup: „Wenn die Ungehorsamkeitsaktivisten versuchen, die Durchführung des Gipfels zu verhindern, werden wir eingreifen.“ Auf dieses Eingreifen wollen die Autonomen mit „nicht gewalttätigen Selbstverteidigungstechniken“ antworten.
Neben den Autonomen haben sich in zwei Dachorganisationen, dem NGO-Forum Stoppt Gewalt und dem NGO-Zentrum, Anti-EU-Gruppen und auch Attac zusammengeschlossen. Eine gemeinsame Botschaft haben diese über 70 Organisationen nicht. Neben einer Reihe von Informationsveranstaltungen soll es am Samstag nach Abschluss des Gipfels eine Demonstration mit 15.000 bis 20.000 Teilnehmern geben.
Die Polizei, welche 6.000 Beamte einsetzen will, hat sich auf Auseinandersetzungen in den engen Straßen der Innenstadt von Kopenhagen eingestellt. Zwar wurde für dieses Gebiet ein Demonstrationsverbot erlassen, doch das wird sicher nicht eingehalten werden. Offenbar rechnet die Polizei sogar mit Christbaumkugelattacken. Der Weihnachtsschmuck solle entweder so schwer sein, dass er „nicht bewegt werden“ könne oder ganz entfernt werden, heißt es in einer Verhaltensliste. Dort wird dann auch vor als Weihnachtsmänner verkleideten Demonstranten gewarnt. Das in Dänemark generell geltende Vermummungsverbot wurde ausdrücklich auch auf Nikolause ausgedehnt, „die nicht seriös als solche arbeiten“.
REINHARD WOLFF
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