: berliner szenen 1b und 1c Geschäftsideen
Kugelsicher pleite
Das New-Age-Restaurant an der Ecke hatte irgendwie die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Sicher, die Zeiten sind schlecht, die Kassen leer. Man braucht etwas, an das man glauben kann. Doch das New-Age-Restaurant, aus dem immer ein Hauch von Räucherstäbchen und Sphärenmusik drang, hatte es übertrieben. Kein Fleisch, nur Tofu und Soja. Okay, könnte man sagen, Vegetarismus ist im Vergleich zu BSE ja das kleinere Übel. Aber dann: kein Bier, kein Schnaps, und außerdem: Rauchen verboten.
Und natürlich auch nicht für fünf Cent marktwirtschaftlich gedacht! Die einzigen Dinge, die im Kiez beständig nachgefragt werden, partout nicht anzubieten!? So viel Nerven hätte selbst eine HO-Gaststätte zu Ostzeiten kaum besessen. Neulich war dann endgültig Schluss. Der Möbelwagen stand vor der Tür. „Fünfzig Prozent der Wirtschaft sind eben Psychologie“, kommentierte C. nur, als wir ein paar Häuser weiter im Blaumilchkanal saßen und zuschauten. Ich war von C. zu den drei punischen Kriegen eingeladen worden, einem mehrstöckigen Cocktail.
Eigentlich geht’s uns ja nicht besser als dem New-Age-Laden, schließlich haben wir antizyklisch studiert, voll am Bedarf vorbei. Doch C. wollte jetzt seinem Schwager eine prima Geschäftsidee abkaufen. Der Schwager, so C., lässt in Bulgarien T-Shirts mit der Aufschrift „Berlin ist pleite“ und „Ich bin schuld“ herstellen. Ich gleich: „Wieso, das gibt’s doch längst!“, aber C. winkte ab: „Spezialanfertigungen für Politiker. Astronomische Gewinnspanne. Wowereit hat auch schon eins.“ Jetzt wollte ich natürlich wissen, wo der Unterschied liegt. C. flüsterte hinter vorgehaltener Hand: „High-Tech-Keramikfaser, knitterfrei, waschecht bei 90 Grad, und vor allen Dingen: kugelsicher!“ ANSGAR WARNER
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