: Sanftmut & Kampf
Shaolin Si – Junger Waldtempel, so heißt das wegen seiner Kung-Fu-Künste berühmte Kloster am Fuße des Songshan-Massivs in der mittelchinesischen Provinz Henan schon seit seiner Gründung im Jahr 495. Ein indischer Mönch namens Bhadra bekam vom chinesischen Kaiser diesen Ort geschenkt, um die Lehre des Buddhismus zu pflegen.
527 n. Chr. erreichte Bodhidharma, ein ebenfalls aus Indien stammender Mönch, das Kloster. Er soll der 28. buddhistische Patriarch und damit Nachfolger Gautama Buddhas, des Religionsgründers, gewesen sein. In China gilt Bodhidharma als Begründer der chinesischen Schule des Chan-Buddhismus, der später als Zen-Buddhismus in Japan Karriere machte. Bodhidharma soll der Erfinder der Shaolin-Boxkunst und der fünf Tierstile sein, bei denen sich Kämpfer verhalten wie Drachen, Tiger, Leoparden, Kraniche oder Schlangen.
Kämpfen können mussten die Jünger des friedfertigen Buddhismus zunächst, um zu überleben. Jahrhundertelang verteidigten sich reiche Klöster, wie Shaolin eines war, fast täglich gegen Räuber. Ganz konnte der tolerante Chan-Buddhismus die Kluft zwischen gebotener Sanftmut und der Kunst des Tötens aber nie überwinden. Doch der chinesische Mahayana-Buddhismus erleichterte das kämpferische Tun zu akzeptieren.
Im Mittelalter, unter der Ming-Dynastie, erlebte Shaolin seine Blütezeit. Es war die Hochzeit der chinesischen Kampfkunst und Shaolin die Bildungsstätte der besten Kampfmönche. Schon früh mystifizieren Legenden die wahren Begebenheiten rund um die durchtrainierten Mönche, die häufig als Mönchssoldaten den jeweiligen Kaisern gegen Räuber, Piraten und aufständische Bauern beistanden. Es gilt als wahrscheinlich, dass sich das Kloster die Kampfeinsätze seiner Mönche bezahlen ließ.
Trainiert werden bis heute Ausdauer, Kraft und Abhärtung, gemischt mit Übungen zum Qi, der seelischen Kraft, die herkömmliche physische Zustände überwinden können soll. Es gibt Übungen, bei denen das Qi durch Sehnen und Muskelfleisch geleitet werden soll, wodurch das Gefäßsystem anschwillt. „Die Sehnen werden dann wie Stricke, das Fleisch wie festes Leder. Wird man mit einem Säbel geschlagen, entsteht keine Verletzung“, verheißt ein Lehrbuch.
Genau dieser naive Glaube an die Unverletzlichkeit der Kämpfenden führte 1901, beim Boxeraufstand gegen die alliierte Armee, zur verheerenden Niederlage der chinesischen Patrioten – und damit zum vorläufigen Ende für die Erfolgsgeschichte der kämpfenden Mönche.
Erst in den Achtzigerjahren des vorigen Jahrhunderts, nach den Verheerungen der Kulturrevolution und einer im Zuge der Reformpolitik einsetzenden Suche nach den eigenen Traditionswurzeln, hauchen die wenigen verbliebenen Mönche der Shaolin-Kultur neues Leben ein. Als Zentrum des chinesischen Buddhismus gewinnt das Kloster heute zunehmend an Bedeutung.
Neben Meditation und Buddhismus pflegen Shaolin-Mönche auch Kenntnisse in traditioneller chinesischer Medizin, Qigong, Kalligrafie und natürlich Kung-Fu. Die Lebensweise eines Mönches ist streng: kein Fleisch, kein Alkohol, kein Sex. Entsprechend Letzterem gilt das Zölibat. Der Shaolin-Tempel Deutschland informiert unter www.sltd.de über seine Aktivitäten, Sitz des Unternehmens ist Kurfürstendamm 102, 10711 Berlin. AW
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