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Ein Schlaraffenland im Netz

Mit einem freundlichen Frosch als Logo versuchen die SuchtberaterInnen essgestörte Mädchen zu erreichen. Vorteil: Im Netz können die Betroffenen Hilfe anonym finden

Aufmunternd lächelt der Frosch mit der Krone schief auf dem Kopf den BesucherInnen des Bremer Schlaraffenlandes entgegen. Die Räume sind in Sonnengelb und Orange gehalten. Der Frosch wendet sich vor allem an Mädchen und junge Frauen, die magersüchtig sind, unter Ess- oder Ess-Brech-Sucht leiden.

Die Website www.schlaraffenland-bremen.de ist zwar nicht die erste Website, die über Ess-Störungen informiert, aber diese richtet sich speziell an Jugendliche. In einer Sprache, die sie verstehen, werden die unterschiedlichen Ess-Störungen erklärt. An den Texten haben betroffene Mädchen mitgearbeitet.

Der Clou an der Site ist, dass hier möglichst bald eine direkte Beratung im Chat zwischen Betroffenen und BeraterInnen aufgebaut werden soll, also die Fragenden nicht mehr tagelang auf eine Mail-Antwort warten müssen. Derzeit fehlt den InitatorInnen aber das Geld für den Ausbau, sie suchen dringend SponsorInnen. Schon jetzt gibt es neben dem allgemein offenen Bereich die „Secret Community“, wo sich Jugendliche mit Ess-Störungen anonym per E-Mail austauschen können.

Außerdem kümmert sich im „Schlaraffenland“ eine Art Dr.-Sommer-Team um die häufigsten Fragen (FAQ) : Ob „Was ist der Jo-Jo-Effekt?“, „Kann man an Magersucht sterben?“, oder „Wie kotze ich am besten?“ – die BeraterInnen sind um keine Antwort verlegen. Außerdem erfahren die BesucherInnen, welche Therapieformen es gibt und was da passiert oder wohin die betroffenen Mädchen gehen können, wenn sie sich im Land Bremen Hilfe suchen wollen.

Laut Margrit Hasselmann von der Suchtprävention des Landesinstituts für Schule wurde es allerhöchste Eisenbahn für das Internet-Angebot. Mit dem Medium Internet hofft sie, die oft leistungsorientierten Mädchen zu erreichen. Außerdem helfe die Anonymität beim ersten Kontakt. Hasselmanns Erfahrung aus der Beratung: Heute sei es keine Seltenheit mehr, einem 15-jährigen Mädchen, die schon 30 Diäten hinter sich hat, zu begegnen. In Zahlen: Im Jahr 1984 hatte jede zweite 18-jährige junge Frau Diät-Erfahrungen, im Jahr 2001 hatte schon die Hälfte der elf- bis 13-jährigen Mädchen Diäterfahrungen. Und immerhin schon ein Viertel der sieben- bis zehnjährigen Mädchen hatte schon Bekanntschaft mit dem Abnehmen gemacht.

Und noch was: Magersucht ist tödlich. Zehn bis 15 von 100 Magersüchtigen sterben. ube

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