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Meine Zeit mit Halle Berry

Eine einfache Oscarpreisträgerin zu Besuch bei einem schwierigen Fischlieferanten

„Ich bin eine einfache Oscarpreisträgerin und suche Unterkunft“, sagt Halle Berry, als sie eines Tages bei mir klingelt. Meine Wohnung ist nicht sehr groß, aber wo die sympathische Schauspielerin nun schon mal da ist, gewähre ich ihr gern Einlass.

Halle Berry hat etwas zu trinken mitgebracht, denn als amerikanischer Filmstar bekommt sie bei „Ihre Kette“ zehn Flaschen Markensekt zum Preis von neun. Schnell werden wir ausgelassen und lustig. „Ich kenne nicht einen deiner Filme!“, rufe ich gut gelaunt. Anschließend setzen wir einen Feudel (Sonderangebot) in Brand, schmeißen ihn aus dem Fenster und schauen zu, wie er auf den Boden fällt. Auch dabei lachen wir sehr.

„Ich habe Hunger“, sagt Halle Berry plötzlich, und wir gehen einkaufen. Halle will 25 Lachs-Pizzas, einen Monatsvorrat Krabbensalat und einen Sack Aal in Gelee. Kaum sind wir zu Hause, hat sie alles verputzt. Auch das Futter für meine Zierfische.

„Nichts gegen deinen gesunden Appetit“, sage ich am nächsten Morgen, während ich zwei Schubkarren Seelachsfilet in die Küche schiebe, „aber mit dem Konsum von Fischeiweiß sollte man sorgsam umgehen.“ Halle Berry sagt nichts. Stattdessen hebt sie ihren Kopf aus meinem Aquarium, aus dem sie gerade alle meine Fische herausgesaugt hat. Dann trocknet sie sich die Haare und isst den gesamten Seelachs. Zum ersten Mal bemerke ich dabei die feinen Zähnchen in ihrem Mund, die in drei Reihen hintereinander stehen und sich gnadenlos in die toten Fischkörper bohren. Außerdem glaube ich kleine Schwimmhäute zwischen ihren Fingern hindurchschimmern zu sehen. Sie spricht jetzt nur noch wenig. Fast scheint es, als hätte sie gerade erst die Kiemenatmung eingestellt und noch Schwierigkeiten mit der Lautbildung.

Bis zum Abend vertilgt Halle Berry noch drei Fässer Rollmöpse, eine Tonne Heringe sowie einen noch lebenden Tigerhai mit Rochenlasagne. Danach will sie noch die Ladung Kübel mit Tran. Mir bleibt anschließend nur die Küche durchzuwischen, dann gehe auch ich schlafen.

Nachts träume ich, dass ich Pierce Brosnan in Form einer Meeresalge begegne. Als ich versuche, ihm meine Notlage zu erklären, sagt er nur: „Mir egal, was Sie da reden. Hauptsache, ich werde der neue Schülersprecher.“ Dann wache ich schweißgebadet auf. In der Küche treffe ich auf Halle Berry, die gerade einen Schnellimbiss mit Mecklenburger Aalmüsli, Seehundmilch und Fischhauttee zu sich nimmt. Anschließend widmet sie sich zwei weiteren Ladungen Tran, die sie diesmal kunstvoll mit Hilfe eines Strohhalms aussaugt. „Alte Tran-Suse“, höre ich mich denken und kann dabei meine norddeutsche Herkunft nur schwer verbergen.

„Von den Nimm-zwei-Bonbons habe ich immer nur einen bekommen“, gesteht Halle Berry, als ich sie am Morgen aus der Badewanne mit den nächtlichen Calamareslieferungen fische. „Trotzdem kein Grund, sich an wehrlosen Kreaturen zu vergehen“, antworte ich unwirsch. Immerhin hat gerade der Zoo angerufen. Sie vermissen ihren gesamten Bestand an Meeresschildkröten, mehrere Horden Pinguine und die niedlichen Delfine Hupsi und Stupsi sowie das Walross Detlev. „Du verstehst mich nicht“, sagt sie einfach nur und streicht sich nervös über ihre Haut aus feinen Schuppen. Dann packt sie ihre Koffer, flieht nach Helgoland, wo sie drei Tage später wegen Überfischung der Nordsee verhaftet und strafrechtlich zu drei Jahren Zwangsarbeit als Leuchtturm verurteilt wird. JAN ULLRICH

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