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Der Meister der CI

Dr. h.c. Horst Hinderlich lebt „Corporate Identity“ mit maximalem Einsatz. Wenn er jetzt als Verwaltungsdirektor des DRK-Krankenhauses aufhört, fehlt dessen Gängen ein großer Entertainer

Mit Horst Hinderlich durch die Korridore des Bremer DRK-Krankenhauses zu gehen, ist ein Erlebnis. Da wird geknufft, gefeixt, geblödelt, dass es eine Freude ist. Alles in bestem Berlinerisch.

„Wir müssen zum Anfassen da sein“, erklärt der Verwaltungsdirektor seine Führungsstrategie, die offenbar auch bestens mit seinem Naturell korrespondiert. Mit anderen Worten: „Wir machen das hier mit CI, schließlich sind wir emotionale Wesen“. Corporate Identity ist in der DRK-Klinik in der Tat allgegenwärtig. Der Service-Leiter darf seinen Chef „Bärchen“ nennen, und die Sekretärin legt Direktor Hinderlich ebensolche in’s Regal – für jede Woche, die er rauchfrei rumgebracht hat. „Das Pochen auf Statusmerkmale macht vieles kaputt“, betont Hinderlich, der als Oberst der Reserve mit Hierarchien bestens vertraut ist.

Dieter Leuthold, Leiter des „Arbeitskreises für interne Unternehmenskommunikation“ an der Hochschule Bremen, unterfüttert Hinderlichs hemdsärmeligen Ansatz theoretisch: „Viele Manager haben Akzeptanzprobleme, weil Denken und Handeln nicht übereinstimmen. Bei Horst Hinderlich gibt es keinerlei Glaubwürdigkeitslücken.“

Die jetzt bei Hauschild erschienenen Erinnerungen von Horst Hinderlich („Manager, Menschenfreund, Macher“) klassifiziert der Wirtschaftswissenschaftler sogar als ernst zu nehmenden „Beitrag zur Management-Literatur“.

Lernen von Hinderlich hieße demnach, kommunizieren lernen. Um diesem Kontakt-Talent auf die Spur zu kommen, empfiehlt sich also die Lektüre des beinah vollständigen Lebensabrisses („ein paar Freundinnen hab ick unterschlagen“), angefangen bei der Jugend in Neukölln und Kreuzberg („die Haupterinnerung ist: Ich musste ständig nachsitzen“).

Es folgt die Zeit bei der Bundeswehr und der Sprung in die freie Wirtschaft, wo Hinderlich unter anderem für die Absatzentwicklung bei KABA und die Einführung des Führungsstils „Management by Delegation“ zuständig war. Wie passen Kumpeltypus und verantwortlicher Manager zusammen – wenn man zum Beispiel 411 Leute entlassen muss, wie in den 80ern bei Kaffee HAG? „Wir haben fast alle in neue Beschäftigungen gebracht“, erklärt Hinderlich.

Die Dynamik des Mannes teilt sich auch im Layout seines Buches mit. Immer wieder schwellen einzelne Sätze an, erreichen doppelte Buchstabengröße, um sich dann, mit kühnem Schwung, wieder den anderen Zeichen anzupassen. So liest man beschwingt das Statement des Generalleutnant Dirk Böcker, zweithöchster Mann der Bundeswehr, Hinderlich sei „ein ausgesprochen liebenswerter Mensch“, und erfährt von mancherlei Auszeichnung, etwa der als Ehrensenator der Hochschule Bremen.

Zeit zum Bilanzieren: Hinderlich hat sich erfolgreich durch die bisherigen Krisen und Reformen des Gesundheitswesens gekämpft und das Haus an der Weser ziemlich runderneuert. Regelmäßig holt er Kunstausstellungen in die Klinik, die jährliche Sozialbilanz (eine Bremer Besonderheit) ist (auch) ein ästhetisches Highlight. Daneben organisiert er vielfältige Hilfsaktionen für lateinamerikanische Krankenhäuser.

Hinderlich geht nicht ohne Grund Ende des Jahres – kurz nach seinem 60. Geburtstag – in den offiziellen Ruhestand. Als Personalchef verschiedener Unternehmen hat er jede Menge Leute erlebt, die sich „bis zum Schluss durchhangeln“ und dann ein Jahr nach der Rente umkippen. Also sagt der Macher weise: „Man muss auch aufhören können.“ Henning Bleyl

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