: vorlauf kunst Brigitte Werneburg schaut sich in den Galerien von Berlin um
Ich würde denken, dass heute die Mehrzahl aller Bilder Querformate sind. Ich bin mir sicher, das kommt vom Autofahren und Kinogehen. Auch die meisten modernen Fenster sind Querformate. Für Le Corbusier machten die neuen Medien das Panoramafenster notwendig. Konkret meinte er, es gäbe dann mehr Licht fürs Fotografieren und Filmen in Innenräumen. Das altmodische hochformatige Fenster seines Architektenkollegen Auguste Perret verspottete er als „aufrecht stehender Mann“. Doch trotz unserer medialen Umerziehung zum Querformat kennen wir ein Jahrhundert später noch immer keine liegenden Männer. Was wenig verwundert: Ein liegender Mann ist ein gefallener Mann. Kurz nach der Französischen Revolution war übrigens der liegende, also gefallene Mann ein beliebtes Motiv. Meist war es ein zarter, nackter Ephebe, er wurde dann durch die liegende Frau ausgetauscht. All diese Gedanken provoziert Johannes Kahrs mit seiner Schau im Studio 2 des Künstlerhauses Bethanien. Johannes Kahrs große, fast monumental zu nennenden Kohlezeichnungen leiten sich von Medienvorlagen her, handle es sich um Zeitungsfotos, Plattencover oder Filmbilder. Und dabei hat Kahrs jetzt das Motiv des liegenden Mannes wieder entdeckt. Wie den Opium rauchenden Chinesen auf einem alten Foto aus dem 19. Jahrhundert. Oder wie Max Schreck als „Man Asleep“. Als Plakatwand hochgezogen hat der Vampir aus F. W. Murnaus „Nosferatu“ schon die Wartenden an einer Bushaltestelle in Porto irritiert. Kahrs’ Untersuchungen der Rhetorik des Bildes haben in den Liegenden tatsächlich ein fremdes, unwahrscheinliches, auch schockierendes Sujet gefunden. Spätestens, wenn Cher als Tramperin vor einem steht – aufrecht.
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