: Frieden der Warlords
Spektakulärer Erfolg in Pretoria: Der Kongo-Friedensvertrag ist überraschend unterzeichnet
von DOMINIC JOHNSON
Um vier Uhr morgens war der Krieg vorbei. Begleitet von Gebet und Gesang, zelebrierten die Delegierten bei den Kongo-Friedensgesprächen in Südafrikas Hauptstadt Pretoria gestern im Morgengrauen den Schlussakt langer, ermüdender Verhandlungen. Nacheinander setzten sie ihre Unterschrift unter einen Vertrag, der die Kriegsparteien in einer gemeinsamen Regierung zusammenführen und einen vier Jahre dauernden Konflikt beenden soll.
Es war ein Erfolg, an den zuletzt kaum noch jemand geglaubt hatte. Der dritte Anlauf zum „Innerkongolesischen Dialog“, nach einer kurzlebigen ersten Runde in Äthiopien im Oktober 2001 und einer im Streit auseinander gegangenen zweiten in Südafrika zwischen Februar und April 2002, hatte am 9. Dezember begonnen. Anders als vorher lag ein fertiger Vorschlag des südafrikanischen Präsidenten Thabo Mbeki auf dem Tisch, dem im Prinzip alle zustimmten.
Aber die Unterzeichnung des „Globalen und allumfassenden Abkommens über den Übergang in der Demokratischen Republik Kongo“ platzte am vergangenen Wochenende, als Berichte über Waffenlieferungen aus Libyen an die Rebellenbewegung MLC (Kongolesische Befreiungsbewegung) bekannt wurden. Hinzu kam, dass die MLC entgegen dem Willen der anderen das Finanzministerium in der Allparteienregierung beanspruchte.
Unter massivem Druck erzwang Südafrika dann doch noch eine spektakuläre Kehrtwende. Eine emotionale Fernsehansprache des Altpräsidenten Nelson Mandela, der an die historische Verantwortung der kongolesischen Führer appellierte, begleitete scharfe Warnungen der Vermittler: Bei einem Misserfolg der Gespräche wären nicht nur die 2,5 Milliarden Dollar in Gefahr, die eine Geberkonferenz in Aussicht gestellt hatte – Südafrika würde auch offiziell den Friedensprozess für gescheitert erklären und, zusammen mit den USA, bei der UNO für Zwangsmaßnahmen eintreten.
Die Drohung wirkte. Die MLC tauschte mit der Regierung das Finanz- gegen das Haushaltsministerium ein und bekam den Parlamentsvorsitz; weitere Rochaden auf unteren Ebenen vervollständigten das Kabinettstableau. So konnten sich am Schluss alle begeistern. „Jetzt kann niemand mehr zurück in den Krieg ziehen“, behauptete RCD-Generalsekretär Azarias Ruberwa. Und sein Amtskollege von der MLC, Olivier Kamitatu, rief: „Wir bitten alle unschuldigen Opfer um Verzeihung.“
Dass die Kriegsparteien sich am meisten freuen, ist klar. Sie verlieren nichts. Die Rebellen bekommen Ministerposten in Kinshasa, bleiben aber zugleich Rebellengruppen mit eigenem Territorium. Denn die Verschmelzung der Kriegsparteien zu einer geeinten Armee wird einer noch zu bildenden Kommission überlassen. Das Abkommen sorgt zugleich dafür, dass sämtliche bewaffneten Gruppen des Kongo eine Militärpräsenz in Kinshasa bekommen. Denn um seine persönliche Sicherheit zu gewährleisten, darf jeder Amtsinhaber in der neuen Allparteienregierung 5 bis 15 Leibwächter mitbringen. Eine Schutztruppe aus Südafrika ist demgegenüber nicht mehr im Gespräch.
Das verunsichert Kongos Zivilpolitiker, die weder den Regierungstruppen noch den Rebellenarmeen trauen. Sie hoffen nun dringend auf UN-Blauhelme. Die Position der zivilen Kräfte ist umso schwächer, als es innerhalb der zivilen Opposition keine Einigkeit über die Besetzung der ihr zustehenden Ministerposten gibt. Die Nominierung der Minister wurde in Pretoria einer achtköpfigen Kommission übertragen. Sie soll heute ihre Arbeit aufnehmen. Von ihr wird abhängen, ob das Abkommen mehr wert ist als das Papier, auf dem es steht. Denn in der zivilen Opposition sind manche Politiker Kabila zugeneigt, andere eher den Rebellen. Wer von ihnen im Personalschacher die Oberhand behält, sichert seinen militärischen Verbündeten die Macht in den neuen Institutionen.
Daher haben die RCD und die mit ihr verbündete zivile Oppositionspartei UDPS nur unter Vorbehalt unterschrieben – sie wollen erst ihre Personalvorstellungen durchsetzen. Und auch im Regierungslager formiert sich Ablehnung. Eine „Koordination der nationalistischen revolutionären Kräfte“, deren Mitglieder dem Nationalhelden Patrice Lumumba und Expräsident Laurent Kabila nahe stehen, rief am Wochenende zur Fortsetzung des Krieges auf und sagte, das Ausland wolle dem Kongo „Verbrecher und Verräter“ aufzwingen. Zu den Unterzeichnern gehört auch General Joseph Padiri, Führer der Mayi-Mayi-Milizen im umkämpften Osten des Kongo.
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