Jusos werfen die Brocken hin

Schwere Generationen-Krise im SPD-Unterbezirk Stadt: Der Nachwuchs schäumt und erhebt in einem Offenen Brief verbittert Vorwürfe gegen die eigene Parteiführung

Drei Tage lang schwiegen die Jungsozialisten verdattert – offenbar heftig gekränkt über die Entscheidung der SPD-Mandatskommission, ihren Landeschef, den 24-jährigen Bürgerschaftsabgeordneten Thomas Ehmke, für die nächste Wahl auf Listenplatz 30 zu verbannen. In einem „Offenen Brief“ an SPD-Chef Detlev Albers und den Vorsitzenden des Unterbezirks Stadt, Wolfgang Grotheer, feuern die Jusos jetzt eine Breitseite nach der anderen ab.

Klaus Welter, Juso-Chef von Bremen-Stadt, zieht in dem Schreiben an den „lieben Detlev“ und den „lieben Wolfgang“ heftig vom Leder: „Mit Bestürzung“ habe man den Vorschlag der Mandatskommission zur Kenntnis genommen, mit Ehmke den einzigen Kandidaten unter 35 Jahren „auf den nahezu aussichtslosen Platz 30“ zu setzen: „Wir vestehen dies nicht nur als Angriff auf die Jusos, sondern auch als Affront gegen alle Parteimitglieder unter 35 und gegen alle jungen Menschen in dieser Stadt“, wettert Welter.

„Es stellt sich uns die Frage, ob Eure Entscheidung nur von (möglicherweise altersbedingter) Vergesslichkeit, mangelnder Weitsicht und fehlendem Verständnis von jugendlichem Engagement zeugt, oder ob es sich um einen bewussten Denkzettel für Andersdenkende, reine Boshaftigkeit und den Willen zur völligen Machtergreifung in der Partei handelt.“ Dabei sei es den Jusos zu verdanken gewesen, dass fast 60 Prozent der unter 25-jährigen Bremer bei der Bundestagswahl SPD gewählt hätten.

Den Jusos dränge sich das Gefühl auf, so Welter weiter, dass die jungen Menschen in der Partei „bewusst zurechtgestutzt werden sollen, weil wir teilweise eine andere Meinung haben als die Altvorderen“. Wenn diese sich einbildeten, die wichtigen Positionen in der Partei „bis zum Greisenalter“ unter sich aufteilen zu können, werde ihnen „die Gefolgschaft in Scharen davonlaufen“, prophezeit der Chef-Juso und droht: „Aus Enttäuschung überlegen wir Jusos ernsthaft, alle unseren Aktivitäten – zumindest aber die für die Bürgerschaftswahl – einzustellen.“

In einer ersten Reaktion bezeichnete Unterbezirkschef Grotheer den schroffen Ton des Schreibens als „etwas ungewöhnlich“. Auf dem Parteitag im Januar, der über den Listenvorschlag der Mandatskommission abstimme, könne im Übrigen „zu jeder einzelnen Position ein Änderungsantrag gestellt werden“, sagte Grotheer nüchtern. Ansonsten sei Ehmkes Rang 30 „sehr wohl noch ein aussichtsreicher Listenplatz“.

Die Junge Union nahm die Steilvorlage der zankenden Genossen genüsslich auf: Man sorge sich „um den Altersdurchschnitt der zukünftigen SPD-Bürgerschaftsfraktion“, höhnte JU-Chef Christian Conreder. Mit dem „verheerend schlechten Abschneiden“ der jüngeren Genossen zeige die SPD „ihr wahres Gesicht als ewig gestrige, veraltete, rückwärtsgewandte Partei“. jox