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Den Lauscher ständig in der Muschel

Kommission legt Bericht über die Aktivitäten des schwedischen Verfassungsschutzes vor. Das Ergebnis: Zehntausende wurden grundlos und jahrelang als vermeintliche Staatsfeinde überwacht. Zu Ermittlungsverfahren kam es jedoch so gut wie nie

aus Stockholm REINHARD WOLFF

Die Vermutungen über die Aktivitäten des schwedischen Überwachungsstaats waren kein Hirngespinst der Linken. Mehr als einhunderttausend Personen wurden zwischen den Fünfziger- und Siebzigerjahren als vermeintliche Staatsfeinde registriert, systematisch überwacht und am Telefon abgehört. Und auch in den letzten beiden Jahrzehnten umfasste das Überwachungsregister immer noch bis zu zehntausend Namen.

Mehr als 3.200 Seiten lang ist der Bericht einer Kommission, die 1999 eingesetzt worden war, um die Aktivitäten von Schwedens Verfassungsschutz Säpo und dessen militärischem Pendant zu untersuchen. Ihr jetzt veröffentlichter Rapport hat vor allem eine Reaktion ausgelöst: Es war noch viel schlimmer, als sich die Medien, die meisten PolitikerInnen und die Betroffenen vorstellen konnten. Die Mitgliedschaft in der – im Parlament vertretenen – Kommunistischen Partei, die Teilnahme an einer Vietnamdemonstration, das Abonnement des Blättchens einer K-Gruppe, die Sammlung für eine Friedensorganisation, sogar das bloße Gespräch mit einer „falschen“ Person: All das genügte, um im Säpo-Register zu landen.

Die Arbeit zu verlieren oder für bestimmte Jobs nicht mehr eingestellt zu werden – die Liste der Berufe, die eine „Registeranfrage“ erforderten, reichte vom Professor bis zum Handwerker im als „sicherheitsrelevant“ eingestuften Arbeitsmilieu -, heimlich überwacht, gefilmt und fotografiert zu werden, vor allem aber einen stetigen Mitlauscher in der Telefonmuschel zu haben. Die nötige richterliche Genehmigung war eine Formsache ohne tatsächliche Kontrolle der von der Säpo behaupteten Gründe: Die Gerichte unterschrieben offenbar blind die ihnen über die Staatsanwaltschaften vorgelegten Genehmigungen.

Der Rapport zitiert Fälle, bei denen Abhöraktionen mehr als zehn Jahre andauerten und stetig verlängert wurden, obwohl niemals auch nur der kleinste Hinweis auf tatsächliche verfassungsfeindliche Aktivitäten auftauchte. „Vermeintliche Effektivität rangierte vor dem Integritätsschutz“, fasste es der Kommissionschef Gunnar Brodin zusammen: „Es gab offenbar eine stillschweigende Solidarisierung zwischen Aufsichtsorgan und Verfassungsschutz.“ Sein Urteil: Die Überwachung sei schablonenmäßig, an übertriebenen und inaktuellen Drohbildern orientiert und dazu weitgehend ineffektiv gewesen: „So gut wie bei keinem der Registrierten führten die Erkenntnisse auch nur zu einem Ermittlungsverfahren.“

Über 400 Personen haben er und seine Kommission unter Eid vernommen und die Archive durchgekämmt. Verschlossen blieben aus „Sicherheitsgründen“ die Archive der letzten Jahre, doch gibt es Hinweise, dass bis heute die Tätigkeiten des „Großen Bruders“ umfassend sind. So landete Ende der Achtzigerjahre die Chefin von amnesty international im Register. Ebenso warf man ein Auge auf die Aktivitäten eines linken Buchklubs und einer Altkleidersammlung, die palästinensischen Projekten Geldspenden schenkte.

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