: Das Existenzminimum sichern
Umfangreich und schwer verständlich: Ob das Grundsicherungsgesetz Ziel und Zielgruppe erreicht, bleibt abzuwarten
Zum 1. Januar 2003 tritt das von der Bundesregierung im Juni 2001 beschlossene Grundsicherungsgesetz in Kraft. Ziel dieses Gesetzes ist es, der Altersarmut in Deutschland entgegenzuwirken. Ob das Gesetz dieses Ziel und die Zielgruppe erreicht, bleibt abzuwarten.
Die Idee des Gesetzes ist, dass jeder Mensch im Alter (oder bei dauerhafter Erwerbsminderung) sein Existenzminimum erreichen soll. Ist die Rente für den Einzelnen zu gering (oder besteht überhaupt kein Rentenanspruch) und liegt kein weiteres Einkommen vor, übernimmt die neue Grundsicherung die Aufstockung des Einkommens bis zum festgelegten Existenzminimum. Damit soll dafür gesorgt werden, dass Menschen ab 65 Jahren nicht mehr auf den Bezug von Sozialhilfe angewiesen sind, um so verdeckte Armut abzubauen bzw. zu vermeiden.
Die Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz haben daher auch gegenüber der Sozialhilfe Vorrang. Die Grundsicherung ist aber weiterhin an der Sozialhilfe orientiert, was die Höhe der Leistung und Verpflichtungen zur Mitwirkung und Auskunftspflicht angeht. Sie setzt sich aus drei (bis vier) Komponenten zusammen: dem für den Antragsberechtigten maßgebenden Sozialhilferegelsatz zuzüglich eines Aufschlages von 15 Prozent; dem angemessenen tatsächliche Aufwand für Unterkunft und Heizung; der Übernahme von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen sowie einem Mehrbedarf von 20 Prozent des Regelsatzes bei Inhabern eines Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen G. Eine weitere wichtige Neuerung ist, dass die eigenen Kinder in deutlich geringerem Maße als bei Sozialhilfebezug in Anspruch genommen werden: Erst ab einem Jahreseinkommen von mehr als 100.000 Euro findet jetzt ein Rückgriff auf Einkommen und Vermögen statt.
Um in den Genuss der Grundsicherungsleistung zu kommen, muss der Betroffene einen Antrag stellen. Ab Antragstellung wird dann die Leistung gewährt. Hier lauern zwei Fallen: Erstens gibt es die Grundsicherung nicht rückwirkend, wer also nicht aufpasst, verschenkt unter Umständen bares Geld. Zweitens sind die Anträge durchaus umfangreich und nicht leicht verständlich.
Die Rentenversicherungsträger haben jetzt denen, die voraussichtlich einen Anspruch auf Grundsicherung haben, die entsprechenden Anträge zugeschickt. Wer kein Formular erhalten hat, aber vermutet, auch einen Anspruch zu haben, kann seinen Antrag zur Fristwahrung notfalls auch formlos einreichen. Menschen, die überhaupt keinen Rentenanspruch haben, können sich die Anträge bei ihrem zuständigen Sozialamt abholen und sollten dies, wie gesagt, auch schleunigst tun.
WALTRAUT BRAKER
Die Autorin ist Rechtsanwältin in Hamburg und Fachanwältin für Familienrecht
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