: Angebot soll Nachfrage regeln
Senat erarbeitet endlich ein Drogenkonzept, beschränkt dieses aber auf illegale Suchtstoffe. Die Idee: Zur Heilung müsse man den Abhängigen nur die Droge wegnehmen. Methadon soll es im Gefängnis nur noch in Ausnahmefällen geben
von ELKE SPANNER
Die Grundidee: Das Angebot regelt die Nachfrage. Reduziert man die verfügbare Menge an Drogen, so die Überzeugung des Senates, wird dadurch Suchterkrankungen Einhalt geboten. Diese Annahme bildet die Grundlage des noch unveröffentlichten drogenpolitischen Konzeptes, das der Senat nun ein Jahr nach der Regierungsübernahme erarbeitet hat und das der taz vorliegt. Obwohl es mit „Konzeption wirksamer Drogenpolitik“ überschrieben ist, behandelt das Papier fast ausschließlich den Umgang mit KonsumentInnen illegaler Suchtstoffe, Alkohol wird mit keinem Wort erwähnt. Die polizeiliche Verfolgung von Dealern nimmt fast ebenso viel Raum ein wie die Drogenhilfe.
Neu an dem nun verfassten Konzept ist allein, dass der Senat offenbar ein weiteres geschlossenes Heim speziell für drogenabhängige Jugendliche und ein weiteres für Mädchen plant, die der Prostitution nachgehen. Bei der Präsentation des ersten geschlossenen Heimes in der Feuerbergstraße diese Woche hatte Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) gerade betont, dass dort keine Mädchen untergebracht werden sollen und auch keine Jungen, die wegen Suchtproblemen aufgefallen sind: Das würde die Erziehung der übrigen Jugendlichen gefährden.
Im Drogenkonzept heißt es nun, dass es für „sozial verelendete Jugendliche im Prostituiertenmilieu“ sowie für Minderjährige, die „in die Drogenszene verstrickt sind“, sozialtherapeutische Maßnahmen „im verbindlichen Rahmen“ geben sollte. Auch die Möglichkeit „einer geschlossenen Unterbringung“ wird demnach geprüft.
Auf den vermeintlichen Mechanismus, dass durch Entzug des Wirkstoffes Suchterkrankungen geheilt werden, setzt der Senat vor allem im Gefängnis. Dort hat er bereits die Ausgabe steriler Spritzen gestoppt. Nun wird im Konzept die Befürchtung von Fachleuten konkretisiert, dass auch das Methadonprogramm in den Vollzugsanstalten beendet wird: Der Senat bestätigt, dass die „Dauersubstitution“ eingestellt wird und nur noch lebensgefährlich erkrankte Gefangene längerfristig Methadon bekommen werden.
Den übrigen wird das Substitut vorenthalten – sie werden entweder auf kalten Entzug gesetzt oder müssen sich auf dem knastinternen Schwarzmarkt Stoff besorgen. Für den Senat hingegen wird ihnen „die Möglichkeit eröffnet, in der Haft auch frei von legalen Drogen leben zu können“. Dann aber, so der Kommentar der GAL-Gesundheitsexpertin Dorothee Freudenberg, „muss man diesen Menschen Therapien anbieten“.
Freudenberg kritisiert insbesondere, dass der Senat sein Konzept allein auf Maßnahmen gegen den Konsum illegaler Drogen beschränkt. „Die Einstiegsdroge ist und bleibt Alkohol“, sagt die Ärztin. Deshalb sei es verlogen, wenn der Senat behaupte, das Drogenangebot in der Stadt konsequent reduzieren zu wollen, „solange es noch den Weinausschank auf dem Rathausmarkt gibt“.
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