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Vergesst den Louvre

München setzt auf Stararchitektur: Sauerbruch und Hutton haben den Wettbewerb um den Neubau der Sammlung Brandhorst gewonnen

von IRA MAZZONI

Der Wettbewerb um den Neubau für die Sammlung Brandhorst im Münchner Pinakotheken-Areal hätte dramatischer nicht sein können. Im Juli dieses Jahres hatte die Jury die Sieger um Überarbeitung ihrer Entwürfe gebeten. Zwischen dem zerklüfteten Riegel der Londoner Stararchitektin Saha Hadid und der farbig verglasten Kunstkiste des Berliner Duos Sauerbruch/Hutton wollte sich das Gremium nicht entscheiden. Zu verlockend die Möglichkeit, München mit „avantgardistischer“ Weltarchitektur kulturtouristisch neu zu positionieren. Zu überzeugend aber auch das städtebaulich und museal maßgeschneiderte Modell der Berliner.

Wieder wurden die Konkurrenten zur Überarbeitung angehalten. Nun hatte Hadid bereits eine ungewöhnlich introvertierte Haltung eingenommen. Spektakulär war einzig die Passage, die die Architektin diagonal durch den Betonriegel trieb: eine enge Klamm mit Kurven und Überhängen. Die Perspektiven wären so atemberaubend gewesen wie in Piranesis Carceri-Projektionen. Aber wer hätte sich über diese abenteuerlichen Stege gewagt? Hadid nahm die innere Dramatik des Baus weit zurück und beugte sie sich dem museal Notwendigen. Wäre die Entscheidung für Hadid gefallen, München hätte sich eine namhafte Bagatelle eingehandelt – denn bis zur Baureife wäre die Vision auf funktional verantwortbare Andeutungen reduziert worden. Ein Fall von Name-Dropping im internationalen Architektur-Showbiz.

Im November sollte endlich eine Entscheidung fallen: stattdessen Patt. Erst jetzt kam das knappe Votum für das Modell von Sauerbruch/Hutton. Verbunden mit der brieflichen Bitte des Kulturministers Hans Zehetmair an Saha Hadid, nicht zu schmollen und sich am Wettbewerb um die Hochschule für Fernsehen und Film im nächsten Frühjahr zu beteiligen. Bayern will Stararchitektur und entwickelt gerade rund um die Pinakotheken ein Kulturzentrum, das die Maßstäbe der Berliner Museumsinsel und des Louvre sprengen soll. Trotz Haushaltssperre: Kultur schmückt und Architektur bringt Besucherrekorde. Also: Her mit den Bildern zeitgenössischer Kunst aus der Sammlung Brandhorst, her mit neuer Filmkunst und her mit einem repräsentativen Bau für die unbeachtete Ägyptische Staatssammlung.

Die gestrige Entscheidung für Sauerbruch und Hutton ruft prompt die befürchtete Kritik hervor: „Gestapelte Langeweile“ titelt Gottfried Knapp in der Süddeutschen Zeitung. Dabei ist offensichtlich, dass das Berliner Duo die perfekte Lösung für eine schwierige Aufgabe gefunden hat: Ursprünglich sollte die Sammlung Brandhorst im zweiten Bauabschnitt von Braunfels’ Pinakothek der Moderne unterkommen. Doch Architekt und Sammler zerstritten sich. Danach wurde Braunfels ein Stück vom Erweiterungsgrund abgezwackt: ein schmales Handtuch an der Türkenstraße, auf dem sich ab 2007 das staatlich finanzierte Privatdenkmal der Brandhorsts erheben soll.

Sauerbruch und Hutton haben für die Privatkollektion, die alle hoch gehandelten Namen der Nachkriegsmoderne vereint, eine ideale Form gefunden: Die farbigen Gläser ihres Bilderschreins erinnern an abstrakte Kompositionen der Siebzigerjahre, suchen aber auch ihre Entsprechung in den Backstein- und Putzfassaden der unmittelbaren Nachbarschaft (wobei sich die Jury mit dem Fünfzigerjahre-Rosa des Kopfbaus nur schwer anfreunden kann). Der Eingang des Museums gibt sich als Salon, die Räume bieten auch im Untergeschoss schönstes Tageslicht. Ruhe und Harmonie sind die unbestreitbaren Qualitäten des Baus. Damit entspricht er vollkommen dem Temperament des Sammlers sowie seiner Kunstauswahl, die jedes Wagnis vermeidet. Es ist alles comme il faut. Jede architektonische Inszenierung und Übersteigerung wäre fehl am Platz.

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