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Haben wir gelacht

Krippenspiele im Gewand des schlechten Geschmacks: Eine Einstimmung aufs Fest in der kampnagel music hall

Das hatte man schon geahnt: Ein Krippenspiel-Festival auf Kampnagel musste ja eine bad taste-Party werden. Grenzgängerkostüme, schrilles Auftreten, übertriebene Schaustellerei: Am Samstag gab es über drei Stunden einen bunten Strauß an Interpretationen von der schwangeren Maria, ihrer und Josefs Suche nach einer passenden Bleibe und schließlich Jesu Geburt.

Im gemütlichen Kerzenschein-Ambiente, mit Glühwein und Stollen im Bauch, schien das Publikum vor allem unter sich. Jeder kannte jemanden aus den gut zehn Gruppen, die ihre Krippenspiel-Version zum Besten gaben. Durch das Programm führte Zauberkünstler Manuel Muerte, punktgenau in der Kunst der Humorsubversion. So überhäufte er das Publikum mit Brüllwitzen, gefolgt vom Griff ins Konfetti in der Hosentasche. „Stimmung!“, hieß es dann jedes Mal. Die jedoch verpuffte mehr und mehr.

Für die Jugendlichen des Flüchtling-Ensembles Hajusom! ist die Weihnachtstradition als solche belustigend und komisch. „Zap a lot“ machen Improvisationstheater, können sich also gar nicht richtig festlegen. Mariola Brillowska erzählte gewohnt schräg von einer Weihnachtsbaumverkäuferin, der die lebenden Tannen aus einer wohltätigen Eingebung heraus abhauen, um im Treppenhaus eines pleitegegangenen Firmenchefs und dessen impertinenten Sohnes Gutes zu vollbringen. Brillowska lässt sich anstecken und will – selbst hochschwanger – den beiden armen Kerlen künftig eine liebe Frau und Mutter sein. Auch so eine Möglichkeit des Kitsches.

Ähnlich trashig präsentierten sich die „Prost Productions“ mit ihrer gefilmten Doku-Soap im Kiezmilieu: Meist berichtet ein Erzähler von den genialen Szenen, die leider nicht fertiggestellt werden konnten. In den fertigen Szenen sehen wir dafür die Geburt von gleich zwei Jesusfiguren. Da es nur einen geben kann, wird herrlich unsynchron zu Schlaggeräuschen geboxt, bis am Ende bei seichter Popmusik alles um die Wette strahlt. Ermittelt durch Publikumsapplaus bekam dieser Beitrag den zweiten Preis des Festivals, eine rotglitzernde Weihnachtsmütze.

Der erste Preis in Form einer holzgeschnitzten Scheußlichkeit ging an Station 17, die in ihrem Krippenspiel etwas eigenwillig von Adam und Eva erzählten. Moderator Muerte prophezeite eine Rückkehr des Krippenspiels auf die Bühnen der Welt. Doch selbst wenn nur die kampnagel music hall zum 2. Krippenspiel-Festival rufen sollte: Schön, dass wir jetzt ein Jahr Ruhe haben.

Liv Heidbüchel

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