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Präsident schlägt Team mit 19:2

Nach heftigen Diskussionen akzeptiert ein Großteil der Union-Spieler Gehaltskürzungen. Nur zwei bleiben stur

Heiner Bertram lebte seiner Mannschaft vor, wie man mit dem Gegner umspringt. Vehement grätschte der Präsident des 1. FC Union die von ihm – in erfolgreichen Zeiten – als vorbildliche Spieler Charakterisierten in die Nähe geldgieriger Fußballsöldner. Viele Union-Fans, empfänglich für populistische Untertöne, klopften sich auf die Schenkel: Was für ein Präsident!

Bertram, getrieben von einer gefährlichen Lücke im Vereinsetat, hat gegen die Profis mit 19:2 gewonnen. Bis auf zwei akzeptierten bisher alle Spieler den vom Boss im Hauruckverfahren initiierten Sparkurs: 5 Prozent weniger Gehalt, die Prämien werden bis zum Klassenerhalt in der 2. Liga eingefroren.

„Wir haben die Etatlücke geschlossen“, triumphierte Bertram zu Beginn der Weihnachtsferien. Dass sich Mannschaftskapitän Steffen Menze kleinlaut von seinem Rebellenimage distanzierte, hörte Bertram – als Reserveoffizier der Bundeswehr Propagandist einer starken inneren Führung – mit Genugtuung. Was blieb den meisten Vertragsspielern auch anderes übrig, als Abstriche beim Lohn hinzunehmen? Alternativen sind rar. „Bei anderen Vereinen sieht es wirtschaftlich nicht besser aus“, legte ihnen Frank Rybak, Justiziar der Spielergewerkschaft VdV, den Lohnverzicht nahe.

Zwei Akteure scherten aus: Der Spanier Cristian Fiel wechselt am 1. Januar zum VfL Bochum in die Bundesliga, wo er einen Kontrakt bis 2006 unterschrieb. Der Niederländer Youssef El Akchaoui verweigerte ebenfalls seine Unterschrift und sucht zurzeit in seiner Heimat einen neuen Arbeitgeber. „El Akchaoui geht offensichtlich den ganzen juristischen Weg“, so Union-Sprecher Lars Töffling. Falls es sich der Junioren-Nationalspieler aus Rotterdam nicht noch anders überlegt, muss er mit einer Änderungskündigung durch Union rechnen und könnte wechseln – ohne dass der Verein einen Cent Ablöse sähe. Unions Personaldecke wird indessen gefährlich dünn. Petar Divic, teuerster Einkauf der Vereinsgeschichte, soll noch in der Winterpause von der Gehaltsliste gestrichen werden. Eintracht Trier signalisiert Interesse an dem Stürmer aus Belgrad. Heiner Backhaus hat Berlin nach seiner geharnischten Attacke gegen den Vorgesetzen („Bertram ist ein Osterhase“) bereits verlassen. Ob die Langzeitverletzten Ivan Kozak und Chibuike Okeke nach Knieoperationen schnell zur alten Leistungsstärke zurückfinden, muss sich zeigen.

Der Rumpfkader ist nicht die einzige Folgeerscheinung des Bertram-Sieges. Das Verhältnis zwischen Mannschaft und Präsident gilt als zerrüttet. Dabei wollte der Präsident die Vakanz im Management (Sportmanager Klaus Berge kündigte im Frühjahr) ausfüllen helfen. Die Spieler schüttelten im Lauf der zähen Verhandlungen den Kopf über den als beratungsresistent verschrienen Exmilitär. „Wenn er wenigstens mal einen eigenen Fehler zugeben würde“, lautet eines der höflicheren Statements.

Umgekehrt scheint die Zuneigung auch nicht größer geworden zu sein. Er schufte in Zukunft ausschließlich für die Fans und Angestellten auf der Geschäftsstelle, drohte der ob des Widerstands tief getroffene Boss mit Liebesentzug. Keine gute Ausgangsposition für die Ende Januar beginnende Rückrunde. Union rangiert nach einer turbulenten ersten Saisonhälfte nur knapp über der Abstiegszone. Keine komfortable Aufgabe für Trainer Mirko Votava, der trotz des Trends zum Outsourcings von Fachkräften einen neuen Spieler dazu bekam. Holger Wehlage, Leihgabe von Werder Bremen, fasst nach schweren Verletzungen freilich erst wieder Tritt. Für Schlagzeilen sorgte der blonde Kicker zuletzt lediglich durch seine Wahl zum erotischsten Berufssportler an der Weser.

JÜRGEN SCHULZ

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