: Kriegsvorwürfe belasten Kongos Frieden
Gewalt im Ostkongo wächst. Oppositionschef Tshisekedi wirft Regierung Friedensunwillen vor, verlangt UN-Truppen
BERLIN taz ■ Die zivile Opposition der Demokratischen Republik Kongo wirft der Regierung von Präsident Joseph Kabila vor, den eben erst begonnenen Friedensprozess torpedieren zu wollen. „Sie will einen Vorwand finden, nicht umzusetzen, was sie unterschrieben hat“, sagte Etienne Tshisekedi, Führer der größten zivilen Oppositionspartei UDPS (Union für Demokratie und Sozialen Fortschritt), gestern der taz. Zuvor hatte Vital Kamerhe, Kabilas Minister für den Friedensprozess, Ruanda und Burundi eine „Großoffensive“ im Osten des Kongo vorgeworfen. „Lächerlich“ nannte Tshisekedi diese Anschuldigung und verwies darauf, dass zuvor die Rebellen des Kongo der Regierung vorgeworfen hatten, Waffen an Milizen im Osten des Landes zu schicken.
Am vergangenen Dienstag hatten Regierung, Rebellen und Opposition des Kongo in Südafrikas Hauptstadt Pretoria ein Friedensabkommen unterzeichnet, das die Bildung einer gemeinsamen Regierung vorsieht. Die Umsetzung des Abkommens ist derzeit blockiert, weil die Zukunft von Kongos Armeen im Abkommen ungeklärt bleibt und damit die Kontrolle der Hauptstadt Kinshasa der bisherigen Regierungsarmee überlassen bleibt. Die größte Rebellenbewegung RCD (Kongolesische Sammlung für Demokratie) hat verlangt, ihre eigenen Soldaten nach Kinshasa entsenden zu können, wenn ihre Führer dort Minister werden sollen.
UDPS-Führer Tshisekedi, der auf einen der vier vorgesehenen Vizepräsidentenposten hofft, lehnt es ebenfalls ab, der „tribalen Polizei Kabilas“ die Kontrolle Kinshasas zu überlassen. „Es geht nicht um die Sicherheit einiger Minister, sondern um die der Bevölkerung von Kinshasa“, sagte er. „Wir brauchen eine neutrale UN-Truppe.“ Südafrika sei bereit, 1.600 Soldaten zu entsenden. Die Führung der UN-Mission im Kongo erklärte am Wochenende, sie brauche ein neues Mandat, wenn sie mit der Umsetzung des Abkommens von Pretoria zu tun haben sollte.
Fortschritte in dieser Frage sind vor 2003 nicht zu erwarten. Währenddessen eskaliert die Gewalt im Osten des Kongo unabhängig davon, ob die Vorwürfe der Regierung Kabila gegen Ruanda stimmen oder nicht. Im Ostkongo herrscht nominell die RCD, aber sie muss sich einer Vielzahl von zum Teil aus Kinshasa unterstützter lokaler Mayi-Mayi-Milizen erwehren. Gestern meldete die RCD die Eroberung einer lange von Mayi-Mayi gehaltenen Stadt: Baraka am Ufer des Tanganyika-Sees – wichtiger Versorgungspunkt für die Hutu-Rebellen in Burundi.
Im Laufe der vergangenen Woche waren täglich Flüchtlinge aus Kongo nach Burundi gekommen, die angegeben hatten, vor geplanten Mayi-Mayi-Angriffen auf die Stadt Bukavu zu fliehen. Ein Mayi-Mayi-Sprecher sagte am Wochenende, Ruandas Armee – die im Oktober aus Ostkongo abgezogen war – sei über Bukavu zurückgekommen und habe mit drei Panzern einen „Großangriff“ gestartet. In dieser Region ist der wichtigste Mayi-Mayi-Anführer aktiv, „General“ Padiri, der zum Kampf gegen das Friedensabkommen von Pretoria aufgerufen hat.
Das Muster ist immer das gleiche: Wenn auf der diplomatischen Ebene Fortschritte Richtung Frieden erzielt werden, eskaliert in den Kriegszonen die Gewalt. Und immer bleibt unklar, wer genau verantwortlich ist. So können die politischen Lager des Landes sich gegenseitig Vorwürfe machen – und der Friedensprozess wird zusammenbrechen. DOMINIC JOHNSON
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