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I: Schluss mit den Niederlagen

Wie werde ich endlich erfolgreich? – Indem ich einfach Erfolg habe! Ein 08/15-Workshop, der funktioniert

Wer will das nicht: weniger Arbeit, mehr Geld. Oder Urlaub, Auto, eine schöne Wohnung, vor allem aber: Anerkennung, Liebe – Erfolg eben. Wer viel will, zahlt. Zumindest für das Gefühl, etwas versucht zu haben.

Stephan Scharfenorth hat Erfolg, das ist sein Job. Der Gründer von Bizz Coaching, Consulting for Profesionals, ist jung, schick gekleidet und strahlt ein Selbstbewusstein aus, das die Sonne von einem grauen Winterhimmel holen kann. „Was unterscheidet erfolgreiche von weniger erfolgreichen Menschen?“, fragt er die 20 Teilnehmer seines halbtägigen Workshops „Image, Erfolg und Selbstbewusstsein“, die in einem geräumigen Saal im Ernst-Reuter-Haus an der Straße des 17. Juni sitzen. 25 Euro haben sie gezahlt, und dafür gibt es die Antwort auf die rhetorische Frage prompt: „Die Erfolgreichen sind sicherlich deshalb so erfolgreich, weil sie Dinge tun, die weniger Erfolgreiche unterlassen.“ Um die Aussage zu unterstreichen, wirft Scharfenorth das Zitat von George Simenon mit einem Polylux groß an die Wand. Wer George Simenon ist, wissen die wenigsten, aber das ist egal – wer zitiert wird, ist wichtig, und wer wichtig ist, hat schon Erfolg.

Zum Nachdenken keine Zeit, wieder eine Weisheit: Die berufliche Qualifikation entscheide nur zu 10 Prozent über die Karrierechancen, zu 30 Prozent sei das Image wichtig und zu 60 Prozent der Bekanntheitsgrad. „Machen Sie sich bekannt, aber nur positiv!“ Wie? Man muss nur an sich glauben, die Einstellung wirkt auf alles: die Wahrnehmungsfähigkeit, die Gefühle, die Ausstrahlung. „Eine Einstellung ist nicht etwas. Sie ist alles.“

Der Optimist Scharfenorth, der sich schon ein Grundstück auf dem Mond – „mit Blick auf die Erde“ – für 49 US-Dollar gekauft hat, weiß: „Jedes Problem ist eine Chance.“ „Es sind nicht die Umstände, wir sind es immer selbst.“ „Arbeitslos zu werden, ist nicht schlimm; schlimm ist, es zu bleiben.“ Eine schier endlose Zitatentirade: „Was ist der Unterschied zwischen einem dummen und einem schlauen Menschen? Beide machen Fehler, aber der dumme macht immer die gleichen.“ „Es gibt nur zwei Arten von Menschen: Unternehmer oder Unterlasser.“ Schließlich: „Die Frage ist nicht, ob etwas machbar ist; die Frage ist, ob es denkbar ist.“ Der Trainer geht voll auf, gestikuliert, bringt Anekdoten, Witze, Persönliches. Und: Es funktioniert!

Eine junge osteuropäische Verkäuferin mit rot geschminkten Lippen, die einen besseren Job sucht, sagt in der Pause, dass sie sich schnell in einer anderen Branche bewerben wolle; ein arbeitsloser Tischler mit Schnauzbart überlegt, eine Firma zu gründen; ein Umschüler in einem schlabbrigen Markenpulli blickt schon optimistischer drein; und andere, die alle nicht aussehen, als strotzten sie vor Selbstbewusstsein, blättern mitgebrachte Bewerbungen durch.

Scharfenorth, der das verbilligte Einstiegsseminar aus „sozialer Verantwortung für Berlin“ gibt, teilt ein Formular aus, auf denen wir die Eigenschaften von Erfolgreichen eintragen. Anschließend bewerten wir uns – nach den Kategorien „sehr gut“, „gut“ und „an sich arbeiten“. Später sollen wir uns, unabhängig davon, von Menschen beurteilen lassen, die uns kennen. „Sie werden sehen, dass andere Sie besser einschätzen als Sie sich“, sagt der Trainer. „Seien Sie stolz auf sich!“

Tage später gebe ich einen ähnlichen Bogen einer guten Bekannten, die mich günstiger beurteilt. Eine andere jedoch setzt – entgegen aller statistischen Wahrscheinlichkeit – ihre Kreuzchen an ungünstigerer Stelle. Ich muss wohl noch viel an mir arbeiten, um erfolgreich zu werden. RICHARD ROTHER

Infos unter Tel. 88 04 48 50 oder www.bizz-coaching.de

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