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Ausreisezentren ohne VIP-Service

Diverse Bundesländer haben bereits die im gescheiterten Zuwanderungsgesetz vorgesehenen Ausreisezentren eingerichtet. Sie wollen sie behalten – wegen des angeblichen Erfolgs. Ein Besuch offenbart die ganze Gemütlichkeit der Abschiebezimmer

aus Halberstadt HEIKE KLEFFNER

Ausreisezentrum Halberstadt, das klingt nach VIP-Lounge am Flughafen. In der Imagination tauchen gepolsterte Ledersessel auf. Freundliches Servicepersonal fragt nach Wünschen. Eiswürfel klirren im Glas, ehe der Whisky eingegossen wird. Tatsächlich ist das Ausreisezentrum ein schmutzig-grauer Gang, von dem Stubentüren abgehen. Bevor man in den Flur des alten Kasernenblocks der Nationalen Volksarmee gelangt, wird man straff kontrolliert. Der Personalausweis muss hinterlegt werden. Dann befindet sich der Besucher am äußersten Waldrand Halberstadts – in der „Zentralen Aufnahmestelle für Asylbewerber“ (ZAST) des Landes Sachsen-Anhalt.

750 Männer, Frauen und Kinder warten hier, Neuankömmlinge aus zwei Dutzend Staaten, die auf Asylbewerberheime verteilt werden. Seit Februar diesen Jahres sind hier noch andere Reisende. Im Vorgriff auf das Zuwanderungsgesetz, das solche Einrichtungen vorsieht, schuf Sachsen-Anhalt das Ausreisezentrum als „Modellprojekt“, wie der speckige Flur im Amtsdeutsch heißt. 100 Plätze für eine besondere Kategorie von Menschen: Jene, die nicht abgeschoben werden können, deren Asylverfahren aber beendet sind. Sie sollen Deutschland verlassen. Daher ist es nicht allzu gemütlich im Ausreisezentrum. 58 Menschen sind derzeit gemeldet.

So genannte Identitätsverschleierer sind darunter. Sie haben in ihren Asylanträgen nur unvollständige Angaben gemacht. So sagt es Rolf Harder, der ZAST und Ausreisezentrum leitet. Aber auch Asylsuchende aus Ländern wie Indien oder Vietnam. Ihre Botschaften brauchen oft länger als ein Jahr, bis sie Ersatzpapiere zur Reise ausstellen. Die Mehrheit sind Männer aus afrikanischen Bürgerkriegsstaaten. Sierra Leone oder Liberia – Staaten, in die wegen des Kriegs niemand abgeschoben wird.

Ein Bett, ein Stuhl, ein Tisch. Kein Taschengeld

In den Dreibettzimmern blättert der Putz von den Wänden. Wer hier landet, kommt nicht freiwillig, siondern wird von den Ausländerbehörden der Landkreise geschickt. „Es gibt eine gewisse Grundverpflegung, die ist aber spartanisch,“ gesteht Leiter Rolf Harder. Ein Bett, ein Stuhl, ein Tisch. Kantinenessen – kein Taschengeld. Zur Weihnachtszeit wird die „Vollverpflegung“ angereichert durch eine Handvoll Schokoladenkekse. Ohne Bargeld sind die Betroffenen nicht in der Lage, einen Anwalt zu bezahlen. Arbeiten dürfen sie ohnehin nicht. Ihr Bewegungsradius ist auf Halberstadt beschränkt.

„Hier wirst du wahnsinnig“, erzählt ein Mann aus Sierra Leone. „Du kannst nichts tun. Nur warten.“ Die meisten gingen einfach weg, schliefen bei Bekannten und kämen lediglich einmal im Monat ins Ausreisezentrum. Indirekt bestätigt das der Leiter des Zentrums. „Die Ausländerbehörden irren sich über die Möglichkeiten, die wir hier haben“, sagt Herr Harder. „Die denken, wir können die Leute anbinden.“ Doch Reisezentrum ist nicht Abschiebehaft. Kompletter Freiheitsentzug darf nur auf Anordnung eines Richters verhängt werden – falls Hinweise vorliegen, dass sich die Betroffenen einer Ausreise entziehen wollen. Für die 58 Männer im „Ausreisezentrum Halberstadt“ trifft das nicht zu.

Stattdessen versuchen Rolf Harder und seine Kollegen „mit intensiver Betreuung die Wahrheit ans Licht zu bringen“. Dahinter verbergen sich Sammelvorführungen bei diversen Botschaften. Oder so genannte Sprachtests. Mit ihnen soll geklärt werden, ob ein Asylbewerber tatsächlich aus dem angegeben Herkunftsland kommt. Mit geringem Erfolg. „Bislang haben wir drei Männer zur Ausreise bewegt“, berichtet Harder. Sachsen-Anhalt will sein „Modellprojekt“ trotzdem verlängern – weil es angeblich erfolgreich ist. „Wir sind damit auf dem richtigen Weg“, meint Matthias Schoppe, Sprecher des Magdeburger Innenministers.

Auch Niedersachsen, Bayern, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz haben inzwischen Ausreisezentren eingerichtet. Für Kay Weber vom Niedersächsischen Flüchtlingsrat erklärt sich die „Erfolgsbilanz“ anders: „Die Zentren dienen der Illegalisierung von Flüchtlingen.“ Niedersächsische Behörden werten als Erfolg, dass die Hälfte der Betroffenen, so Weber, „schlicht untertaucht“. „In der Bilanz werden die 10 Prozent, die tatsächlich aus den Zentren ausreisen, einfach mit den 50 Prozent, die untertauchen, addiert“, rechnet er vor.

Die eigentliche Wirkung sieht der Flüchtlingsaktivist woanders: Im Drohpotenzial gegenüber Flüchtlingen, die noch im Asylverfahren sind. Und gegenüber der Öffentlichkeit. „Der wird eine tatkräftige ‚Ausländer raus‘-Politik vorgeführt.“

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