Champagner, Korn und pommersche Bananen

Otto von Bismarck: „Mein Patriotismus endet am Mageneingang“

Am Politiker Bismarck scheiden sich auch heute noch die Geister. Das Hamburger Slow-Food-Convivium beschäftigt sich kulinarisch mit dem Reichsgründer. Der Anstoß kam von der Otto-von-Bismarck-Stiftung, die im Nachlass die Aufzeichnungen des Kammerdieners über das Menü fand, das bei Bismarcks letztem Zusammentreffen mit dem jungen Kaiser Wilhelm II. am 16. Dezember 1897 aufgetischt wurde.

Es war wahrscheinlich Bismarcks letztes großes Menü vor seinem Tod im Folgejahr. Es gab neun Gänge: Austern; Püreesuppe von Rindfleisch und Huhn; Saiblinge mit frischer Butter; Wildrücken garniert mit Gemüse und Kartoffeln; Gänseleberpastete mit Gelee; Fasanen mit Kompott und Salat; Apfelsineneis mit kleinen Kuchen; Käsestangen; Früchte. Kai Wendt, Inhaber und Küchenchef des Hamburger Restaurants „Heimbuche“, hat das Menü nachgekocht. Dabei ging es nicht um Bismarck-Verehrung, sondern um einen Einblick in die Küche am Ende des 19. Jahrhunderts.

Wilhelm II. hatte seinen Besuch in Friedrichsruh erst am Morgen telegrafisch angekündigt, ein Zwischenstopp auf der Durchreise. Es war also keine Zeit für große Menüplanungen und Einkäufe. Auf den Tisch kam, was Küche und Keller hergaben.

Man tut Bismarck nicht Unrecht, wenn man ihn als frühen Verfechter der Slow-Food-Idee beschreibt. Essen und Trinken waren ihm wichtig: „Wenn ich tüchtig arbeiten soll, muss ich auch entsprechend genährt werden.“ Sein Leibarzt Ernst Schweninger beschrieb ihn wie folgt: „So wurde er nicht nur ein ausgezeichneter Kenner all dessen, was zum Nutzen der eigenen Tafel wissenswert war, er war auch in seiner besonderen Weise außerordentlich unterrichtet über die Tafelgepflogenheiten der verschiedenen Hauptstädte, über die Trinkgepflogenheiten einzelner, herausragender Persönlichkeiten in verschiedenen Hauptstädten Europas, über die Ess- und Trinksitten verschiedener Völker, über die landesüblichen Nahrungsmittel und Getränke in verschiedenen Ländern und dergleichen mehr.“ Bismarck schätzte die schwere pommersche Küche und grollte seinem Arzt, als dieser ihm die „pommerschen Bananen“ (Kartoffeln) als Beilage zu den geschätzten Heringen begrenzte. Trotz aller politischen Spannungen mit Frankreich hatte er seinen Keller voller Burgunder, Bordeaux und Cognac und erklärte, dass das von ihm beanspruchte Pensum fünftausend Flaschen Champagner seien, plus hunderttausend Zigarren. Er war Portweinkenner und schätzte edle Weißweine von Mosel und Rhein. Von Wilhelm II. einst zum Trinken eines deutschen Sekts statt Champagner aufgefordert, entgegnete er: „Majestät, mein Patriotismus endet unmittelbar vor dem Mageneingang.“

Gleichwohl hatte er immer einen Vorrat von altem Nordhäuser Korn. Vor großen Reichstagsreden trank er Münchener Bier. Der Hering ist zu Recht nach ihm benannt (Verzehr: zweitausend Stück in fünf Jahren), aber er war auch ein großer Austernliebhaber, der sich rühmte, den Aachenern das Braten der Austern beigebracht zu haben. Bismarck war ein geschätzter Gastgeber, der ständig Gäste an seinen Tisch lud.

Das letzte Treffen mit Wilhelm II. verlief so wenig erfreulich wie vorhergehende. Chronisten berichten, dass der Kaiser, statt ernsthafte politische Gespräche zu führen, nur mit Anekdötchen genervt habe. Und während das Neun-Gänge-Menü in der Heimbuche von 19 Uhr bis 0.30 Uhr dauerte, machte die kaiserliche Gesellschaft das Original in eineinhalb Stunden ab, bevor sie per Bahn nach Berlin entschwand.

BURCHARD BÖSCHE