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Ein neues Auto kostet „dos kilos“

aus Madrid REINER WANDLER

Nirgendwo in Europa gibt es so viele Spezialisten der Sechserreihe wie in Spanien. Schuld an diesen außergewöhnlichen Rechenkünsten ist die Einführung des Euro. Denn die Faustregel, die alle Spanier im Kopf haben, lautet: Sechs Euro sind tausend Peseten. Das Ergebnis: Egal wohin man kommt, alles kostet 6, 12, 18 … Euro.

Wer etwas gekauft hat und nach dem Preis gefragt wird, kann nicht einfach „in Euro“ antworten. „Nein, in Peseten“, verlangt der Gesprächspartner. Und schon geht das Rechnen los. In vielen Kneipen und Geschäften steht bis heute die eurocalculadora, der Eurotaschenrechner, auf der Theke. Die Preise werden nach wie vor in Peseten eingetippt. Das Billiggerät, das es mittlerweile bei der Resterampe für 100 Peseten – Verzeihung, 60 Cent – gibt, spuckt den zu bezahlenden Betrag aus.

Die Spanier haben die Peseten allerdigs erst lieb gewonnen, als sie aus dem Geldbeutel verschwanden. Alle sammeln wie besessen nachgeprägte historische Münzen oder nachgedruckte Scheine, die der größten Tageszeitung des Landes beiliegen.

Doch am meisten wird die 130 Jahre alte Währung im alltäglichen Leben vermisst. Und das, obwohl sie da eigentlich gar nicht richtig existierte. Denn alle rechneten in duros (fünf Peseten), talegos (1.000 Pesten) oder kilos (eine Million). Eine Hundertpesetenmünze hieß so einfach 20 duros. Die Kids gaben am Wochenende cinco talegos (fünf Scheine zu je tausend Peseten) aus.

Ein Wohnung kostet bis heute je nach Größe und Lage 20, 30, 40 kilos oder auch mehr. Das klingt einfach besser als 120.000, 180.000 oder 240.000 Euro. Wie popelig mutet es an, wenn jemand ein Auto für 12.000 Euro kauft. Zwei Millionen oder dos kilos, das waren noch Worte. Und die wenigen, die das Glück haben, ihren Monatsverdienst mit medio kilo beziffern zu können, fühlen sich jetzt bei 3.000 Euro richtig arm.

Am meisten Schwierigkeiten beim Umgewöhnen haben die Kids. Es gibt einfach keine Slangausdrücke für den Euro. Wer cool sein will, der rechnet noch immer in talegos. Deshalb kostet die neueste CD des Antiglobalisierungsbarden Manu Chao dos talegos. Und wie viel ist das in Euro? Mal sehen: Das macht 2.000 Peseten, und folglich – ob wir die Sechserreihe wohl richtig beherrschen –, ja, richtig: 12 Euro. Fortgeschrittene kennen den Preis natürlich auch in duros. Wie viel das macht? Tja, viel Spaß beim Rechnen.

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