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Das fehlende Puzzlestück

Der Football-Erstligist Berlin Adler verpflichtet Kent Anderson als neuen Headcoach. Neben seinem Ruf als ausgezeichneter Trainer begleitet den Erfolgsphilosophen auch eine uncharmante Geschichte aus Hamburg

„Es wird ihm keiner reinreden“, sagtAdler-PräsidentChristoph Sonka

„Committed to success“ prangt auf der Homepage der Berlin Adler. Von nicht ungefähr also hat mit Kent Anderson Mitte Dezember ein Erfolgsphilosoph beim vierfachen deutschen Meister angedockt. Ein Euro Bowl und vier German Bowls belegen seine Reputation als Trainer-Guru in der German Football League (GFL). Auch mit den Hamburg Blue Devils arbeitete Anderson in diesem Sommer an einem weiteren Titel, als er Anfang Juli 2002 den Machtkampf gegen Manager Didi Stolze verlor und seinen Hut nehmen musste.

Ohne Abstimmung mit der Chefetage des klammen Vereins soll der Amerikaner Verpflichtungen anvisiert und Gehaltserhöhungen versprochen haben, kolportierte die Presse und berichtete von seinem angeblichen Versuch, die „Teufel“ zu übernehmen. „Es gab Eigenmächtigkeiten, mehr will ich nicht sagen“, sagt Manager Stolze. Anderson kontert, der Verein habe unter anderem Versicherungen für Spieler nicht bezahlt. Trotz des Zerwürfnisses zollt Stolze eingeschränktes Lob: „Ich würde Berlin nicht gratulieren, aber sie haben einen guten Coach geholt.“

Andersons Vertrag ist ab 1. März gültig und erstaunlicherweise unbefristet. „Football braucht eine gute Basis“, erklärt der Mann aus Iowa in gut verständlichem Deutsch. Laut Adler-Präsident Christoph Sonka erhält der Coach alle notwendigen Kompetenzen für Aufstellung und Spielerrekrutierung. „Er wird hier alle Freiheiten haben, es wird ihm keiner reinreden“, sagt der 26-Jährige, womit er den Hamburgern einen Seitenhieb verpasst.

Fragt sich, wie harmonisch die Zusammenarbeit mit dem machtbewussten Coach verläuft, hat doch der langjährige sportliche Berater Shuan Fatah ein gewichtiges Wort beim Personal mitzureden. Laut Sonka wird Fatah aber keinesfalls als Aufpasser fungieren, weshalb diese Konstellation auch kein „Konfliktpotenzial“ enthalte.

Probleme gab es zuletzt an anderer Stelle: Mit über 70 Helmträgern startete der Aufsteiger 2002 in der GFL, zum Schluss waren noch 50 dabei. Weshalb die Clubspitze den Kontrakt mit Headcoach Dean Cokinos nicht verlängerte. Der wollte den schnellen Erfolg, aber dabei blieben laut Sonka „viele auf der Strecke“. Anderson soll den Kader erweitern und nach US-College-Vorbild ein zweites Team bilden. Dort sollen auch die A-Spieler antreten, die nicht regelmäßig in der GFL spielen. Nicht zuletzt soll der Coach wie ein Magnet gute Spieler anziehen, die die Qualität des Teams erhöhen.

Ob mit diesem Plan mittelfristig die Meisterschaft winkt, bleibt abzuwarten. Jedenfalls kann Anderson sehr gut Talente fördern, weshalb er beim diesjährigen Halbfinalisten an der richtigen Adresse ist, bringen doch die Adler mit einem Schnitt von knapp 23 Jahren eines der jüngsten GFL-Teams auf die Beine. René Stammer, Pressesprecher der Braunschweig Lions, mit denen Anderson von 1997 bis 99 drei Meisterschaften in Folge errang, schätzt die Aussichten der Adler deshalb als sehr rosig ein: „Berlin hat eine fabelhafte Mannschaft, und Kent könnte das fehlende Puzzlestück sein.“

MARCUS VOGT

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