: Glückliche Schweden
Die Entwicklung nachhaltiger Geldanlagen vollzieht sich im Norden Skandinaviens in einem aufgeschlossenen Umfeld. Man diskutiert nicht über das Ob, sondern nur noch über das Wie
Schweden hat sich im 20. Jahrhundert von einem armen Agrarland zu einem der wohlhabendsten und fortschrittlichsten Industrienationen der Welt entwickelt. Das „schwedische Wirtschaftswunder“ gründete sich auf die natürlichen Reichtümer des Landes: Bodenschätze, riesige Wälder und Wasserkraft. Seitdem haben der Einfallsreichtum der neun Millionen Einwohner (vom Streichholz über Tetra Pak und Volvo bis zum Ivar-Regal) und ein überdurchschnittliches Maß an sozial-ökologischer Politik das Land zu einem der glücklicheren Flecken auf dem Globus gemacht. Da verwundert es nicht, dass sich auch die Entwicklung sozial-ökologischer respektive nachhaltiger Geldanlagen in einem aufgeschlossenerem Umfeld als anderswo vollzieht.
Bereits in den 60er-Jahren wurde das erste ethische Investmentprodukt lanciert, die Umweltbewegung der 70er-Jahre stärkte das allgemeine Bewusstsein für Unternehmensverantwortung, und die ersten Unternehmensboykotte fanden statt. In den 80er-Jahren nahm sich erstmals die schwedische Kirche des Themas an, ferner kamen Spendenfonds in Mode. In den 90er-Jahren hob das nachhaltige Investment dann erst richtig ab: In dieser Zeit wurden jährlich zwei bis drei neue Fonds herausgebracht.
Auch die anderen skandinavischen Länder orientierten sich am schwedischen Beispiel, wegweisend war damals die Entscheidung der benachbarten norwegischen Regierung, etwa 125 Millionen Euro eines staatlichen Ölfonds nach Umwelt- und Menschenrechtskriterien anzulegen. Vor zehn Jahren wurde auch die erste unabhängige schwedische Researchagentur CaringCompany gegründet, und nach und nach nahmen auch Researchabteilungen größerer Banken die Arbeit auf, da sich zunehmend auch institutionelle Investoren für das Thema erwärmten.
Heute ist laut Magnus Furugard, dem Gründer der CaringCompany, der Wandel spürbar, die Nachfrage nach Lösungen zu einer verantwortlichen Geldanlage steige rasant an. Anfang des Jahres 2001 waren noch geschätzte 1,5 Milliarden Euro in 55 nachhaltigen Publikumsfonds angelegt. Die letzten Zahlen für Oktober 2002 sprechen von 69 nachhaltigen Fonds und circa 2 Milliarden investierten Euro, der Marktanteil beträgt rund 5 Prozent. Damit ist Schweden Spitzenreiter beim Thema nachhaltiges Investment in Europa.
Fast noch wichtiger als diese Entwicklungen am Publikumsmarkt sind allerdings aktuelle Aktivitäten seitens des schwedischen Staates und weiterer Organisationen. So haben eine Reihe schwedischer Kirchenorganisationen und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) vor zwei Jahren unter dem Namen „Humanix“ eigene Kriterien für ihre ethischen Investments entwickelt und einen entsprechenden Index und Fonds ins Leben gerufen. Zusammengearbeitet haben hier unter anderem die schwedische Diakonie, das Hilfswerk der schwedischen Kirche, das Rote Kreuz, Save the Children und daenWWF Schweden.
Das Ergebnis ist ein nachhaltiges Investmentkonzept, das nicht nur den eigenen Investments der Träger dient, sondern zugleich auch anderen Organisationen offensteht. Und ganz nebenbei sparen die pfiffigen schwedischen Investoren im Vergleich zum Gang zur Hausbank nicht nur Gebühren, sondern verdienen noch daran mit, die Gelder anderer Organisationen zu verwalten. Diese Erträge kommen wiederum der eigenen Arbeit im sozialen oder ökologischen Bereich zugute.
Im Juni 2001 folgte der nächste „Paukenschlag“, als einer der größten staatlichen schwedischen Pensionsfonds, der Sjunde AP-fonden (AP7), 30 internationale Unternehmen aus seinem Portfolio warf, da diesen Verstöße gegen geltende schwedische oder internationale Umwelt- oder Sozialstandards nachgewiesen wurden.
Dieser Aufsehen erregende Schritt erfolgte in Übereinstimmung mit neuen offiziellen Vorgaben der schwedischen Regierung zu Pensionsfonds. Mit einem ähnlich gelagerten ethischen Investmentkonzept ist im Mai letzten Jahres auch die „Landsorganisationen“, Schwedens größte Arbeitergewerkschaft, an die Öffentlichkeit gegangen. Es wird erwartet, dass weitere schwedische Pensionsfonds diesen Bewegungen folgen werden.
Entwickelt wurde dieses Konzept von der schwedischen Researchorganisation „Etikanalytikerna“, die im Februar 2002 mit der CaringCompany fusionierte. Erfreut berichtet Ulrika Hasselgren von Etikanalytikerna, dass das Interesse der Kunden an ihrem „Global Ethical Standard“ (GES) seit der AP7-Geschichte rapide steige. Die Kriterien des GES umfassen eine Auswahl an unternehmensrelevanten, internationalen Normen zu Menschenrechten, sozialen Mindeststandards in der Arbeitswelt, Umweltschutz, Bestechung, Korruption und Waffen. Relevante Normen für Unternehmenshandeln sind zum Beispiel die UN-Deklaration der Menschenrechte, die Konventionen der internationalen Arbeitsorganisation ILO oder die Rio Deklaration für nachhaltige Entwicklung. Vereinfacht gesagt steht dahinter der Ansatz, dass sich Unternehmen mindestens so verhalten sollten, wie dies in den von ihrer Regierung unterschriebenen Vereinbarungen gefordert ist.
Das Konzept des GES ist auch in Schweden nicht unumstritten, da es relativ überschaubare Maßstäbe für verantwortliches Unternehmensverhalten setzt. Solange beispielsweise noch in Rüstungsunternehmen und Tabakproduzenten investiert werde, sei dies nur ein halbherziges Unterfangen, so die Kritiker. Befürworter halten dagegen, es sei ein großer Erfolg, dass prominente Pensionsfonds sich öffentlich zu einer ethischen Anlagepolitik bekennen und dass sich die Maßstäbe im Laufe der Zeit weiter entwickeln würden. Und solange sich der Staat selbst noch in legalen Rüstungsgeschäften betätige, sei es nur konsequent, auch entsprechend zu investieren. Während hierzulande zum Thema nachhaltiges Investment noch über das Ob diskutiert wird, streitet man in Schweden bereits über die Frage nach dem Wie. Wie gesagt: einer der glücklicheren Flecken auf dem Globus.
AXEL WILHELM
Der Autor ist Geschäftsführer der Scoris GmbH in Hannover, www.scoris.de. Weitere Informationen: www.caringcompany.se, www.humanix.se
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