NRW-Polizei überwacht Websites: Den Besuchern nachspioniert
Die Polizei in NRW ließ jahrelang die Besucher ihrer Websites überwachen. Weitgehend erfolglos. Einen Fall verschweigt das Innenministerium.
KÖLN taz | Wer sich regelmäßig auf den Internetseiten der Polizei an Rhein und Ruhr über Fahndungen informiert, begab sich jahrelang in Gefahr, selbst in Verdacht zu geraten. Das geht aus einer jetzt veröffentlichten Antwort des nordrhein-westfälischen Innenministeriums auf eine Kleine Anfrage der Piratenpartei hervor. Danach bedienten sich die Polizeibehörden des Landes zwischen 2001 und 2010 mindestens 19 Mal der „Homepageüberwachung“.
Immer wieder überwachte das Bundeskriminalamt im Auftrag der Landespolizei mehrere Wochen oder Monate lang heimlich die Zugriffe auf deren Websites - in einem Fall sogar ganze sechs Jahre lang. Dabei wurden sämtliche Zugriffe auf die Seiten gespeichert und ausgewertet. Bei vermeintlich auffälligen Zugriffen wurden dann die Anschlussinhaber hinter den jeweiligen IP-Adressen ermittelt.
Dahinter steht die Annahme, dass insbesondere die gesuchte Person an Informationen über die Fahndung nach ihr interessiert ist und deshalb die sie betreffende Webseite besonders häufig aufruft.
Allerdings ist die Erfolgsquote äußerst gering: Nach Angaben von NRW-Innenminister Ralf Jäger liegen gerademal in einem einzigen Fall „nachvollziehbare Erkenntnisse vor, wonach Hinweise aus dieser Maßnahme in Kombination mit anderen Spuren zur Identifizierung und Festnahme von zwei Tätern führten“.
Unschuldige „in Verdacht geraten“
Doch nicht nur deswegen ist die Homepageüberwachung hoch umstritten. Für „völlig rechtswidrig“ hält sie der Bochumer Landtagsabgeordnete Dirk Schatz von der Piratenpartei. Der Einsatz dieses Instruments führe dazu, „dass eine Masse von Leuten, die völlig unschuldig sind, in Verdacht geraten“, sagte der Polizeikommissar außer Dienst der taz.
Auch die Bundesministerien der Justiz und des Inneren haben mittlerweile Bedenken. Die Homepageüberwachung führe „zu einem Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung“, heißt es in einem Schreiben des Justizministeriums vom Februar 2009 an die Landesjustizverwaltungen. Darüber hinaus erscheine auch das Grundrecht „sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten, beeinträchtigt“.
Deshalb habe das Bundesinnenministerium „das Unterlassen von Maßnahmen zur Homepageüberwachung veranlasst“. Nach eigenen Angaben hat das Bundeskriminalamt seitdem keine Homepageüberwachung mehr durchgeführt.
Im April 2009 wies auch das nordrhein-westfälische Innenministerium die Polizeibehörden des Landes an, diese Maßnahme nicht mehr von sich aus anzuwenden. Verzichten wollten die Ermittler jedoch auf das fragwürdige Instrument offenkundig trotzdem nicht. In einem Mordfall führte das Polizeipräsidium Mönchengladbach noch im Jahr 2010 eine Homepageüberwachung durch, abgesichert durch eine Anordnung des Amtsgerichts Krefeld. Von einer „ganz klaren Fehlentscheidung des Gerichts“, spricht der Piratenpolitiker Schatz.
Ein Fall fehlt
Unklar ist, ob es wirklich „nur“ insgesamt 19 Homepageüberwachungen in Nordrhein-Westfalen gegeben hat. Denn die Auskunft, die das Landesinnenministerium in dieser Woche auf die Kleine Anfrage von Schatz erteilte, weicht in einem Punkt von der Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine schriftliche Frage des Aachener Linkspartei-Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko ab.
Mitte September hatte das Bundesinnenministerium Hunko mitgeteilt, dass das Bundeskriminalamt zwischen 2001 und 2008 in 38 Fällen Besucher seiner Webseite bka.de überwacht hat. Außerdem habe das BKA in weiteren 130 Fällen Länderdienststellen bei Homepageüberwachungen unterstützt. Darüber hinaus habe die Bundespolizei 2006 der Polizei in Nordrhein-Westfalen und der zuständigen Staatsanwaltschaft „eine Webseite mit einer Öffentlichkeitsfahndung innerhalb der Bundespolizeiinternetpräsenz zur Verfügung gestellt“. Hier erfolgte die Überwachung „jedoch nicht durch die Bundespolizei, sondern lag in der Zuständigkeit des Polizeipräsidiums Essen“.
In der Aufstellung des NRW-Innenministeriums taucht diese Homepageüberwachung allerdings nicht auf. Für den Piraten Schatz „ein Widerspruch, der aufgeklärt werden muss“. Er will deswegen jetzt noch mal nachhaken.
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