Tschechiens Regierung zerbricht: Rosenkrieg bringt Premier zu Fall

Petr Necas tritt zurück. Hauptgrund: Die Büroleiterin des tschechischen Regierungschefs – mit der er liiert ist – hat seine Ehefrau bespitzelt. Wie es weitergeht, ist unklar.

Petr Necas: Hat ab jetzt wieder mehr Zeit zum Sekt trinken. Bild: dpa

PRAG taz | Für einen Mann, der innerhalb einer Woche alles verloren hat, sah Petr Necas fast unheimlich erleichtert aus, als er am Sonntag Abend um 22.25 Uhr seinen Rücktritt vom Amt des Ministerpräsidenten bekannt gab: „Ich bin ein kämpferischer Mensch. Sie alle wissen, wie viel politische Krisen ich in den letzten drei Jahren gemeistert, überlebt und ausgehalten habe. Aber ich bin mir des Augenblicks genau bewusst, von dem aus man nicht mehr weiter machen kann. Und dieser Augenblick ist jetzt gekommen“, erklärte Necas.

Mit ihm fällt die ganze tschechische Regierung – eine liberal-konservative Dreiparteienkoalition, die Necas als Chef der größten Partei, der Bürgerpartei ODS, seit Mai 2010 angeführt hat. Gescheitert ist sie nicht an unpopulären Haushaltskürzungen und Steuererhöhungen, auch nicht an der einen oder anderen Bestechungsaffäre.

Der Grund für das vorfristige Ende der Regierung ist ein Feldzug im Rosenkrieg zwischen Necas und seiner Frau Radka, auf den sich Necas Büroleiterin und enge Vertraute Jana Nagyová begeben hatte: mit Hilfe des militärischen Geheimdienstes ließ Nagyová Necas Angetraute 2012 zehn Tage bespitzeln. Sie habe Schlimmeres verhindern wollen, Radka Neasová sei unter den Einfluss der Zeugen Jehovas gelangt, verteidigt Nagyová ihren Amtsmissbrauch.

Polizeidokumente sprechen allerdings von persönlichen Motiven: Nagyová habe kompromittierendes Material über Neasová gesammelt, um Necas zu einer Scheidung zu bewegen. Mit Erfolg: seit Beginn dieses Jahres lebt Neas von seiner Frau getrennt, vor einer Woche hat er bekannt gegeben, die Scheidung eingereicht zu haben.

Amtsmissbrauch und versuchte Bestechung

Nun wird er sich in Geduld üben müssen: seine Freundin Jana Nagyová sitzt in Haft, es drohen ihr fünf Jahre wegen Amtsmissbrauch und versuchter Bestechung. Wegen Letzterem wird auch Petr Necas einiges zu erklären haben. Er gilt zwar als derjenige, der Polizei und Staatsanwaltschaft ein härteres Vorgehen gegen die Korruption im Land ermöglicht hat. Selbst aber hat er, via Büroleiterin Nagyová, drei Abgeordnete mit lukrativen Posten in staatlichen Firmen im Tausch gegen ihre Mandate bestochen. Das, urteilt nun die Staatsanwaltschaft, erfülle den Tatbestand der Korruption.

Von wegen, das sei nichts weiter als politischer Alltag, verteidigte sich Neas noch am Freitag im Abgeordnetenhaus. Der politische Alltag sieht so aus, dass eine neue Regierung hermuss. Dorthin führen drei Wege. Die Mitglieder der bisherigen Koalition aus ODS, der liberalen TOP 09 und der Mikropartei Lidem würden ihr Regierungsmandat gerne bis zu den nächsten regulären Wahlen im Mai 2014 behalten. Momentan suchen sie nach einem geeigneten Kandidaten für den Posten des Premiers. Favorit der ODS ist der bisherige Industrieminister Martin Kuba. Sobald eine neue Regierung steht, muss sie sich vom Abgeordnetenhaus absegnen lassen.

Die bisherigen Regierungsparteien können sich seit 2012 nur noch auf 99 von 200 Stimmen stützen und müssen daher versuchen, noch zwei Abgeordnete auf ihre Seite zu ziehen. Das dürfte jedoch nicht schwierig sein. Denn vor allem in der zweiten Mikropartei, der „Öffentlichen Angelegenheiten“, wird es einige Mitglieder geben, die Neuwahlen verhindern wollen, weil die Partei keine Chance hat, über die Fünf-Prozent-Hürde zu kommen.

Königsmacher oder Koalitionspartner

Neuwahlen sind die Option, die die Opposition, Sozialdemokraten (CSSD) und Kommunisten (KSCM), am liebsten sehen würde. Umfragen zufolge würde die SSD die nächsten Wahlen bequem gewinnen. Die Kommunisten hingegen hoffen auf einen Stimmanteil, der sie zum Königsmacher oder sogar zum Koalitionspartner in einer sozialdemokratischen Regierung macht.

Die dritte Möglichkeit wäre eine Expertenregierung. Ein Kabinett aus Beamten und Spezialisten war in Tschechien seit 1993 schon zwei Mal an der Macht – zum Beispiel nach dem Misstrauensvotum, das 2009 die Regierung von Mirek Topolanek inmitten der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft beendete.

Eine Expertenregierung ist die bevorzugte Version von Präsident Miloš Zeman. Der hat noch nie einen Hehl aus seiner Verachtung für die Neas-Regierung gemacht. Zeman glaubt, als direkt gewählter Präsident seine verfassungsmäßigen Vollmachten ausweiten zu müssen. Der Rücktritt von Petr Necas spielt ihm da in die Hände: Zeman gilt als der große Gewinner der Affäre.

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