Sexismus im Netz: Der aggressive Männerchor

Durch sexistische Angriffe werden Frauen aus Netzdebatten verdrängt. Vier österreichische Journalistinnen wehren sich.

Mann mit Laptop, gehalten von zweitem Mann, alles in grünem Binärcode

Liest und kommentiert, bislang ungestört: der unbekannte Sexist Foto: reuters

Weil sie sich zur Asyldebatte geäußert hatte, fand eine österreichische Journalistin dieses Posting auf ihrer Facebook-Seite: „Du Fotze, ich hoffe deine schutzsuchenden Musels ficken dich in alle deine dreckigen Löcher, bis du verblutest. Das sind eh die einzigen, die deine ausgeleierte Fut benützen würden, du frustrierte Emanze.“

Bei weitem kein Einzelfall. Vergewaltigungsdrohungen, erniedrigende Beschreibungen des Körpers, Phantasien über sexuelle Gewalt gehören zum Alltag von Journalistinnen, die sich mit ihrer Meinung exponieren. Besonders während des Bundespräsidentenwahlkampfes im vergangenen Frühjahr und in der Flüchtlingsfrage waren Moderatorinnen, Kolumnistinnen und Bloggerinnen einer Welle von sexualisierten Hasspostings ausgesetzt, über die sie nicht länger schweigen wollen. Die Wiener Stadtzeitung Falter hat vier von ihnen in ihrer jüngsten Ausgabe Raum gegeben, um mit ihren Erfahrungen an die Öffentlichkeit zu gehen.

„Keine von uns hatte die Postings je thematisiert oder angezeigt. Sie gehören quasi zum Job“, schreibt Corinna Milborn vom privaten TV-Sender Puls4. „Wir ignorieren sie oder lachen sie weg, aber wir thematisieren sie nicht“, Als Grund vermutet Milborn: „Der rechtsextreme Mob, der seinen Hass im Internet verbreitet, sieht Frauen nicht als satisfaktionsfähig an. Da wird nicht duelliert, sondern stigmatisiert“.

Lieber mal nicht kommentieren

Nachdem Milborn das Wahlkampfduell zwischen Norbert Hofer von der FPÖ und dem Grünen Alexander van der Bellen moderiert hatte, stand einen ganzen Tag lang auf der Facebookseite der FPÖ Eisenstadt der Kommentar über sie: „Die braucht einen gscheiten Ficker.“ Milborn ertappt sich manchmal dabei, dass sie lieber auf einen Kommentar zu einem kontroversen Thema verzichtet, als sich einer neuen Lawine sexistischer Hassbotschaften auszusetzen. „Und so gewinnt der Mob: Frauen äußern sich vorsichtiger und seltener, Frauenrechte und Rassismus werden seltener thematisiert. Eine kleine, laute Truppe erobert sich den virtuellen Diskursraum und gaukelt dem Beobachter eine frauenfeindliche, rassistische Mehrheitsmeinung vor“.

Je sichtbarer eine Frau in der Öffentlichkeit sei, desto eher werde sie Ziel darartiger Hassbotschaften, so Ingrid Brodnig, Medienredakteurin beim Nachrichtenmagazin profil und Autorin des jüngst erschienenen Buchs Hass im Netz. Brodnig spricht von „Silencing“. Das sei der Fachbegriff dafür, wenn Menschen mit Aggression mundtot gemacht werden sollten. „Wir brauchen aber eine digitale Debatte, wo Frauen sichtbar sind“, so Brodnig zur taz.

Auch die Politik hat inzwischen reagiert. Seit Anfang des Jahres gibt es Cybermobbing in Österreich als Straftatbestand. Und das in Tirol stattfindende Forum der Staatsanwälte befasste sich am Dienstag mit dem Thema Hasskriminalität.

Florian Klenk, Falter

„Männer können über Drohungen offener reden, weil sie nur selten sexualisiert sind“

Frauen werden doppelt so oft gemobbt

Die Online-Kolumnistin Barbara Kaufmann bekam auf einen Text eine Antwort von einem „Männerrechtler“ in dessen Blog: „Darunter stand zu lesen, dass mein Text die Masturbation einer männerhassenden Frau war, ein Porno für Frustrierte, an dem ich mich beim Verfassen aufgegeilt hatte“. Danach erhielt sie Anrufe auf ihr Privathandy, bei denen ein Unbekannter in die Leitung stöhnte und auflegte. Das Problem, sagt Netzexpertin Brodnig, sei, dass viele der Drohungen zu vage formuliert seien, um strafrechtlich fassbar zu werden. Außerdem schützten sich aggressive Poster durch Anonymisierungstools. Deswegen gebe es relativ wenige Verurteilungen.

Falter-Chefredakteur Florian Klenk zitiert eine Studie der britischen Tageszeitung The Guardian, wonach von 70 Millionen gescreenten Tweets der letzten zehn Jahre Hassmails ganz überwiegend von Männern stammen. Gleichzeitig waren acht von zehn der am meisten bedrohten Journalisten des Unternehmens Frauen. Die beiden anderen waren schwarze Männer. Ein Bericht des EU-Parlaments bestätigt, dass Frauen doppelt so oft Opfer von Cybermobbing sind, wie Männer. „Während Männer über Drohungen offen reden können, weil sie nur selten sexualisiert sind“, so Klenk, „wollen Frauen oft nicht darüber berichten, aus Angst, noch mehr kriminelle Fantasien über ihren Körper auszulösen“. Manche vertrauten sich der Justiz an, doch die reagiere desinteressiert.

Dieses Desinteresse will der Falter mit einer Debatte über sexualisierte Aggressionen gegen Journalistinnen bekämpfen. Ingrid Brodnig begrüßt es, „dass es nun zunehmend auch Anzeigen gegen Hasskommentare gibt, zum Beispiel vom ORF“. Es sei wichtig, eine klare rote Linie zu ziehen: „Niemand hat das Recht, andere Menschen in Angst zu versetzen oder böse Gerüchte über sie zu verbreiten“.

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