Ramelow wird Ministerpräsident: Thüringen entscheidet historisch

Bodo Ramelow ist im 2. Wahlgang zum Ministerpräsidenten in Thüringen gewählt worden. Er ist der erste Linke in diesem Amt, betont aber gleich die Religion.

Bodo Ramelow ist der erste linke Ministerpräsident in Deutschland, hier gratuliert seine Vorgängerin Christine Lieberknecht. Bild: Reuters

ERFURT dpa/kna | Der Thüringer Landtag hat Bodo Ramelow zum bundesweit ersten Ministerpräsidenten der Linkspartei gewählt. Der 58-Jährige erhielt am Freitag im zweiten Wahlgang 46 von 90 gültigen Stimmen und damit die absolute Mehrheit.

Die Koalition aus Linke, SPD und Grünen, die im Parlament in Erfurt nur eine Stimme mehr als die Opposition hat, stellte sich damit geschlossen hinter ihn. Es gab 43 Gegenstimmen sowie eine ungültige Stimme und eine Enthaltung. „Ich nehme die Wahl an“, sagte Ramelow, der im Landtag vereidigt wurde.

Das erste derartige Dreierbündnis in Deutschland verdrängt die CDU von der Macht, die im Freistaat 24 Jahre lang den Regierungschef gestellt hatte. Einen Gegenkandidaten hatten die Christdemokraten, die bis zuletzt auf Abweichler im Ramelow-Lager hofften, nicht aufgestellt. Im ersten Wahlgang entfielen auf Ramelow nur 45 Stimmen – damit fehlte ihm eine Stimme aus den eigenen Reihen.

In seiner ersten Rede vor dem Plenum bedankte er sich für das Vertrauen in ihn. In Richtung der Opposition von CDU und AfD sagte er, trotz inhaltlichen Differenzen sei ihm viel an einer vertrauensvollen Zusammenarbeit gelegen. Der bekennende Protestant Ramelow legte vor dem Parlament den Amtseid ohne die religiöse Formel „So wahr mir Gott helfe“ ab.

Ungeachtet dessen kündigte er in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) an, mit ihm ziehe „eher mehr Glauben und mehr Religion in die Staatskanzlei“ ein als bei der Vorgängerregierung unter Leitung der ehemaligen Pastorin Christine Lieberknecht (CDU). Er sei evangelischer Christ und gleichzeitig „in dem Themengebiet des interreligiösen Dialogs engagiert unterwegs“.

Vorbehalte von Gauck und Merkel

Der historische Machtwechsel in Thüringen ist umstritten. Gegen eine Regierungsverantwortung der Linken, die im Osten ihre Wurzeln in der SED-Nachfolgepartei PDS hat, hatten 25 Jahre nach dem Mauerfall unter anderem Bundespräsident Joachim Gauck und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Vorbehalte geäußert. In Erfurt hatten am Donnerstagabend 1.500 Menschen vor dem Landtag gegen Rot-Rot-Grün demonstriert. In der Präambel des Koalitionsvertrags nennen die Bündnispartner die DDR einen Unrechtsstaat und versprechen eine Aufarbeitung der Geschichte.

Ramelow wollte noch am Freitag sein Kabinett berufen. In der neuen Regierung stellen die Linke vier, die SPD drei und die Grünen zwei Minister. Sie sollen das Regierungsprogramm für die nächsten fünf Jahre umsetzten: Der Koalitionsvertrag sieht unter anderem eine Gebietsreform, ein kostenloses Kita-Jahr und einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor vor. Er war von den Mitgliedern von Grünen und Linke mit großer Mehrheit bestätigt worden. Die SPD hatte ihre Anhänger nach den Sondierungen befragt.

Bei der Landtagswahl im September hatte die CDU von Ex-Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht mit deutlichem Abstand die meisten Stimmen erhalten. Sie konnte die SPD aber nicht für eine Fortsetzung der nicht immer harmonischen schwarz-roten Koalition gewinnen. Stattdessen entschieden sich die Sozialdemokraten für die Koalitionsverhandlungen mit Linken und Grünen.

Rot-Rot-Grün hat 46 Sitze im Thüringer Landtag. Die bisherige Regierungspartei CDU stellt 34 Abgeordnete und die rechtspopulistische AfD 11. Die Linkspartei regierte schon mehrfach in den Ostländern mit und ist derzeit auch an der Landesregierung in Brandenburg beteiligt. Allerdings stellte sie noch nie einen Regierungschef.

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