Psyche des Limburger Bischofs: Der Bauherr Christi
Das Problem des Tebatz-van Elst ist sein Selbstverständnis. Nach weltlichen Maßstäben mag er „psychisch krank“ sein – nach seinen eigenen eher „besessen“.
Bambi ist angeschossen und hat sich vorerst verkrochen, seine Blutspur führt in die ewige Stadt. Getrieben wird es von einer seltsam bunten Jagdgesellschaft aus konservativen Journalisten und progressiven Katholiken. Einer, der ohne Sünde war, muss den ersten Stein geworfen haben. Seitdem hagelt’s.
Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst, 53, den sie im hessischen Limburg wegen seiner immer ein wenig schreckhaft geweiteten Augen tatsächlich einmal „Bambi“ nannten, ist zum Abschuss freigegeben. In Talkshows rücken sogar schon seine bischöflichen Mitbrüder mit sorgenvoll wackelnden Köpfen von ihm ab.
Ernsthafter protestierten am Sonntag die wirklich Betroffenen in der Stadt an der Lahn, zwischen dem historischen Dom und den schwarzen Rolltoren des neuen „Diözesanen Zentrums St. Nikolaus“ – so der offizielle Name des Gebäudekomplexes, von dem Tebartz-van Elst nur einen kleinen Teil bewohnt.
2007: Das Domkapitel beschließt einen Umbau des Dombergs für 2 Millionen Euro.
Januar 2008: Tebartz-van Elst wird in sein Amt eingeführt.
Mai 2010: Es wird mit dem Bau des „Diözesanen Zentrums Sankt Nikolaus“ begonnen, geschätzte Kosten: 5,5 Millionen Euro.
2012: Ein Erster-Klasse-Flug nach Indien wird publik. Der Bischof leugnet in einer eidesstattlichen Versicherung.
Juni 2013: Das „Diözesane Zentrum“ wird eingeweiht. Kosten jetzt: 10 Millionen.
August 2013: Widerstand gegen den „autoritären Führungsstil“ des Bischofs wächst.
September 2013: Kurienkardinal Lajolo schaut in Limburg nach dem Rechten.
Oktober 2013: Strafbefehl gegen den Bischof wegen falscher eidesstattlicher Versicherung, Anzeigen wegen Untreue. Kosten für das „Zentrum“ jetzt bei bald 40 Millionen Euro. Bischof reist nach Rom, um sein Amt „in die Hände des Papstes zu legen“.
Die Messe am Vormittag war mit 200 Menschen gut besucht. Gehalten hatte sie der Dompfarrer, denn der Bischof weilte bereits in Rom. Nach dem Gottesdienst versammelten sich wieder rund 200 Demonstranten auf dem Domplatz; eine Abordnung jener „Gläubigen“, für die der Skandal um ihren Bischof „eine schwere Belastung“ darstellt, wie Angela Merkel das ausdrückte. Es wirkte, als spielte eine katholische Laienspielgruppe für die Kameras von ZDF, Sat.1 und RTL.
Sauere Luft an der Lahn
Um 12 Uhr läuten im Dom, einer gewiss auch nicht kostengünstigen Schönheit von 1235, die Glocken. Jubel brandet auf, als nach dem zwölften Mal tatsächlich noch ein weiterer Glockenschlag ertönt. Es schlägt also 13, und ähnlich symbolisch wird anschließend auf der Klampfe gezupft, als wär’s eine Probe für den nächsten Kirchentag: „Andere Lieder wollen wir singen.“
Menschen sprechen in ein Mikro zur Gemeinde, dass sie sich „den Glauben nicht wegnehmen lassen wollen“ oder dafür beten, ihr Bischof möge „von seiner Großmannssucht geheilt“. Purpurfarbene Karten werden verteilt, auf denen steht: „Herr Bischof, wir haben es satt! Treten Sie zurück!“
Der Wind treibt die Herbstblätter in Wirbeln über das Kopfsteinpflaster und fährt knatternd in die gelben Fahnen mit dem Wappen des Bistums. Auch hier hat Tebartz-van Elst eingegriffen und das Motiv verändert. Neben der üblichen Heraldik finden sich im Wappen auch drei Ähren über drei stilisierten Flüssen.
Die Flüsse verweisen auf des Bischofs Wurzeln am Niederrhein, die Ähren auf seine Herkunft von einem Großbauernhof. Darunter steht sein Wahlspruch, entnommen dem biblischen Galaterbrief: „Ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus als Gewand angenommen.“ Das wird noch wichtig.
Sparkurs im Bistum
Am stählernen Rolltor zur Residenz hat jemand ein Plakat mit den Thesen des Martin Luther angebracht. Hier wurmt die Leute vor allem der rigide Sparkurs, den Tebartz-van Elst seinem Bistum verordnet hat. Vordergründig geht es natürlich um diesen „Protzbau“, der kein Protzbau ist. Was von außen wie eine gut gesicherte Botschaft wirkt, ist im Inneren von schlichter, edler Eleganz und nicht ohne Geschmack.
Michael Frielinghaus ist ein namhafter Architekt, der weiß, was er baut und was das kostet. 40 Millionen, dafür gibt es anderswo ein paar Kilometer Autobahn. Gar nicht zu reden vom Flughafen Berlin-Brandenburg, der diese Summe als Baustelle in zwei Monaten verschlingt.
Transparenz? Firlefanz!
Für den Neubau des Ordinariats im Bistum Rottenburg-Stuttgart wurden zeitgleich ebenfalls 39 Millionen Euro ausgegeben – wobei die dortige Diözese von Anfang an keinen Hehl aus den Kosten machte. In Limburg stieg der Preis von 5 Millionen ins Astronomische – unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Aufreizend für Außenstehende ist weniger die unvorstellbare Summe als vielmehr der bischöfliche Hang zu verspäteten Sonderwünschen: Panzerglas für seine Bürofenster, importiert aus Washington. Das Planieren eines eleganten neuen Gartens zugunsten eines noch neueren, noch eleganteren Gartens für 783.000 Euro. Abriss und Neubau des Kapellengewölbes, damit der Adventskranz nicht abgestellt, sondern an einer Hängevorrichtung für 100.000 Euro frei schweben kann.
Einbauschränke für 477.000, ein Konferenztisch für 25.000, Kunstgegenstände für 450.000 und verdeckte Beschallung für 203.000 Euro. Das bischöfliche Badezimmer hat insgesamt 15.000 Euro gekostet, nicht, wie berichtet, nur die Badewanne – die immerhin steht frei und wurde von Designer Philippe Starck entworfen. Mit zwei Nackenstützen, warum auch immer.
Leider hat sich, etwa in einem geheimen dritten Untergeschoss, bis heute noch kein Folterkeller entdecken lassen. Womit wir endlich zum eigentlichen Problem des Franz-Peter Tebartz-van Elst vorgedrungen wären, seinem Selbstverständnis als katholischer Christ und Bischof. Transparenz ist für den konservativen Kleriker neumodischer Firlefanz.
Kaum im Amt, hebelte er das zuständige Domkapitel aus und setzte einen dreiköpfigen Vermögensverwaltungsrat ein, bestehend aus honorigen Pensionären, allesamt Katholiken, die sich für ihre Arbeit mit päpstlichen Orden behängen ließen und ansonsten den lieben Gott – und den lieben Bischof – so lange einen guten Mann sein ließen, bis der Skandal nicht mehr zu leugnen war.
Geständnis unter Tränen
Über die wahren Kosten informiert waren nur der Bischof, Architekt Freilinghaus, Dombaumeister Tilmann Staudt – und die externe Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG. Im Ordinariat bekam niemand die Zahlen zu sehen. Sie waren quasi entrückt. Hinters Licht geführt wurden auch die Aufsichtsinstanzen des Vatikans, Summen wurden nur gestückelt vorgelegt. Staudt gestand laut FAS dem Vermögensverwaltungsrat „unter Tränen“, er habe in den Akten aus „Umplanungen auf Wunsch des Bauherrn“ auf Anweisung des Bischofs „notwendige Umplanungen“ machen müssen.
Dieser Umgang mit der Wahrheit hat nicht nur längst die Staatsanwaltschaft auf den Plan gerufen, sondern auch eine ganze Reihe von Psychologen, die dem Mann nun Ferndiagnosen stellen – etwa, er leide an „pseudologica phantastica“, einem krankhaften Verlangen, zu lügen. Der Bischof hat es aber nicht verdient, psychologisiert zu werden. Er hat es verdient, theologisiert zu werden. Offensichtlich ist etwas in ihn gefahren.
Keine Strafe, sondern Therapie
Auf die Frage: „Wer sind Sie?“, antwortete Tebartz-van Elst in einem Interview: „Ich bin einer, der Jesus Christus als Herrn und Freund und Bruder für sein eigenes Leben entdeckt hat. Und davon möchte ich anderen künden.“ Wer auf Christus getauft sei, habe „Christus als Gewand angelegt. Das ist unser Schutz, das ist unser Schmuck.“ Dabei gehe es nicht um Mode, sondern darum, „dass Christus anschaulich wird, dass wir ihm unser Gesicht geben, aber zugleich sein Gewand tragen dürfen“.
Wenn der Bauherr Christus ein Gesicht gibt, sind dann nicht alle Umplanungen „notwendige Umplanungen“? Und was sind schon 40 Millionen Euro, wenn man dafür „Christus anschaulich“ machen kann? Und was geht das eine Öffentlichkeit an, die sich Ritus und Religion ohnehin entfremdet hat? Wo narzisstische Persönlichkeitsstörung und frömmelnde Inbrunst einander ins Gehege kommen, kreuzen sich katastrophisch mindestens zwei Wahnsysteme.
Nach weltlichen Maßstäben mag der Bischof „psychisch krank“ sein – nach seinen eigenen müsste er eher als „besessen“ bezeichnet werden. Dafür kennt die Kirche Lösungen, sehr alte Lösungen. Der Mann braucht eher eine Therapie als eine Strafe. Und vielleicht eher einen Exorzismus als eine Therapie.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands