piwik no script img

Kulturindustrie und TTIPAchtung! Die Amis kommen!

Das Freihandelsabkommen mit den USA macht den deutschen Kulturbetrieb nervös. „Verteidigt die Kultur“, ruft die Akademie der Künste in Berlin.

Gegen Fernsehserien wie „Game of Thrones“ haben es europäische Produktionen schwer Bild: dpa

BERLIN taz | Mit Coca-Cola und McDonald’s haben sie uns gefügig gemacht, jetzt kommen Chlorhähnchen und Genmais, Amazon und Google werden dann den Rest erledigen.

Noch weiß nicht einmal Kulturstaatsministerin Monika Grütters, wie sie zugibt, wer im Bereich Kultur mit wem über was genau bezüglich des sogenannten TTIP, des geplanten Freihandelsabkommens zwischen der EU und den USA, verhandelt. Aber sicherheitshalber macht sie sich schon jetzt wortmächtig stark dafür, um jeden Preis den ihr verantworten Bereich vor den Interessen der Amerikaner zu schützen.

Welch seltsamer Spagat dafür nötig ist, konnte man bei ihrem Auftritt in der Berliner Akademie der Künste erleben, wo sie in ein Gespräch über das Freihandelsabkommen mit dem Titel „Verteidigt die Kultur!“ einführte. Denn ehrlich genug gab die CDU-Politikerin zu, dass sie letztlich für den Abbau von Zöllen und einen liberalisierteren Markt zwischen Europa und den USA sei. Die Kultur jedoch wolle sie ausdrücklich aus all den Verhandlungen um das TTIP herausnehmen.

Kultur dürfe hierzulande keine Ware sein, so wie sie das in den USA sei. Und um das zu unterstreichen, bemühte Grütters die „Kulturnation Deutschland“, obwohl es eigentlich um Europa geht, das da mit den USA verhandelt. Sie sah „unsere kulturelle Identität“ auf dem Spiel stehen, und wahrscheinlich meinte sie damit die deutsche, vielleicht aber auch eine europäische irgendwie, was auch schon wieder egal war: Hauptsache, anders als Amerika. Sie sprach davon, dass wir jetzt alle Gallier seien.

Gefährliches Teufelszeug

Die Amerikaner, um in diesem Asterix-Bild zu bleiben, sind demnach die bösen Römer. Im Folgenden bekam man das Gefühl, mit dem Römer-Bild seien die Amerikaner noch recht gut bedient. Allein schon der Name der Veranstaltung: „Verteidigt die Kultur!“ Man fragte sich: Gegen was eigentlich? Gegen amerikanische Verhältnisse? Machen die der Kultur bei uns den Garaus? Ein skurriler Gedanke, wenn man bedenkt, dass von der Literatur über die Popmusik bis hin zu Fernsehserien so gut wie alles kulturell wirklich Interessante in den letzten 50 Jahren aus den USA kam.

Klaus Staeck, Präsident der Akademie, saß selbst auf dem Podium und machte deutlich, dass er TTIP wirklich für Teufelszeug hält. Er sprach von einem „Angriff auf Demokratie und Rechtsstaat“ und von einem „Siegeszug des Neoliberalismus“, der sich da anbahne. Auch Gerhard Pfennig von der Initiative Urheberrecht oder Olaf Zimmermann vom Deutschen Kulturrat wurden nicht müde, die Schrecknisse von TTIP auszumalen. Die Buchpreisbindung, sie könnte geopfert werden und Amazon endgültig die Weltherrschaft übernehmen, so eines dieser Szenarien. Dank eines geplanten sogenannten Investitionsabkommens könnte sich der Internetriese alles erlauben, sogar eine nachträgliche Klage gegen die Buchpreisbindung.

Aber wird es dazu wirklich kommen? Monika Grütters sagte ja bereits: Nein. Sigmar Gabriel hat signalisiert, dass er um die Sensibilität bei kulturellen Belangen weiß. Aber die Vertreter des hochsubventionierten deutschen Kulturbetriebs werden langsam nervös, das bekam man bei der Veranstaltung mit. Man könnte hierzulande ja mitkriegen, dass die Filme und Romane, die in Deutschland auch mithilfe von Subventionen entstehen können, international überhaupt keine Rolle spielen. Das, was aus den USA kommt, jedoch schon. So schlimm kann das von da drüben also gar nicht sein.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • "... wenn man bedenkt, dass von der Literatur über die Popmusik bis hin zu Fernsehserien so gut wie alles kulturell wirklich Interessante in den letzten 50 Jahren aus den USA kam"

     

    Ehrlich jetzt?

     

    Aber wenn man sich das Elend der unter Ines Pohl intellektuell und politisch weichgespülten taz anschaut, könnte man glatt glauben, dass alles auf dem Zeitungsmarkt wirklich Interessante in den letzten 50 Jahren aus den USA kam.

  • Fortsetzung:

     

    Insofern müssen wir nur unseren Kulturbegriff etwas der US-Sichtweise anpassen und die BILD als das literarisch Höchststehende erkennen - nichts wird mehr gelesen, nichts verkauft sich besser! Ein Riesenerfolg also!

     

    Freuen wir uns auf noch mehr "überragende" Industrieproduktionen zur Volksverblödung, deren Vermarktungschancen schon vorher berechnet werden und die einmal mehr beweisen, wie lukrativ es sein kann, gegen das Schöne, Wahre und Gute zu "arbeiten"..

     

    PS.

    Nicht nur Schopenhauers "Die Welt als Wille und Vorstellung" wäre beinahe in Vergessenheit geraten: Beim Erscheinen des Werks wurden die

    Vermarktungschancen als zu gering eingeschätzt.. Wer auch nur eine leise Ahnung vom soziokulturellen Wert der Schöpfungshöhe hat, sieht, dass

    TTIP ein seelenloser Frontalangriff von empathisch Minderbemittelten auf die Ästhetik selbst ist. Aber der Größenwahn von Supermann bringt es

    selbstredend fertig, die digitale Massenabfertigung von passiven Konsumrobotern mit vereinheitlichtem Boulevard-Trash per CDN als "Kulturleistung" zu deuten. Und da sich auch seine Heloten gerne groß fühlen und das Wilde am Westen schätzen gelernt haben (..), schämt sich hier kaum noch jemand, dieses hässliche Verbrechen am Kulturerbe überhaupt zu diskutieren.

  • Es gab einmal den Begriff der "entarteten Kunst" in diesem Land. Diese Toleranz gegenüber Werkschaffenden wurde im Nachfolgeregime verworfen:

    Abseits von elitären Prestige-Projekten wird Kunst und Kultur grundsätzlich als "Unfall" gewertet, weshalb es nicht verweundert, dass z.B.

    eine Künstlersozialkasse Teil der Unfallkasse ist. Unsere "Kulturnation" (*hust) ist bereit, Künstler zu unterstützen, wenn sie mit ihrer Kunst

    erwerbsmäßig _GEWINNABSICHTEN_ verfolgen. Diese Bedingung stellt sicher, dass keine großen Werke geschaffen werden, denn aus reinem Profitstreben

    ist noch nie etwas Großes entstanden. So weit zur gesetzmäßigen Kulturfeindlichkeit und vorsätzlichen Verhöhnung jeglicher Kunstbegriffe in

    diesem "schönen" Land der "Dichter und Denker", liebe Fr. Grütters..

  • "Keine Heimat, wer beschützt uns vor Amerika?" (Ideal, Bi Nuu, 80er)

     

    Respekt! Sehr vorausschauend, Frau Humpe!

  • nicht "geistiges ringen a la beethovens 9.", sondern statistische häufungen des zunächast und zumeist bei einpürasseln derr medien ist "kultur"(eher gewohnheits, erwartungs, idiosynkrasien, beürfnis)stiftened.

    "bog brother" hat es den konserativen extrem leicht gemacht bei weitem mehr als nur die "metaphysik" zu verwinden. am meisten wird das noch als verdauungsproblem des veegtarismus hierzulande "diskutiert". an realsatire mangelt es weder hier noch in den usa.

     

    so richtig ernstgenommen tiefernsate, also phiosophiache fragen und die rezeption der erstaunlich vielen und soliden antworten aus "aller welt" wären die ersten babyschritte der normaldeutschen aus dem tv hypnotsiertem schlaf.

     

    das TTTIP istschon rein fachökonmisch als scheunentor zum konkurrenzdumping völlig indiskutabel. so, wie die ersetzung des löschaumes durch benzin..

    • @Dr. rer. nat. Harald Wenk:

      bisch einfach d´Beste

  • 5G
    5393 (Profil gelöscht)

    Die OECD stellt besonders für Deutschland Kultur inkl. Presse, Medien, Journalismus, Literatur usw. fest in bürgerlicher Hand, das gilt auch für diejenigen, die Verlagsverträge etc. oder Journalistenstellen bekommen. IdR haben alle diese Personen einen familiären bürgerlichen und akademischen Hintergrund. Das gilt sowohl auch für diejenigen, die (ausser Bafög) akademische Stipendien oder Kultur etc Stipendien bekommen. Die sogenannte Unterschicht ist so gut wie gar nicht vertreten. Wer bspw eine Veragszusage in Deutschland bekommt, kommt aus einem entsprechendem Umfeld. Zusagen gehen hier nicht an Personen, sondern an gesellschaftliche Pakete und wie die und was da eingepackt und mitgepackt ist nannte ich gerade. So ---- die OECD warnte längst, nie tat sich was, die Gesellschaft in Deutschland ist schichtenspezifisch sehr undurchlässig. So, warum dann die Aufregung, an was und an welchen Pfründen will da und wer festhalten. Man kann nicht erwarten, dass es dafür eine Gesamtsolidarität gibt, es tat sich ja nie was. Bei amazon kann jeder gratis veröffentlichen und sieht man sich die massenweise bspw. über create space öffentlich zugänglichen Proben an, wird klar, dass da viele sog Unterschichtler dabei sind, mal besser, mal weniger. Demokratisierung kommt hier längst nicht mehr aus dem Betrieb. So what!

    • 4G
      4463 (Profil gelöscht)
      @5393 (Profil gelöscht):

      Und das schlechte Buch von Akif Pirinçci "Deutschland von Sinnen" ist auch ein Buch aus bürgerlicher Schicht mit akademischen Hintergrund. Ja klar.

      Ich bin der Meinung, dass ich sich gute Autoren, wie Rebecca Gablé und Wolfgang Hohlbein immer verkaufen lassen werden trotz TTIP. Ich bin trotzdem gegen dieses Abkommen. Für mich ist die amerikanische Politik, nicht besser als die russische. Liebe EU, wann etablieren wir uns endlich als dritte Weltmacht? Wir sind mehr als nur der Suburb der Amerikaner.