Kristina Schröder in der Quoten-taz: „Nur Masse bewegt“

Familienministerin Kristina Schröder will viele Frauen in den Vorständen – und nicht als Alibiaufsichtsräte. Schuld am Frauenmangel seien die Strukturen, sagt sie.

Die beste Quote ist ihre Flexi-Quote, findet Kristina Schröder Bild: reuters

ProQuote: Frau Schröder, warum sind Sie nicht längst Fördermitglied bei uns? Ihre Amtskollegin in NRW, Angelika Schwall-Düren von der SPD, hat sich nicht lumpen lassen und unterstützt den Verein.

Kristina Schröder: Die Idee von proQuote finde ich sehr gut. Das ist übrigens vom Ansatz her eine Flexiquote: Eine spezifische Branche gibt sich selbst eine Zielvorgabe.

Wir fordern 30 Prozent der Chefsessel. Also, machen Sie mit?

Man kann auch ohne Unterschrift das Prinzip unterstützen. Der wirkungsvollste Weg zu mehr Frauen in Führungspositionen führt darüber, dass die Unternehmen sich ihre Ziele selbst setzen. Wir veröffentlichen solche Zielvorgaben auf unserer Seite flexi-quote.de. Da kann dann alle Welt prüfen: Wer will viel, wer schafft wenig? Diese Transparenz schafft durch öffentliche Kritik den Druck, dass auch wirklich etwas passiert.

Kritik gibt es doch seit Jahrzehnten. Vor elf Jahren hieß es schon einmal, die Unternehmen hätten sich verpflichtet. Nichts bis wenig ist danach passiert.

Da vergleichen manche Äpfel mit Birnen. 2001 haben sich die Unternehmen überhaupt nicht einzeln verpflichtet, sondern ihre Verbände. Die haben sich bei einem Treffen mit Gerhard Schröder gegenseitig auf die Schultern geklopft, und am Ende kam eine wachsweiche Erklärung heraus. Die einzelnen Unternehmen konnten sich damals wunderbar wegducken.

Nur zwei Prozent der deutschen Tageszeitungen werden von Chefredakteurinnen geleitet. Eine davon ist bekanntlich die taz, die eine 50-Prozent-Quote an der Spitze vorweisen kann. So liegt es nahe, dass die Zeitung, wie es schon Tradition ist, ihre Redaktion diesmal in die Hände von ProQuote legt.

Deshalb bekommt der Verein ProQuote eine ganze Ausgabe der taz geschenkt. Viele prominente JournalistInnen, KünstlerInnen und PolitikerInnen kommen in die taz und gestalten die Wochenendausgabe vom 17. November 2012. Wer sie sind und warum sie das machen, erfahren Sie hier. Neben Kristina Schröder kommt in der Ausgabe Peer Steinbrück zu Wort – interviewt von Anne Will und Annette Bruhns –, eine Mitarbeiterin von Alice Schwarzer plaudert und die Ausgabe wird mit Kunst von Monica Bonvincini zum Sammlerstück. Und vieles mehr. Ab Samstag am Kiosk und im //www.taz.de/zeitung/e-paper/e-kiosk/:eKiosk.

Wieso? Die sind doch in den Verbänden.

Eben, und aus dieser Anonymität habe ich sie hervorgeholt. Seit letztem Jahr verpflichten sich einzelne Unternehmen selbst. Das gab es vorher noch nie. Die Firmen wären blamiert, wenn sie ihre eigenen Vorgaben nicht erreichten.

Sie haben bislang keine gesetzlichen Möglichkeiten, dies einzufordern.

Ich will gesetzliche Sanktionen. Allerdings erteilt die FDP einem gesetzlichen Weg leider eine Absage.

Da kommt Ihnen ja nun EU-Kommissarin Viviane Reding zu Hilfe. Die will Firmen verpflichten, bis 2020 Aufsichtsratsposten zu 40 Prozent mit Frauen zu besetzen. Sogar von Geldstrafen ist die Rede.

Offenkundig hat die EU-Kommission dem Vorschlägen nur zugestimmt, weil die dort genannten 40 Prozent gerade nicht als starre Quote missverstanden werden dürfen. Ich wundere mich, wie stark die Debatte um die Aufsichtsräte kreist - dabei sagt selbst Frau Reding, dass sie die Aufsichtsräte nur deshalb ins Zentrum rückt, weil sie damit in den operativen Geschäftsbetrieb gar nicht entscheidend eingreift.

Was ist daran so schlecht?

Das Sonnendeck optisch weiblicher zu machen, führt leider nicht automatisch zu frauenfreundlicheren Arbeitsbedingungen. Das sehen wir an Norwegen: Da gibt es die Quote für Aufsichtsräte schon länger. Es hat sich darunter fast nichts bewegt.

Frauen müssen an die operativen Top-Positionen?

Ja, in die Vorstände. Meine Flexiquote beinhaltet die Vorstandsposten, und die von mir mit den DAX 30 vereinbarte Selbstverpflichtung gilt für alle Führungsebenen darunter. Im Fall etwa einer Siemens AG geht es da gleich um 770 Frauen. Mir reichen eben nicht drei bis vier neue Vorzeigefrauen für den Aufsichtsrat. Nur wenn Masse da ist, bewegt sich etwas.

Deshalb fordern wir die Chefsessel in den Redaktionen.

Die Verlagsbranche ist ein ganz besonderer Fall. Das habe ich den Verlegern beim Publishers Summit auch gerade gesagt. Die Mehrzahl der Blätter forciert das Quotenthema massiv und fordert quasi täglich, dass mehr passiert. Aber die Verlage, denen die Zeitungen gehören, sind oft alles andere als Vorreiter.

Was haben Sie denn den Verlegern gesagt?

Ich habe sie aufgefordert: Ändert das, definiert euch für den Verlag eigene Zielgrößen. Wir veröffentlichen das gerne neben den Zielmarken der DAX-30-Konzerne. Ich glaube, das wäre hochinteressant und würde vielen Redakteurinnen nutzen.

Haben sich schon welche gemeldet, die das tun wollen?

Ja, es sind direkt gleich prominente Verlagschefs zu mir gekommen und haben gesagt: Wir machen das jetzt.

Und welche waren das?

Die Namen zu nennen, wäre jetzt nicht fair. Aber das Ergebnis werde ich nachhalten.

Wieso, das ist doch Sinn Ihrer Flexiquote, dass die sich selbst verpflichten. Und das haben sie Ihnen gegenüber dann ja getan. Also raus mit den Namen.

Nein, das öffentlich zu machen, muss ich denen schon selbst überlassen. Der Verlag soll sich ja selber rechtfertigen.

Interviewen mehr Männer oder Frauen Sie?

Selbst in der männerlastigsten Redaktion sitzt auf dem für mich zuständigen Platz fast immer eine Frau.

Ihr Ressort ist der Männerwelt egal?

Nein, den Frauen wird eher klischeehaft zugeschrieben, das seien ihre Themen. Frauen interessieren sich ja auch tatsächlich dafür. Wir sollten nicht so tun, als ob es solche Vorlieben nicht gäbe. Ich habe auch Soziologie studiert. So ist es eben.

Sie sagten mal: Frauen, die Karriere machen wollen, bräuchten keine Quote, sondern verlässliche Partner. Fehlt all den qualifizierten Kolleginnen, die auf der Etappe dennoch hängen blieben, schlichtweg der richtige Mann oder die richtige Frau?

Der Kern des Problems liegt in der oft familienunfreundlichen Struktur der Arbeitswelt. Die macht Frauen das Leben furchtbar schwer, die auch noch in der privaten Welt Verpflichtungen haben. Die brauchen Partner in der Arbeitswelt, hab ich damals gesagt, die Respekt vor familiären Verpflichtungen haben, und Partner zu Hause, die ihren Teil übernehmen.

Ist das bei Ihnen der Fall?

Wir haben beide nicht furchtbar familienfreundliche Jobs. Das ist schon eine Herausforderung. Aber wir schaffen das irgendwie.

In etwa 20 Jahren wird Ihre Tochter im Beruf sein. Könnte sie dann auch noch unter einer gläsernen Decke hängen bleiben?

Der Mangel an Fachkräften wird die Lösung dieses Problems erleichtert haben. Allerdings glaube ich nicht, dass wir jemals überall eine Fifty-Fifty-Verteilung bekommen. Also die Hälfte E-Technikerinnen, die Hälfte Erzieher … Geschlechter müssen aber auch nicht überall komplett gleich verteilt sein. Jeder soll so frei wie möglich seine Präferenzen und Fähigkeiten fair ausleben können. Was das am Ende für zahlenmäßige Verteilungen ergibt, das ist mir dann relativ egal.

Birte Siedenburg, 49, arbeitete als Journalistin, Köchin und Kauffrau 255 Monate unter Chefs und dann 11 Monate unter einer Chefin. Der Laden hat nicht überlebt. Nun ist die Segelfliegerin und Buchautorin ihr eigener Boss. Sie lebt als Wirtschaftsjournalistin in Hamburg.
Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.