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Krieg im Osten der Dem. Rep. KongoSoldaten außer Kontrolle

Fliehende kongolesische Regierungstruppen töten, vergewaltigen und plündern. Leidtragende des Krieges sind vor allem wieder Zivilisten.

Zehntausende Menschen sind im Osten Kongos wieder auf der Flucht vor den Kämpfen. Bild: dapd

GOMA taz | Als Journalist Pete Jones wieder im sicheren Hotel in Ostkongos Provinzhauptstadt Goma aufschlägt, ist er immer noch kreidebleich vor Schreck. „Wir müssen froh sein, dass wir noch am Leben sind“, sagt er und lässt sich auf einen Stuhl fallen. Was er in der Kleinstadt Minova gesehen hat, hat ihm den Atem verschlagen: „Dort plündern und vergewaltigen Tausende sturzbesoffene Soldaten, es herrscht das totale Chaos“, sagt er: „Sie waren uns gegenüber sehr aggressiv und wir sind regelrecht geflüchtet.“

Täglich erreichen die taz neue Schreckensmeldungen aus der Kleinstadt am Kivu-See. Nachdem sich die Regierungstruppen vergangenen Dienstag nach heftigen Kämpfen gegen die Rebellen der M23 (Bewegung 23. März) aus der Millionenstadt Goma zurückgezogen hatten, versammelten sich die geschlagenen Einheiten in Minova 50 Kilometer weiter westlich. Wie viele, wissen nicht einmal die dort postierten Kommandeure.„Wir haben den Überblick total verloren“, berichtet ein Offizier am Telefon der taz.

„Dort, wo die Soldaten in den Baracken und auf den Feldern rumlungern und betrunken rumliegen, gibt es keine Kommandeure mehr“, sagt Journalist Jones. „Die Soldaten respektieren ihre Vorgesetzten nicht mehr, die Kommandokette ist total zusammengebrochen“, berichtet ein UN-Angestellter, der in Minova stationiert ist. Er habe vergangene Nacht Schüsse gehört. Die Bevölkerung flüchte sich nachts in den Busch, um nicht von den Soldaten belästigt zu werden. „Die Leute berichten von Vergewaltigungen und willkürlichen Tötungen.“

Waffen für die Rebellen

Von Offizieren vor Ort hat die taz erfahren, dass diese selbst um ihr Leben fürchten. Nachdem Goma in die Hände der Rebellen gefallen war, veröffentlichte die UNO einen Expertenbericht, der die Sabotage der Verteidigung Gomas durch den Chef der Landstreitkräfte, General Gabriel Amisi, mit Beweisen unterlegte: Er habe Waffen an Rebellen geliefert und lokale Milizen aufgerüstet. Jetzt beschuldigen die unbezahlten und hungrigen Soldaten ihre Vorgesetzten, Goma absichtlich aufgegeben zu haben. Nach dem UN-Bericht suspendierte Präsident Joseph Kabila General Amisi und ernannte Armee-Generalinspekteur Leutnant General François Olenga übergangsmäßig zum Chef der Landstreitkräfte.

Der kongolesische General, der einst eine Kneipe in Deutschland unterhielt und fließend Deutsch spricht, ist ein Haudegen. Er flog direkt nach Minova, „um dort für Ruhe und Ordnung zu sorgen“, so Olenga gegenüber der taz. „Wenn die Rebellen wieder Krieg wollen, dann sind wir bereit“, fügt er hinzu. Davon sind nicht viele überzeugt: „Wenn die M23 jetzt angreifen würde, gibt es sicher keinen Widerstand“, sagt der UN-Beobachter vor Ort. Die M23 hatte damit gedroht, via Minova nach Süd-Kivus Provinzhauptstadt Bukavu vorzurücken.

Die Kämpfe zwischen M23 und Armee kamen am Donnerstag rund um die Kleinstadt Sake, 25 Kilometer westlich von Goma, auf halber Wegstrecke nach Minova, zum Erliegen. Die Armee hatte von Minova aus die M23 in Sake angegriffen. Beim Rückzug hätten die Soldaten die Häuser geplündert, berichten verbliebene Einwohner der taz. Fast alle Einwohner Sakes sind geflohen.

Um einen weiteren Rebellenvormarsch zu verhindern, setzten die Staatschefs der Region am Samstag auf einem Gipfel in Ugandas Hauptstadt Kampala ein Ultimatum von 48 Stunden, sich aus Goma auf ihre alte Position in 20 Kilometer Entfernung zurückzuziehen. Eine „internationale neutrale Truppe“ soll an ihrer Stelle stationiert werden. Wenn die M23 sich zurückzieht, soll Kongos Regierung mit ihr Gespräche aufnehmen. Am Samstag traf Kongos Präsident Kabila in Kampala zum ersten Mal den politischen Führer der M23, „Präsident“ Jean-Marie Runiga. Die Ergebnisse dieser Gespräche stehen noch aus. Die M23 gibt sich siegessicher. Militärisch sind die disziplinierten Rebellen derzeit definitiv im Vorteil. Über das Ultimatum kann M23-Sprecher Oberstleutnant Vienney Kazarama nur lächeln.

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6 Kommentare

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  • M
    magy

    Wenn man dann liest bzw. Video (der Malteser Hilfsorganisation) sieht wo so ein Stammeskönig sinngemäß sagt " die Soldaten hätten Bedürfnisse, sie seien ja Monate im Busch, dann gehen sie zu den Frauen, sie fragen nicht, sie verhandeln nicht, sie nehmen sich was sie wollen und verschwinden. Der Gipfel aber ist wieder dieser König, wenn Soldaten oder Milizen in die Dörfer kommen und um vor denen verschont zu bleiben, verhandelt der Dorfchef mit den Männern in Uniform, entweder wollen die Ware oder eben Frauen"

    Der selbe Dorfkönig sagt auch wieder sinngemäß, wenn eine Frau vergewaltigt wurde, dann sei sie für den Ehemann unbrauchbar, es gibt keine Verbindung mehr von der Frau zu ihren Kindern und dem Ehemann. Er müsse darum die Frau verstoßen und kann sofort eine andere Frau heiraten.

    Da Vergewaltigung zu 99 % straffrei bleibt (scheint zu der Justiz zu viel Arbeit zu sein ?) machen die weiter wie gehabt. Nur wenn man liest, was diese Soldaten der Armee oder Milizen oder Rebellen sich an Grausamkeiten einfallen lassen ist so unmenschlich und nicht zu verstehen, warum weltweit nichts unternommen wird diese Frauen zu schützen und die Vergewaltiger hart zu bestrafen. Die Welt schweigt.

  • N
    Nildo

    das war *emanze* schreibt stimmt, es sollte aber dennoch berichtet werden, dass im kongo es auch zur kriegsführung gehört, die männer und jungen zu vergewaltigen. meist unter den augen ihrer familie...

  • M
    magy

    na wenn ein General in Deutschland eine Kneipe hatte, dann kann er doch sicher auch eine Armee führen.

  • L
    libra12

    HP Grünenfelder aus Zürich,

     

    irgendwie fehlt mir ein bisschen der Zusammenhang Ihres Kommentars zu dem Artikel. "Da lässt sich die TAZ von einer siegreichen Truppe Warlords autorisieren, die Frontlinie zu überqueren und beschwert sich, auf der anderen Seite unfreundlich empfangen worden zu sein." Nun, erstens kann ich nicht erkennen, dass sich Simone Schlindwein über unfreundlichen Empfang beschwert. Sie berichtet über besoffene Regierungssoldaten, die auf ihrem Rückzug plündern und Vergewaltigen. (Nicht zum ersten Mal!), zum Nachteil der Bevölkerung und wie immer, besonders der Frauen.

    Und was hat das alles jetzt mit Bosco Ntanga zu tun? Sie schreiben, die M23 ist darauf spezialisiert, die Tatsache zu verschleiern, dass er ihr Anführer ist. Ich lese dem gegenüber immer wieder in Pressemeldungen, Bosco Ntanga sei der Anführer der M23 . Dabei wird aber nie erwähnt, dass Kabila ihn und die M23 erst so stark gemacht hat, obwohl B.N. damals schon vom IStGh gesucht wurde.

     

    "gegen M23, deren Leute in der Vergangenheit mehrfach Krieg und Gewalt brachten" - da haben Sie vielleicht vergessen, dass die Soldaten der M23 in der näheren Vergangenheit zur Regierungsarmee gehörten?

     

    Nichts desto trotz, ich möchte nicht den Eindruck erwecken, dass ich eine Anhängerin der M32 bin.

     

    Nur frage ich mich, für was Sie eigentlich sprechen? - "Gegen Krieg und Gewalt, gegen M23, deren Leute in der Vergangenheit mehrfach Krieg und Gewalt brachten, gegen die Unfähigkeit der Regierung Kabila und gegen die Internationalen, die im besten Fall Schutzversprechen nicht einhalten, im schlechtesten Fall die Eskalation noch unterstützen oder unbequeme Fakten ausblenden."

     

    Prima. Was ist eigentlich im Moment mit der Opposition los? Da wird die Regierungsarmee aufgerufen, patriotisch das Land zu verteidigen.???? Zu Mord und Totschlag wird aufgerufen gegen Tutsis und Ruander. Die Kritik an Präsident Kabila erscheint in diesem Zusammenhang eher nebensächlich. Was wollen aber diese Leute? Etwas anderes als Hetztiraden, Geschrei oder Gejammer habe ich bisher nicht vernommen von den Anhängern des Vizepräsidenten, der sich selbst als Wahlgewinner sieht. Und es wird sich auch kaum etwas Wesentliches tun ohne einen Anstoß. Es ist schade, dass die Oppostion die momentane Situation nicht als Chance begreifen will. Schließlich ist es nicht so, dass die M23 mordend und plündernd durch die Lande zieht. Diese Leute haben ganz offensichtlich auch ein paar politische Forderungen. DAS ist ein Umstand, der in den Medien tunlichst verschwiegen wird. Und leider gibt es bis jetzt noch kein internationales Weltgericht, das in einem so gebeutelten Land die Regierung übernehmen kann, um alles zur Zufriedenheit der Bevölkerung zu regeln. Die UNO kann nicht im Alleingang gegen Rebellen kämpfen. (Das wäre auch fatal!)

  • HG
    HP Grünenfelder, Zürich

    Soll das objektiv sein? Da lässt sich die TAZ von einer siegreichen Truppe Warlords autorisieren, die Frontlinie zu überqueren und beschwert sich, auf der anderen Seite unfreundlich empfangen worden zu sein. M23 ist spezialisiert, internationale Medien einzuspannen um davon abzulenken, dass z.B. ihr Anführer Bosco Ntaganda vom Internationalen Strafgerichtshof zur Fahndung ausgeschrieben ist. Der britische Premier Cameron hat letzten Donnerstag Rwandas Präsidenten Kagame gedrängt, Druck auf M23 auszuüben und zu beweisen, dass er nicht mit diesen Warlords unter einer Decke steckt. Diesen Tatbeweis ist die TAZ ihren Lesern noch schuldig. Aber nicht nur die TAZ: AP Reporterin Melanie Gouby feierte am Dienstag auf der Tribüne in Goma den Sieg der M23 mit und berichtet über Demonstrationen Pro-M23 in Bukavu, das als nächstes Angriffsziel ausgesucht ist. Doch die Demos waren genau das Gegenteil: Gegen Krieg und Gewalt, gegen M23, deren Leute in der Vergangenheit mehrfach Krieg und Gewalt brachten, gegen die Unfähigkeit der Regierung Kabila und gegen die Internationalen, die im besten Fall Schutzversprechen nicht einhalten, im schlechtesten Fall die Eskalation noch unterstützen oder unbequeme Fakten ausblenden. In vergangenen, immer geheim gehaltenen "Friedensverhandlungen" profitierten durchwegs Proxys von Rwanda und Uganda, die früher CNDP, RCD oder AFDL hiessen und sich heute M23 nennen. Warum also nicht mal eine Recherche über die ursprüngliche Herkunft der Waffen, die M23 benutzt, oder die genauen Wege auf denen diese ins Embargogebiet geschleust werden? Die Gegend strotzt vor Waffen, ein rigoroses Aufräumen wäre ein konstruktiver Beitrag der Internationalen, die dabei sind, ihr letztes bisschen Glaubwürdigkeit aufs Spiel zu setzen.

  • FE
    Frau Emanze

    Unbedingt anzumerken ist, dass es sich bei den leidenden, vergewaltigten Zivilisten, überwiegend um ZivilistINNEN handelt. Frauen zahlen die Zeche jeden Krieges.