piwik no script img

Kommentar SPD-ParteitagDie Mittelschichtspartei

Bettina Gaus
Kommentar von Bettina Gaus

Die SPD sieht sich als Mittelschichtspartei. Die „Abgehängten“ hat sie dadurch jedoch verloren. Da hilft auch langer Beifall nichts.

Die SPD will für Deutschland da sein. Dabei deckt sie nicht einmal ihr eigenes Klientel ab. Bild: dpa

P eer Steinbrück müsse die „wichtigste Rede seines Lebens“ halten, hieß es im Vorfeld des SPD-Parteitags, auch er selbst zeigte sich davon überzeugt. Worum ging es? Um die Frage, ob er längeren Beifall bekommen würde als Angela Merkel bei der CDU und bei seiner Wahl zum Kanzlerkandidaten ein vergleichbares gutes Ergebnis wie sie.

Und niemand lacht, wenn es heißt, ein ehemaliger Bundesfinanzminister und Ministerpräsident habe niemals eine wichtigere Rede halten müssen? Deutlicher kann man nicht ausdrücken, dass man die Bedeutung politischer Vorgänge nur daran misst, wie geglückt die Inszenierung ist.

Um eine einfache Mehrheit musste Steinbrück in Hannover nämlich nicht mehr kämpfen, die stand fest. Hätte die SPD-Basis das Selbstbewusstsein, über ein Diktum aus dem Hinterzimmer ergebnisoffen zu diskutieren – sie wäre in einer anderen Verfassung.

Bild: Katharina Behling
Bettina Gaus

ist politische Korrespondentin der taz.

Aber da die Lage der Partei so ist, wie sie eben ist, wollten die Delegierten vor allem den Kandidaten feiern. Sie applaudierten sogar dann, wenn er Unfug redete: Die SPD sei es dem Land schuldig, einen sozialdemokratischen Kanzler zu stellen. Die Frage, wer den Kanzler stellt, hat aber mit Pflicht und Schuldigkeit nichts zu tun. Sondern mit dem Ausgang von Wahlen.

Berührung mit der Armut

Dem Mantra, Wahlen könnten nur in der Mittelschicht gewonnen werden, entspricht die merkwürdige Überzeugung, die Zugehörigkeit zu dieser Schicht sei der Normalfall und Armut eine betrübliche Panne des Systems. Als ob es angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung nicht gute Gründe gäbe, sich auf einiges von dem zu besinnen, was früher auch die SPD über Klassengegensätze gewusst hat.

Steinbrück hat über die steigende Zahl derer gesprochen, die sich „abgehängt“ fühlen, und betont, dass „wir“ – gemeint waren Sozialdemokraten – mit denen durchaus „in Berührung kommen“. Eine aufschlussreiche Formulierung. Früher kam die SPD mit solchen Leuten nicht nur in Berührung. Sie hat sie vertreten.

Das Sinken der Wahlbeteiligung ist ja kein naturgegebenes Schicksal. Sondern darauf zurückzuführen, dass viele, die nicht zur Mittelschicht gehören, glauben, es mache für sie keinen Unterschied, wer regiere. Solange es der SPD nicht gelingt, diese Wählerinnen und Wähler vom Gegenteil zu überzeugen, spielt es keine Rolle, wie lang der Beifall dauert, den wechselnde Kandidaten auf Parteitagen bekommen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Bettina Gaus
Politische Korrespondentin
Jahrgang 1956, ist politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Bettina Gaus hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt 2011 „Der unterschätzte Kontinent – Reise zur Mittelschicht Afrikas“ (Eichborn).
Mehr zum Thema

39 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • N
    Nico_Frank

    Wir betreiben in München eine kleine Wohnungswirtschaft und gehören sicher nicht zu der sog. Untersicht. Bis 2002 haben wir seit Generationen die SPD gewählt und mit Geldleistungen unterstützt. Seitdem herrscht maßlose Enttäuschung von dieser Partei.

     

    Die Schröder-Gang hat die SPD zum falschen Fünfziger gemacht.

    In Wirklichkeit hat Angela Merkel, die schröderianische Agenda 2010 beibehalten. Wäre, Steinmeier oder per Steinbrück statt Merkel an der Macht, wären die Agenda 2010 fortentwickelt worden. Mit noch mehr schmutzigen Umverteilungsprogrammen gegen die breite Bevölkerung.

    Ich kenne keinen, der an einen Sieg der SPD denkt. Alle wissen es, Angela Merkel bleibt Kanzlerin. Das ist die Losung, die der SPD-Vorstand der Bürgerschaft mit der Nominierung von Peer Steinbrück aufgedrückt hat.

     

    Wie lange wird Merkle Kanzlerin bleiben?

    Solange bis die Schröder-Clique restlos aus der SPD entsorgt ist.

     

    Angela Merkel bis 2027, das muss man sich mal vorstellen. Gute Nacht Deutschland.

  • H
    Hinseher

    @unter_linken

     

    Ich habe mir sagen lassen, dass die Linke sehr wohl in Verantwortung war und ist, siehe diverse Landesparlamente.

     

    Viele der Schreiber haben Recht:

     

    Nur wenn die Linke Stimmenzuwachs erhält, gibt es einen Grund für die Einheitsparteien eine andere, menschwürdigere Politik zu machen.

  • U
    unter_linken

    Durch einen Link im SPON Forum hier rüber gekommen. Und ich muss mich ehrlich wundern, dass es hier Kommentatoren gibt, die meinen die LINKE wäre die einzig glaubwürdige Partei, da sie ihre Ergüsse noch nie in Regierungsverantwortung der Realität stellen musste. Und solche Argumentationen kommen also von einer "aufgeklärten linken".

  • ES
    Ehemaliger SPD/grünenwähler

    DANKE, frau Gaus, für diesen sehr treffenden Kommentar!

     

    Leider kann man mittlerweile das Exakt Gleiche auch über die Grünen schreiben, die sich im Turbotempo assimiliert haben zur grünen FDP.

     

    Meine einzige Hoffnung liegt nun in so klugen Menschen wie frau Wagenknecht eine ist.

    Intelligente Analysen und klare Konsequenzen kommen leider nur noch von den Linken.

     

     

    Ich hätte niemals zuvor gedacht, daß ich so etwas scheibe, aber das ist einfach der derzeitige Sachstand....

  • S
    seyinphyin

    SPD, Grüne, CDU/CSU, FDP können sagen und versprechen was Sie wollen - wie jeder Lügner. Diese Leute lügen ständig und wie gedruckt, das haben die letzten 14 Jahre allein bewiesen und sieht man sich die Geschichte der BRD an, die ja (seltsam, oder) so gut wie nie irgendwo behandelt wird, dann zieht sich das und Korruption auch durch die übrigen 50 Jahre.

     

    Es gibt faktisch keinerlei Grund, diesen korrupten, verfassungsbrechenden, Menschenrechtswidrig handelnden volksbedrohenden und Staat verkaufenden 5-Parteien-Block noch irgend etwas zu glauben.

     

    Keinen einzigen.

  • Z
    Zeus35

    "Das Sinken der Wahlbeteiligung ist ja kein naturgegebenes Schicksal. Sondern darauf zurückzuführen, dass viele, die nicht zur Mittelschicht gehören, glauben, es mache für sie keinen Unterschied, wer regiere."

    Wenn man so eine Grütze liest fragt man sich wirklich wer diesen Schwachsinn verzapft. Die Trottel bei der SPD, die verzweifelt jemanden oder etwas suchen den man die Schuld geben kann, oder den geistig schwach bewaffneten Journalisten der taz.

    Gerade die Mittelschicht weiß, dass die SPD dafür gesorgt hat, dass bei einem Jobverlust der Weg nach unten mit Schmieröl getränkt ist.

    Wen glauben die Idioten bei der SPD denn noch zu vertreten, oder zu erreichen?

    Den gut ausgebildeten Facharbeiter, aus Industrie und Handwerk wohl ganz bestimmt nicht, denn genau diese Menschen werden regelmäßig von der SPD in die Weichteile getreten. Selbst bei denen ist mittlerweile angekommen, dass Hartz4 und Leihsklaven von der SPD etabliert wurden.

    Hat man sonstige Erfolge vorzuweisen bei den ehemaligen SOZIALdemokraten? Nein, keine, außer dass man sich besonders gerne bei dem politischen Feind prostituiert, als Arbeitspferd in einer großen Koalition.

    Wer soziale Politik will muss die Linke wählen, aber die werden fleißig von den "freien" Medien diffamiert.

    Ich komme aus dem Rheinland, WAR jahrzehntelang Gewerkschaftsmitglied und SPD-Wähler, aber ich werde ein Fass aufmachen wenn die SPD endlich die Werten der FDP erreicht hat!

  • MS
    Manfred Stengel

    Die Frage ist doch: wer hat die Rede geschrieben? Ich bin überzeugt davon, dass dieser gut bezahlte Redner sich die Rede hat schreiben lassen.

  • C
    Celsus

    Dem Artikel kann ich nur zustimmen. Und tatsächlich fühlt sich die PSD immer noch als Mittelschichtpartei. Aber wem nützen die am Ende am meisten?

     

    In der Koaltion mit den Grünen haben sie unter Schröder mit noch heute mächtigen Leuten wie Steinbrück den Spitzensteuersatz gesenkt. Passgenau wurd da der Gürtel derjenigen enger geschnall, mit dennen das dann gegenfinanziert wurde. Meint Steinbrück das mit der Berührung mit denjenigen, die sich abgehängt fühlen? Auf derart unsittliche Berührungen können die Betroffenen sicherlich verzichten.

     

    Und soziale Gerechtigkeit stellt sich auf dem Hintergrund für viele so da, dass er von den im Schweiße seines Angesichts verdienten 25.000 Euro für einen Vortrag am Ende nichts an die Schmarotzer abgeben will. Wir erinnern uns sicher an die Formulierung seines Freundes Clement. Der Kandidat Steinbrück hat einen Stein statt einem Herzen im Körper. Seine Beinfreiheit wird er zu nutzen wissen.

  • W
    Wüstenratte

    "Es is so ein beruhjendes Jefiehl. Man tut wat for de Revolutzjon, aber man weeß janz jenau: mit diese Pachtei kommt se nich." - Über die SPD, "Ein älterer, aber leicht besoffener Herr", in: "Die Weltbühne", 9. September 1930, S. 405, Kurt Tucholsky

    Wie wahr, wie wahr!

    Wahlkampfslogan von Peer Steinbrück könnte sein: "Yes, I can Raffke!"

  • K
    kroete

    Sehr treffend den Finger in die klaffende Wunde der Sozialdemokratie gelegt, Frau Gaus.

    Da wird es dem gekürten Kanzlerkanditaten doch noch vorweihnachtlich warm ums Herz, meint er, er könne mit Worten des Mitgefühls doch noch die erreichen, die er mit seiner kalten Politik in den Hintern getreten hat.

    Hatte er dafür gesorgt, daß die Mittel einer allseits umworbenen Mittelschicht hübsch nach ganz oben verteilt wurden, die Lücke zu jenen ganz unten so groß geworden ist, daß er sie nicht mehr wahrnehmen kann oder gar möchte.

    Seine Rede eher schaler Wein in alten Schläuchen war, ihm hingegen nur hochpreisiger Rebensaft mundet, den sich seine Genossinnen und Genossen ohnehin nie leisten konnten.

  • C
    Christian

    Danke Frau Gaus, auch wenn das Lob vielleicht ein zweifelhaftes ist: Sie haben mir mühseliges Nachdenken und Zaudern erspart, ob ich mit der SPD vielleicht doch mal wieder "in Berührung" kommen sollte, so als Alternative zu ... ja was eigentlich?

     

    Ich habe Frau Gaus mal einen halben Tag in einer journalistischen Fortbildung als Dozentin gehabt: Im Gegensatz zu den selbstverliebten Kollegen von Stern und Geo hat sie gezeigt, wie Journalismus sein soll: Klar, direkt, kompromisslos positioniert - wie hier in ihrem Kommentar. Merci!

  • BE
    Björn Eriksson

    Wie die heutige Nachricht aus Bochum belegt, geht längst auch der Mittelstand geschlossen mit den Arbeitern in das von SPD, GRÜNEN bereitete (Herr Steinbrück immer mittenmang dabei), wohlig warme und höchst komfortable Harz-4-Bettchen, und singt mit diesen im Chor „Wer hat uns verraten? …“. Man darf gespannt sein, ob sich die schuldlos ins Prekariat Abgeschobenen im nächsten Jahr nochmal mit wohlgeformten Phrasen dusselig reden lassen. Vorschlag zur Güte: jeder Zuhörer, der geneigt ist, die Rede des Spitzenkandidaten der SPD bei einer Wahlveranstaltung zu hören, erhält als Honorar 25.000 €. Das könnte bei den Zuhörern etwaige Berührungsängste abbauen ;-)

  • N
    naseweiser

    Es ist ja völlig in Ordnung , dass die sogenannten Christdemokraten weiter die Insolvenzverwalterin geben werden , ob nun mit tätiger Beihilfe der SPD oder der Grünen , ist piepschnurz egal. Politik wird auch nach der BT-Wahl nur Krisenverwaltung sein , Bremsversuche an der sich drehenden Abwärtsspirale . Bisher konnte man jedenfalls keine Kräfte im System entdecken , die die Spiralachse zum Aufwärtsdrehen zwingen könnten .

  • R
    Rosi

    Wir sollten die http://www.parteidernichtwaehler.de bekannter machen!

  • H
    Harro

    @meinname

    Die Agenda 2010, Hartz-IV, Liberalisierung des Kündigungsschutzes, Zeit- und Leiharbeit, ja selbst die Riester-Reform waren nie zur (freien) Abstimmung freigegeben, sprich der Bürger hatte tatsächlich nie die Wahl, außer er misstraute Grünen und SPD schon 1998. 2013 wissen die Bürger besser Bescheid und dies wird Steinbrück auch merken.

  • MN
    Mein Name ist Legion

    SPD-Käppchen: "Ohm Peer, was hesn'du füa 'n groote Snüss?"

    Steinbrück: "Damit ich Dir was von sozialer Gerechtigkeit erzählen kann!"

  • EI
    E. Inwitz

    Es ist schon kurios.

     

    Da bezeichnet ein ehemaliger Ministerpräsident und Bundesfinanzminister eine schnöde Wahlrede als die wichtigste Rede seines Lebens. Das Ergebnis der Rede stand wie meist,gut gesichert durch altbewährte Rituale und gezielte Auswahl der Delegierten, doch schon vorher fest. Und die "Rede" erschöpfte sich in einem langatmigen Vortrag des aktuellen Wahlprogramms. Nur durch gelegentliche Witze hielt der Redner die Anwesenden einigermaßen wach, bis sie sich dann endlich beim Abschlussablaus abreagieren und wieder aufmuntern durften.

     

    Apropos Witze.

     

    Kennt ihr den?

     

    ...Politiker segnen auch mal das Zeitliche.

    Drei von Ihnen auch irgendwann.

    Als Politiker waren sie nicht sonderlich erfolgreich, reich und berühmt wurden sie eher durch ihre emsige jahrzehtelange Lobbyarbeit, einer für amerikanische Mentholzigarretten, der andere für russisches Gas,der dritte für deutsche und ausländische Banken.

    Nun, nach jeweils einer halben Ewigkeit im Fegefeuer, wurden sie schließlich gemeinsam zu Petrus gebracht. Der stellte sie vor die Wahl: Himmel oder Hölle...!? "Das wollen wir uns vorher anschauen", meinten die drei. Petrus führte sie zur Hölle, öffnete das Höllentor, sie sahen wohlbeleibte fröhliche Menschen,die lachten, sangen, aßen und tranken und andere schöne Sachen machten,...im Himmel dann nur hagere, trockene Gestalten, die beteten und frohlockten. Die drei Herren wählten sogleich die Hölle, Petrus führte sie erneut hin und öffnete die Tür. Glutvolle Hitze und eine Feuersbrunst schlug ihnen entgegen, Menschen schmachteten in ewigem Feuer.

    "Das ist unfair, das sah doch eben noch ganz anders aus! schrien sie.

     

    Darauf Petrus:

     

    "Meine Herren, das müssen gerade SIE doch wissen,

     

    V O R der Wahl und N A C H der Wahl..."

  • O
    Oli

    "Steinbrück hat über die steigende Zahl derer gesprochen, die sich „abgehängt“ fühlen, und betont, dass „wir“ – gemeint waren Sozialdemokraten – mit denen durchaus „in Berührung kommen“. Eine aufschlussreiche Formulierung."

     

    Ja, das ist wirklich gut formuliert!

     

    Die Berührung findet im Herbst 2013 statt und dann kann die SPD mal wieder nachmessen, was sie längst weiß: Sie kann so nicht gewinnen.

     

    Diese vermeidlich abgehängten, leiden meist unter einer gesetzlich-politisch vorgegebenen Situation an ihrem Arbeitsplatz, sprich sie stecken in Zeit- und Leiharbeit fest, müssen häufig aufstocken, werden dann vom Jobcenter durchgemobbt und können durch den Beitritt zu einer Gewerkschaft, Ständeorganisation oder Partei nichts für sich kurzfristig ändern. Sie merken, dass sie zu einer Schicht von Menschen gehören, die irgendwann mal gehörig von den Parteien verschaukelt und verkauft wurden.

     

    Und das will die SPD auch gar nicht korrigieren, sondern sie lobt diese Situation. Und gerade Peer Steinbrück rannte ja noch vor Kurzem wie ein Geist der Schröder/Fischer-Regierung herum und wurde nicht müde, runterzubeten, wie gut die Agenda Politik für Deutschland gewesen sei. Also viel Spaß bei der Berührung, liebe Sozialdemokraten, ihr könnt nur über schmerzliche Niederlagen lernen und da braucht ihr noch eine ganze Menge davon, damit's dann klappt. Bis dahin habt ihr vielleicht 20 oder 15 Prozent erreicht.

  • J
    jambalaya

    Ich finde den Artikel sehr gut gelungen, da er es gut auf den Punkt gebracht hat.

     

    Beim lesen der Kommentare wurde mir jedoch wieder etwas schlecht.

    Das ewige Gemeckere über Harz 4/Agenda 2010 kann ich einfach nicht nachvollziehen. Hätte es diese Reform nicht gegeben, wären Deutschland bestenfalls in der Lage Frankreichs. Das man Politik für alle machen kann, ist einfach unmöglich. Irgendwer ist immer dagegen und meistens liegt es daran, dass er nicht weiß was es überhaupt bedeutet. Aber das in dem Fall das kollabierende Sozialsystem angegangen wurde, war absolut richtig und wurde in den Grundzügen sinnvoll umgesetzt.

    Auch wenn man die weiterhin SPD und Grüne scheiße findet, sollte man doch anerkennen, dass sie Mut zur Veränderungen hatten (hoffentlich noch haben). Im Gegensatz zur CDU, welche schon seit Kohls Zeiten nur bloßen Machterhalt betreibt.

  • H
    Hafize

    Die Autorin schreibt mir aus dem Herzen. Es ist eine Inszenierung und die Frage, warum Menschen in Arbeit immer stärker verarmen, ist eine Panne des Systems, dafür ist Peer Steinbrück nicht haftbar zu machen. Ich glaube, dass die SPD nicht verstanden hat, wie glaubwürdig ihre Politik einfach nicht ist. Und mit einer Rede sind mehrere Jahre Hartz-IV, Armut und Verarmung in schlechtbezahlter Arbeit nicht vom Tisch zu fegen. Immerhin Steinbrück sichert der Linken ihr Leben, so kommt es mir vor.

  • H
    horst

    danke danke danke

     

    sehr guter kommentar. frau gaus, sie haben den nagel auf den kopf getroffen und mit einem hieb versenkt.

  • W
    Wirwar

    schon komisch..

    Im Vorfeld sich schon einmal darauf einigen, wer denn da überhaupt noch wählen geht. Diese Wählergruppe nett einlullen..

    Den anderen Honig um dem Mund schmieren, und per Münthe Effekt.. von Versprechern zu Quatschen.

    Alles sehr Glaubwürdig..

  • R
    rugero

    Mit diesen Shows machen die sich nur selber Mut

     

    Die große Party soll die Partei einen. das ist bei der SPD genau so wie bei der CDU und den Grünen. Ich nehme das nicht zu ernst. Schließlich ist es der Beginn des Wahlkampfes. In den nächsten neun Monaten kann noch so viel passieren und erst in der Tagespolitik können wir wirklich beurteilen wes Geistes Kind die Leute sind, die um die Stimmen buhlen.

     

    Von all dem was sie jetzt postulieren werden sie dann im Gekungel der Koalitionsverhandlungen manches wieder preisgegeben. Und Koalitionsverhandlungen wird es mit Sicherheit geben.

  • PW
    Peter W. Kurpanek

    Die SPD hat vergessen, wo sie herkommt und für was sie einmal stand!

     

    Es war Gerhard Schröder, der der deutschen Sozialdemokratie mit Harz IV für einen langen Zeitraum das Rückrad gebrochen hat. Seitdem versucht sie in der Mitte der Gesellschaft, wie man das nennt, ihr Heil. Das sozialdemoktratische Jahrhundert sei zu Ende hört man. Die SPD hat sich diesem Glauben angeschlossen. Der letzte wirkliche Sozialdemokrat an der Spitze der SPD war und das werden sie nicht gerne höhren, Oskar Lafontaine. Sein Versuch, die Finanzmärkte zu regulieren, endete mit einem unrühmlichen Abgang aus dem Ministeramt und aus dem Amt des Vorsitzenden der Deutschen Sozialdemokratie. Er hatte vorausgesehen, was passiert, wenn man die Finanzmärkte nicht reguliert. Es war glaube ich, Herbert Wehner, der nachdem Helmut Schmidt mit einem konstruktiven Misstrauensvotum aus dem Bundeskanzleramt vertreiben wurde, sinngemäß gesagt hat, das könnte wohl 15 Jahre dauern, bis wir uns davon erholen. Bis sich die SPD von Gerhard Schröder erholt wird es wohl noch eine Weile länger dauern.

  • R
    reblek

    "Steinbrück hat über die steigende Zahl derer gesprochen, die sich 'abgehängt' fühlen, und betont, dass 'wir' – gemeint waren Sozialdemokraten – mit denen durchaus 'in Berührung kommen'. Eine aufschlussreiche Formulierung. Früher kam die SPD mit solchen Leuten nicht nur in Berührung. Sie hat sie vertreten." - Nun ja, zumindest haben diese Menschen das geglaubt oder sich eingebildet, bis sie eines Schlechteren belehrt wurden.

  • S
    Synoptiker

    Den Gedankengängen von Bettina Gaus kann man beipflichten oder auch nicht. Die Mittelstands-Attitüden der Parteien hat sie am Beispiel der SPD wunderbar herausgearbeitet. Und der neue Siegertyp der SPD Peer Steinbrück ist der Parteitags-Regie gefolgt und hat seine Partei besoffen geredet. Dem Wähler mit Mitte-Berechtigungsschein wird es egal sein, wer demnächst regiert CDU oder SPD. Alle anderen werden sich an Schröder und Co und an die Agenda 2010 erinnern und dem lieben Peer eine Absage erteilen, denn eine Rede allein bringt noch keine nachhaltige Erneuerung der SPD. Wer einmal als Partei unglaubwürdig geworden ist, der hat es schwer in Deutschland. Und bei Steinbrück weiß man nicht wirklich, ob er eine weitere neoliberale Agenda 2020 auf den Weg bringt!

  • A
    autocrator

    glückwunsch: ein sehr kluger artikel, eine treffende analyse und nett bissiger kommentar. Frau Gaus: Sie sind ein leuchtturm des journalismus, was heutzutage wirklich selten ist!

     

    Die folge der analyse ist auch klar: Er wird's nicht.

    Dazu sind zuviele vom "system", das er vertritt, inzwischen abgehängt, die ihn, den Bilderberger und horrend-honorare-kassierer nicht wählen können weil er sie nicht vertreten kann, und mit ihm seine partei, die nur aus claqueren besteht.

  • M
    Mika

    "Steinbrück hat über die steigende Zahl derer gesprochen, die sich „abgehängt“ fühlen, und betont, dass „wir“ – gemeint waren Sozialdemokraten – mit denen durchaus „in Berührung kommen“. [...] Früher kam die SPD mit solchen Leuten nicht nur in Berührung. Sie hat sie vertreten."

     

    Auf den Punkt gebracht, Danke!

  • N
    neubau

    Mir wird schlecht, wenn ich lese, womit hier sinkende Wahlbeteiligung erklärt wird. Es geht nicht darum, dass man "das Gefühl" hat, nichts ändern zu können. Es geht darum, dass man offensichtlich nichts mehr ändern kann!

     

    Ob nun Steinbrück oder Merkel Geschäfte mit der Finanzwirtschaft machen, spielt nun wirklich keine Rolle. Die Leute gehen nicht mehr wählen, weil sie keine Wahl mehr haben - nicht, weil sie "das Gefühl" haben, keine Macht mehr zu haben. Sie fühlen nicht, sie wissen. Hieb- und stichfest!

  • MA
    Martin Armbruster

    Ein sehr treffender Kommentar. Steinbrück wird die Probleme der SPD im kommenden Wahlkampf nicht lösen. Er wird sie größer machen.

  • J
    j.beck

    Chapeau Frau Gaus. Dem ist nichts hinzuzufügen.

  • C
    carla

    Der Artikel analysiert die Lage der SPD treffend.

  • M
    meinname

    Wie kann ein Mensch, der 50.000€pro Stunde verdient (25.000 für 30min Vortrag) überhaupt noch in "der" "Arbeiter"partei sein??? Sowas gehört doch in die FdP?

     

    Und dann irgendwas über Abgehängte und Arme sülzen. Das kauft doch keiner mehr gerade dieser Partei ab, die den widerlichsten Blitzkrieg gegen die nicht von Vermögenserträgen lebenden Menschen seit dem Ende des Krieges vollzogen haben!

     

    Aber dann DAS beides zusammen - die Partei und dieser Mensch - das ist doch ein einziger Hoax!?! Für wir blöd halten die die Menschen denn man? Und wie krass schnell war denn der Niedergang der SPD, die heute für viele nur noch die spD ist? Ich bin schwuler Atheist aus ziemlich armen Hause, aber manchmal habe ich den Eindruck, die Christenpartei da ist noch sozialer als diese komische Partei. Ich kanns ertragen, wenn Partein lügen oder sich was vornehmen, von dem jeder halbwegs gescheite Mensch schon vorher weiß, dass es eine Blendgranate ist. Aber ich kanns nicht ertragen, wenn Partein so extrem heucheln und im Grunde nicht nur mich, sondern auch noch die Geschichte verhöhnen!

     

    Es ist langsam ääächt merkwürdig, wenn man als junger Mensch in diesem Land gerade beruflich Fuss fasst (nach dem Studium) und die Sache mit dem Aufbau einer eigenen Existenz richtig beginnt und sich immer häufiger fragt, was die Vorgängergenerationen eigentlich den lieben langen Tag gemacht haben, während hier so vieles demontiert wurde, dass selbst die Vorgänger jetzt keine Renten mehr kriegen werden, die irgendwas bedeuten würden. Oder wie zugelassen werden konnte, dass die SPD häufig nur noch die spD ist oder wie überhaupt solche rechts-elitären Menschen wie Steinbrück in gerade dieser Partei als Kanzlerkandidat durchgehen konnte.

     

    Ich verstehe es wirklich immer weniger. Dafür wird mein Gefühl immer stärker, dass die Generation "Selbstverwirklichung" sich einen feuchten Kericht interessiert für die Generationen, die ihr nachfolgen werden (meine, die vor und die nach mir). Sondern einfach im eigenen Hednismus bis zum Ersticken gebadet hatte. Der Ausdruck genau solchen Lebens ist dieser Mann an der Spitze dieser Partei. Es ist eigentlich ziemlich traurig. Ich habe immer mehr den Eindruck, die Generationen vor mir waren im Grunde politische Feiglinge und Looser, die alles mit sich machen lassen haben, nur um nicht aus dem Vorgarten raus zu müssen. Selbst heute noch ist alles, wegen dem sie diesen Vorgarten verlassen, der Lärm der Flugzeuge, mit denen sie sonntagnachts in den Urlaub fliegen.

  • T
    tazitus

    Die Entpolitisierung der Unterschicht war und ist ein (leider erfolgreiches) Projekt von Privatfernsehen, "Bild", Kohl und Merkel. Die Menschen dieser Kreise als Wähler wieder zu gewinnen, ist ein schwieriges bis hoffnungsloses Unterfangen. Aktuell kann deshalb auch die SPD nur in der Mitte die nächste Bundestagswahl gewinnen. Darum ist Steinbrück der richtige Kandidat.

    Als elitäres Arbeiterkind der Generation "Willy wählen!" bin ich nicht nur begeistert, aber wat mut dat mut.

  • EF
    ED Färber

    Wahlergebnisse knapp hinter Stalin, Hitler, Mao und Merkel? Da sollte noch was gehen!

  • SK
    Steffi K.

    Zitat aus dem Artikel:" Das Sinken der Wahlbeteiligung ist ja kein naturgegebenes Schicksal. Sondern darauf zurückzuführen, dass viele, die nicht zur Mittelschicht gehören, glauben, es mache für sie keinen Unterschied, wer regiere."

     

    Richtig,treffender kann man es nicht beschreiben. Entweder gehen diese Menschen nicht mehr zur Wahl oder man wählt aus Protest rechte oder linke Parteien. Eine Partei sollte alle Schichten ansprechen,Arme wie Reiche. Nur dann kann sie sich wirklich sozial nennen.

    Gerade in den Jahren 1998-2005 hat die rotgrüne Schreckensherrschaft zuviel Schaden in diesem Land angerichtet und eine soziale Kälte eingeführt unter der man heute noch leidet. SPD und Grüne haben es geschafft die Schwachen gegen die noch Schwächeren (Rentner und Geringverdiener vs. Hartz4-Empfänger) auszuspielen. Leider hat schwarzgelb nur wenig verbessert und somit die Chance verspielt wichtige Stimmen zu gewinnen.

     

    Dieser Artikel von Bettina Gaus ist endlich mal was wert. Daran sollten sich linkslastige Pseudo-Redakteure wie Kai von Appen mal eine Scheibe von abschneiden.

  • T
    tsitra

    Danke, Frau Gaus.

     

    Scharfsinnig, auch auch der

    Gefühlsebene, wird analysiert wie die SPD "so tickt"

    Entlarvend wird aufgezeigt, dass der potentielle Wähler auch, oder eher, suggestiv beeindruckt werden

    soll, als (nur) mit sachlichen Inhalten.

     

    Ubriges halte ich die sogenannte Mittelschicht, auch

    zumeist für ziemlich "abgehängt", auch wenn die das selbst nicht so sehen. (Bernt Engelmann erklärt dieses im Buch "Wir Untertanen").

     

    Die so geringe Wahlbeteiligung bei der letzten Bundestagswahl war eine Katastrophe.

    (Überschrift bei "Der Spiegel": "Sofa statt Steinmeier!")

     

    Warum lernen die Kinder/Jugendlichen offenbar nicht in der Schule, dass Demokratie nur von der Beteiligung lebt?

     

    Was ist der Grund dafür, dass die SPD die "Abgehängten" nicht mehr, bzw. kaum noch, vertritt?

  • U
    Unwählbar

    Niemand zerstört seit Jahren die Mittelschicht wie die SPD, mit Ausnahme der Grünen. Die Sozialindustrie der SPD und immer höhere Steuern machen Deutschland nieder. Gleichzeitig wird neben der Stoßrichtung von unten auch von Oben abgesahnt und es zahlt wieder die Mittelschicht. Auch SPD-Politik. Sicher ist die Verlogenheit der Grünen schlimmer aber deren Klientel stört das nicht, denn das ist meist noch heuchlerischer und sich selbst belügender als die Parteispitze. Ein sozialdemokratisch denkender Mensch kann aber die SPD schlicht nicht wählen. Aus wirtschaftlichen Fehlern nicht gelernt, S wie sozial abgegeben, D wie demokratisch auch, da bleibt nur noch P wie Partei. Das braucht kein Mensch.

  • T
    thogo

    Ihren Kommentar hier eingeben

     

    "...dass viele, die nicht zur Mittelschicht gehören, glauben, es mache für sie keinen Unterschied, wer regiere. Solange es der SPD nicht gelingt, diese Wählerinnen und Wähler vom Gegenteil zu überzeugen..."

     

    Das möchte ich bezweifeln. Viele wissen sehr genau was ihnen blüht wenn wieder Sozialdemokratie (vielleicht mit den grün lackierten Bourgeois) regiert. Wer welche Klientel mit Hartz-IV verraten hat weiß man noch sehr genau. Und dabei ist Hartz-IV nur ein (wenn auch DAS) Beispiel für die Verräterpartei.