Kommentar Lokführer- und Pilotenstreik: Streik, Macht und Risiko
Mit ihren weitreichenden Streiks riskieren die Spartengewerkschaften, sich auf längere Sicht selbst überflüssig zu machen.
D arf eine Spartengewerkschaft die Bahn ein ganzes Wochenende lang lahmlegen, ja die Reisenden „in Geiselhaft nehmen“, wie in maßloser Übertreibung behauptet wird? Die Antwort ist einfach: Ja, sie darf. Es gibt kein Gesetz, das regeln würde, dass vom Streikrecht nur große Gewerkschaften Gebrauch machen dürften. Es gibt auch keinen Rechtsanspruch der Bevölkerung darauf, von einem Streik unbehelligt und von nerviger Warterei verschont zu bleiben. Streikrecht geht vor, und das ist auch gut so.
Eine ganz andere Frage ist, ob Lokführer oder Piloten eine weise Entscheidung treffen, wenn sie für gewaltigen Frust unter den Reisenden sorgen. Einerseits verfügen solche Berufsgruppen über eine stärkere Macht als etwa Verwaltungsangestellte, weil ihr Streik die Öffentlichkeit viel direkter berührt. Andererseits aber spielen die Gewerkschaften dabei auch mit der Macht des Wettbewerbs. Bisherige Bahnfahrer wechseln auf den Fernbus, genauso wie Lufthansa-Flieger auf die Konkurrenz umbuchen. Man mag fragen, warum sich die Gewerkschaften um das Wohl der Unternehmen sorgen sollten, die im Arbeitskampf ihre natürlichen Gegner sind. Doch an diesem Wohl hängt letztlich auch das der Arbeitnehmer.
Sollten Busunternehmen in der Folge ihren Marktanteil steigern, wäre es logisch, wenn die Bahn die Zahl ihrer Züge verringern würde. Dann aber brauchte es auch weniger Lokführer. Wenn die Lufthansa vergleichsweise höhere Passagekosten tragen muss, dann verliert sie Marktanteile – und benötigt weniger Piloten.
Kurzfristig mögen solche Streiks daher die Macht der Gewerkschaft wie die Gehälter ihrer Mitglieder mehren. Doch auf längere Sicht hin riskieren sie mit Großstreiks, dass sie den Ast absägen, auf dem sie selbst sitzen. Verwaltungsangestellten kann das nicht so leicht passieren.
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