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Kommentar LänderfinanzenZweierlei Maß

Kommentar von Martin Reeh

Während von Zypern gefordert wird, das Steuerdumping zu beenden, will Bayern genau das einführen. Das ist mehr als schlitzohrig.

Der bayerische Finanzminister Markus Söder bei der Brauchtumspflege. Bild: dpa

W arum eigentlich hat Bayern so einen guten Ruf, wo doch Zypern so einen schlechten hat? Die Steuerzahler haben schließlich vor einigen Jahren die Zockerbank BayernLB gerettet. Und Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) geht nun mit einem Vorschlag hausieren, der noch mehr deutsche Oligarchen zwecks Steuerersparnis an den Starnberger See locken würde.

Söder forderte in der Bild am Sonntag, dass die Bundesländer in Zukunft die Höhe der Steuern selbst festlegen dürfen. Bislang dürfen das Kommunen oder Länder nur bei einigen, eher nebensächlichen Steuern wie der Gewerbe- und Grunderwerbsteuer.

Nun will Söder ans Eingemachte und nennt namentlich die Einkommen- und Erbschaftsteuer, die die Länder selbst regeln sollen. Bayern würde die Erbschaftsteuer gerne halbieren, fügte er hinzu – wohl wissend, dass damit Anreize geboten würden, den Wohnsitz nach Bayern zu verlagern.

Wolfgang Borrs
Martin Reeh

ist Redakteur im Meinungsressort der taz.

Söders Vorstoß erfolgt im Rahmen der Verfassungsklage Bayerns und Hessens gegen den Länderfinanzausgleich. Beide Länder beklagen, dass sie die Verschwendung in anderen Bundesländern mitfinanzieren müssten. Söder geht es aber offensichlich nicht darum, die Gelder stattdessen für strukturschwache Regionen in Franken und Niederbayern ausgeben zu können, sondern die Steuern erst gar nicht mehr einzunehmen.

Vor allem aber zeigt der Vorschlag des bayerischen Finanzministers noch einmal die Verschrobenheit der deutschen Eurokrisen-Debatte. Söder forderte – Chuzpe hat er ja – gleich im nächsten Absatz des BamS-Interviews Zypern auf, sein Steuerdumping zu beenden. Und anderen deutschen Medien war sein Vorschlag einer Steueroase Bayern kaum eine Zeile wert – an einem Wochenende, an dem man Berichten über russische Oligarchen auf Zypern kaum entgehen konnte.

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Von 2018 bis 2020 taz-Parlamentskorrespondent. Zuvor von 2013 bis 2018 Leiter der taz-Inlandsredaktion, von 2012 bis 2013 Redakteur im Meinungsressort. Studierte Politikwissenschaft in Berlin, danach Arbeit als freier Journalist für Zeitungen, Fachzeitschriften und Runkfunkanstalten, Pressesprecher eines Unternehmensverbands der Solarindustrie und Redakteur der Blätter für deutsche und internationale Politik.
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10 Kommentare

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  • A
    Arne

    Mehr Regionalisierung heißt auch mehr Demokratie. Insofern ist der Vorschlag von Söder doch gar nicht übel. Natürlich müssen dann verschiedene Sachen geregelt werden. Es geht dann eben nicht mehr, dass man einfach seinen Wohnsitz nach Bayern verlegen kann ohne dass man das Vermögen, das man in einem anderen Bundesland erwirtschaftet hat, auch dort ausreichend versteuert. (Wohnsitzverlegungssteuer oder sowas wäre dann angebracht.) Dies würde evtl. nicht nur zu Steuerdumping führen, sondern auch zu mehr wirtschaftlicher Eigenständigkeit bislang vernachlässigter Regionen.

    Bayern z.B. schmarotzt zukünftig in horender Weise von den Energievorräten des Nordens (des Windes), weil Bayern unfähig war, eine eigene Energieversorgung ohne Atomstrom hinzubekommen. Die Bewohner in Norddeutschland gehen dabei leer aus, weil die Bundesregierung, an der die CSU beteiligt ist, korrumpiert genug ist, um diese Aufträge ausschlißelich an die bekannten (multi-)nationalen Konzerne wie RWE, Vattanfall etc zu vergeben. Eine Stromliefersteuer könnte Niedersachsen und anderen norddeutschen Staaten eigentlich jedwede Zuwendung aus dem Finanzausgleich ersparen.

    Ich als Norddeutscher sehe nicht mehr ein, mit Bayern auch nur noch eine einzige Resource zu teilen, die wir hier im Norden besitzen. (Ich wohne zudem noch in einer der wenigen Regionen dort, in der es auch Öl gibt.) Ohne einen Freistaat Bayern wäre vieles in der Gesetzgebung der BRD liberaler und besser.

    Mehr Kompetenz an Bundesländer und Gemeinden ist eine vernünftige Forderung.

  • H
    H.Ewerth

    Bayern war selber einmal Empfänger, Bayern vergisst wo es einmal herkam, und wem das Land dies zu verdanken hatte!

    Außerderm ärgert mich, dass immer nur über Schulden, Verschuldung und die Schuldenuhr geschrieben und gesprochen, über Reichtum schweigt man lieber in diesem Land?

     

    Wer aber über Reichtum nicht reden will, sollte über Armut schweigen. Ich plädiere dafür, dass neben der Schuldenuhr, in Zukunft auch eine Vermögensuhr aufgestellt wird, die da zeigen würde, wie der Reichtum bei nur einem Prozent der Bevölkerung, auf über 50 Prozent in nur 7 Jahren gewachsen ist, und 50 Prozent der Bevölkerung, nur um ein einziges miserables Prozent des nationalen Reichtums verfügt. Vielleicht gibt es deshalb keine Vermögensuhr, die das täglich aufzeigen würde?

  • LP
    Laura Pentiti

    Ohne die Mafia, die hinter 1/3 aller Investitionen in Deutschland steckt, wärt ihr nichts.

  • H
    hackman3

    Genauso verschroben wie die TAZ, die in der Zyperkrise aus Übnerzeugung und mit Herzblut, vermutlich aus historischer Solidarität, dafür eintrat, russische Oligarchen vom armen deutschen Steuermichel retten zu lassen.

  • V
    vic

    Grade denkt man, es geht nicht blöder. Dann kommt Söder.

  • AW
    Andersrum wird ein Schuh daraus

    Während von Zypern, Griechenland, Spanien oder Italien gefordert wird für Zahlungen Reformen durchzuführen, will man zuhause das Gegenteil sobald ideologische Politik der SPD/Grüne/Linkspartei betroffen ist. Die leitenden Pleitegeier Deutschland halten nun seit 40 Jahren die rote Fahne hoch und leben nur noch weil man Geld von Nazirassistenkapitalistenimperialistenschweinesystem-faschisten bekommt um seine Dogma-Politik in Schulen, Wirtschaft, Sicherheit und Zuwanderung auch weiter betreieben zu können. Ob der gelegentlich ein CDU-Tanzbaär oder SPDler vorsteht ist egal.

  • MA
    Max A.

    Wenn demnächst jedes Land seine Steuern selbst festlegt, entsteht kein Wettbewerb, dann entsteht lediglich ein Steuer-Dumping. Das werden ohnehin schwache Länder verlieren - mit der Folge, dass noch mehr Industrie und Wirtschaft aus diesen Ländern abwandert. Die Folge wäre, dass die Kluft zwischen den Ländern noch größer werden würde.

     

    Wozu würde das führen? Das Geschäftssitz-Geschacher würde auch innerhalb Deutschlands ausbrechen. Das hat Söder sich schon toll ausgedacht. Dann meldet die gesamte deutsche Industrie ihren Geschäftssitz formal in Bayern an. Bayern kassiert die Steuern, ohne sich mit den Problemen oder Kosten herumschlagen zu müssen.

     

    Gott sei Dank muss man sich über solche Hirngespinste zu Zeiten rot-grüner Bundesratsmehrheiten keine Gedanken machen.

  • UB
    U.N. Bekannt

    @ von Äpfel und Birnen

     

    Wer lesen kann ist, klar im Vorteil: z.B. den Artikel !

  • H
    HasteMalnEuro

    Wär doch großartig, dann könnte z.B. Berlin

    die Steuern so erhöhen, dass es einen

    ausgeglichenen Haushalt hätte.

    Das wäre etwa 1 Euro pro Tag und

    Einwohner. Somit würde der Ruf

    "Haste maln Euro" nicht mehr jeden

    Tag in 3,5-millionenfacher Ausfertigung

    durch den Rest der Republik schallen.

  • PU
    Äpfel und Birnen

    Der Unterschied zwischen Zyperns Steuerdumping und Bayerns:

     

    Zypern ist pleite wohingegen Bayern 13 Bundesländer finanziert.

     

    Mir ist wirklich schleierhaft, wo Linke das Problem sehen, dass zum Nutzen der Bürger ein Wettbewerb der Länder entsteht.