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Kommentar Kirchensteuer-UmstellungExodus der Gläubigen

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Eine Verfahrensänderung bei der Kirchensteuer führt zu vielen Austritten. Sind Gläubige dumm? Oder haben sie nur gemerkt, dass nicht mehr 1514 ist?

In den vergangenen Monaten ist Zahl der Kirchenaustritte kräftig gestiegen. Bild: reuters

S ind nun die Kirchen begriffsstutzig oder die Gläubigen? Seit verstärkt darüber informiert wird, dass die Kirchensteuer auf Kapitalerträge ab Januar 2015 automatisch von den Banken eingezogen wird, ist Panik ausgebrochen unter vielen Kirchenmitgliedern. Sie treten massenhaft aus, häufig mit der Begründung, dass sie um ihr Erspartes fürchten.

Unter den Abtrünnigen sind auffällig viele Rentnerinnen und Rentner. Mit der Abgeltungssteuer und ähnlich komplizierten Regelungen hatten sie bislang nicht viel zu tun. Es ist verständlich, dass sie das neue Einzugssystem nicht so leicht durchschauen. Es erklärt ihnen auch niemand richtig, schon gar nicht ihr Pfarrer. Die Kirchen haben schlichtweg versäumt, ihren Mitgliedern zu versichern, dass nur die Verfahrensweise geändert wird und niemand einfach mal so mehr Geld abgezogen bekommt.

Möglicherweise nutzen viele Katholiken und Protestanten jetzt aber auch die Chance, das zu tun, was sie schon lange tun wollten: der Kirche den Rücken kehren. Das Verhältnis vieler Menschen zu Kirche und Religion hat sich in den vergangenen Jahren stark geändert. Weil sich das Leben verändert hat. Während die evangelische Kirche wenigstens versucht, darauf einzugehen, tut die katholische Kirche so, als schrieben wir noch das Jahr 1514.

Stichworte hier: Pflichtzölibat, Ausschluss Geschiedener von den Sakramenten, Frauen- und Homofeindlichkeit. Wer nicht versteht, dass sich Menschen ungern Regeln und Strafen aufdrücken lassen, die am Leben komplett vorbeigehen, darf sich jetzt nicht wundern.

Wie sehr die Kirchen in Not sind, sieht man ebenso an Nachrichten wie diesen: Der „Kirchentag für Mensch und Tier“ Ende August will Glaube mit Tierschutz verknüpfen. Entwarnung: Bei der Hundesteuer bleibt alles beim Alten.

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es immer wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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27 Kommentare

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  • Liebe Frau Schmollack,

    die von Ihnen genannten Stichpunkte "Pflichtzölibat, Ausschluss Geschiedener von den Sakramenten, Frauen- und Homofeindlichkeit" sind kein Problem der 'katholischen' Kirche sondern der römisch-katholischen Konfession. Andere katholische Kirchen, wie die alt-katholische Kirche, haben diese 'Probleme' nicht: Bei uns gibt es keinen verpflichtenden Zölibat, Geschiedene sind zu den Sakramenten zugelassen (und können auch kirchlich nochmals heiraten), Frauen können ihrer Berufung zur Diakonin, Priesterin oder Bischöfin folgen (am 13. September 14 um 14 Uhr werden z.B. in der Evangelischen Antoniterkirche in Köln die nächsten drei Priesterinnen geweiht), Homosexuelle können bei uns in den Dienst als Geistliche gehen und auch eine Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften ist möglich.

    Die synodale Struktur der alt-katholischen Kirche, bei der alle Kirchenmitglieder mitbestimmen und mitentscheiden können, ist die Basis für diese Reformorientierung.

    Herzlich grüßt

    Walter Jungbauer, alt-katholischer Vikar, Hamburg

    • @Walter Jungbauer:

      Bekommt ihr Verein auch Kirchensteuer?

  • Leider scheint Frau Schmollack weniger von der Angelegenheit verstanden zu haben als diejenigen, die jetzt ausgetreten sind.

     

    Zunächst einmal kann von "Panik" überhaupt keine Rede sein. Die Kirchenaustritte werden dieses Jahr eher unter dem Niveau der TvE-geplagten Katholiken letztes Jahr liegen. Die Widerspruchsfrist für das Anfrageverfahren ist abgelaufen, von daher werden die Kirchenaustritte im 2. Halbjahr eher wieder nachlassen.

     

    Wenn sie schreibt, "Die Kirchen haben schlichtweg versäumt, ihren Mitgliedern zu versichern, dass nur die Verfahrensweise geändert wird und niemand einfach mal so mehr Geld abgezogen bekommt", dann irrt Frau Schellack gleich doppelt: Erstens wurden die Kirchen nicht müde, ihren Mitgliedern GENAU DAS zu erzählen, und zweitens stimmt das so nicht: Der automatische Abzug dient auch dazu, Hunderte von Millionen Kirchensteuer auf Kapitalerträge abzuschöpfen, die bisher nicht gezahlt wurden. Wer bisher aus Unwissenheit oder Absicht keine Kirchensteuer auf Kapitalerträge gezahlt hat, muss zukünftig zahlen. In Anbetracht dessen können die kürzlich gemeldeten Austrittszahlen noch als sehr moderat gelten.

     

    Die älteren Leute, die jetzt austreten, hatten zuvor schlicht keinen Grund, auszutreten, weil sie bisher keine Kirchensteuer gezahlt haben. Wenn sie Kapitalerträge über der Freibetragsgrenze haben, müssen sie zukünftig tatsächlich die Kirchensteuer zahlen, die sie bisher vermieden haben. Es war vorhersehbar, dass aufgrund der effektiven Mehrbelastung jetzt viele "Karteileichen" austreten würden. Im Gegensatz zu der Theorie, die die Kirchen jetzt verbreiten – dass es sich nämlich um "Missverständnisse" handele – dürften die Ausgetretenen sehr genau wissen, warum sie ausgetreten sind.

    • @Matthias Krause:

      Das neue Verfahren ändert an der Steuerpflicht und der Höhe der Kirchensteuer gar nichts. Die Kirchensteuer wird von der Einkommensteuer berechnet und wer unter den Steuergrenzen bleibt, muss auch als Kirchenmitglied keine Kirchensteuer zahlen. Zuviel einbehaltene Beträge - etwa durch Zinsabschläge oberhalb der Freistellungen - werden bei der Steuererklärung verrechnet und erstattet. Worin soll die "effektive Mehrbelastung" für den Einzelnen liegen? Ich seh die nur bei den Banken etc.

  • Frau Schmollack ist der irrigen Ansicht, daß aus der Katholische Kirche weniger Menschen austreten würden, wenn sie nur Reformen beim Pflichtzöllibat, der Homoehe etc. einführen würde. Wohin dieser Weg führt, zeigt die Evangelische Kirche, da sind noch viel mehr Menschen ausgetreten.

  • "Kirchensteuer auf Kapialerträge" – joop! Das muss fraumann sich erst mal vergegenwärtigen! Was der Star jener Vereine, J., wohl dazu gesagt hätte.

    "Weil sich das Leben verändert hat." Echt, Fr. Schmollack?! DAS LEBEN?

  • was Frau Simone hier schreibt kannte ich auch noch nicht - hätte ich jetzt größere Konten würde ich aber auch so reagieren !!! Gut daß ich direkt nach meiner Konfirmation den Pfaffen einen gepfiffen habe und raus bin (lang, lang her)...

     

    aber, liebe Simone, bei der HUNDESTEUER würde man sofort abkassiert werden, die finden Einen sofort...ohne wenn u. aber...sonst zwangsweise Inkasso...jedenfalls bei uns so...

  • Ach Frau Schmollack, was die ev. Kirche angeht, da haben Sie garnichts begriffen. Die Leute treten zum grossen Teil nicht wegen der Kirchensteuer aus, oder weil Religion keine Bedeutung mehr fuer sie hat. Die Vesuche der ev. Kirche dem sog. Fortschritt nachzueilen, politisch links zu sein, auf deiner bestimmten politischen Ebene aktiv zu sein (ich nennne hier nur mal das sog. 'Kirchenasyl' ) und dabei die eigene Kirchenmitglieder zu verachlaessigen (im besseren Fall) oder zu bevormunden (der uebliche Fall) entfremden die Kirche zunehmend von ihren Schaefchen. Schauen Sie sich doch mal die Mitgliederzahlen der Freikirchen an.

    • @Gerald Müller:

      ... weil man so wahhhnsinnig "politisch links" sein muss, um z.B. die Hälfte der Menschheit mal endlich als gleichberechtige Menschen anzuerkennen?

      Immer wieder erschreckend zu sehen, wie die Schäfchen und Oberhirten ihre Misogynie, Körperlichkeitsaversion und Homophobie (worüber der gute JC kein großes Wort verloren hat) mit entsetztem "Wir dürfen nicht jedem Trend hinterherrennen" verteidigen, während ansonsten so ziemlich jede Vorgabe des hochheiligen Buches munter gebrochen wird.

    • @Gerald Müller:

      muss ich doch noch was nachtragen...da Familieninterna - die Kirche, hier jetzt zufällig ev., bevormundet nicht nur seine Schäfchen, sie hintergeht auch. Unser Familienteil war von gaanz oben im Vorstand einer ev. Abspaltung im Rheinland...die bekamen immer die tollen Kirchendomizile, die schon mal vermietet wurden...aber wenn Mitbewerber da waren...bekamen die Internen natürlich die tollen Lagen...und Familienbande zudem noch tolle Jobs bei der Kirche...weiß der Teufel warum, aber externe kamen immer zu kurz...und das ist kein Witz !!!

    • @Gerald Müller:

      Fortschrittliche Ansätze findet man doch nur sehr vereinzelt in den Kirchen und wenn, dann in den katholischen noch eher als in den evangelischen, weil es dort mitunter noch sehr engagierte Persönlichkeiten gibt. An meinem früheren Wohnsitz sah sich ein Pfarrer Morddrohungen ausgesetzt, nachdem er die Kirche hin und wieder für Jazzkonzerte öffnete. Das waren die einzigen Tage, an denen die Kirche voll war. Er hat sich dann leider versetzen lassen, weil der psychische Druck zu groß wurde. Jetzt herrscht wieder "Frieden" dort und die Kirche steht leer.

    • @Gerald Müller:

      Exakt so ist es. Wenn es der Kirche nur noch um Frieden, Umwelt und Gerechtigkeit geht, und derartige Postulate von Personen wie Frau Käßmann vorgetragen werden, kann man sein Kreuz auch gleich bei den Grünen machen.

  • Ob die katholische Kirche glaubt wir seien im Jahr 1514, ist mir sehr egal. Mich ärgert, das Deutschland meint wir lebten noch im Jahr 1514. Unser Staat hat eine riesige Datenbank eingerichtet, die von Banken und Arbeitgebern unter anderem wegen einer möglichen Kirchenzugehörigkeit abgerufen werden kann. Man kann zwar Widerspruch einlegen, aber die Folgen des Widerspruchs sind noch unangemessener als die stillschweigende Zustimmung. Das ist ein Skandal!

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Die katholische Kirch IST NOCH im Jahre 1514. Die Protestanten sind zwar schon 150 Jahre weiter, doch gehen viele mit entschiedenem Schritt zurück.

  • Von Panik, oder Angst das Ersparte zu verlieren kann keine Rede sein. Bei den meisten Rentnern entsteht sowieso keine Kirchensteuer. Wer soviel Rente bezieht, dass er Kirchensteuer zahlen muss, kann es i.d.R. auch locker verschmerzen. Es treten nur die aus, die schon lange mit ihrer Kirche unzufrieden sind. Ein Kirchenaustritt ist übrigens gar nicht billig. Die Standesämter lassen sich diese Dienstleistung gut bezahlen. Da wäscht die eine Hand die andere immer gern.

    • @Rainer B.:

      In NRW würde das Standesamt einen zum Amtsgericht schicken und dort habe ich dafür 30 Euro bezahlt.

      • @Ralf Houven:

        Sowohl die zuständigen Ämter als auch die Preise sind regional sehr unterschiedlich. In Baden-Württemberg bezahlen Sie teilweise 60€, in Brandenburg gar nichts. Ich finde 30€ sind für einen Mausklick und ein Zettel mit Stempel schon unverschämt.

    • @Rainer B.:

      Ich kann hier nur für Niedersachsen sprechen, hier bin ich jedenfalls damals mit 18 Jahren ausgetreten. Aber es kostet 25€ und das sind die Standartkosten für eine Urkundenänderung, ich denke nicht, dass die Kosten da sind um Menschen in der Kirche zu halten :D

      • @Teleshopper:

        Dass die Kosten da sind, um Menschen in der Kirche zu halten, hab ich nicht behauptet. Die Kosten sind da, um Einnahmen zu generieren.

  • Kirchenaustritte, gute Austritte. Kirchenabtrünnige, gute Abtrünnige. Die Gläubigen haben gelernt, daß es besser ist zu gehen, wenn der Karren im Dreck sitzt. Nur die Priester hocken noch drin, warten ob sich jemand findet, der den Karren rauszieht. Interessiert sich jemand dafür, wer den Karren in den Dreck gefahren hat. Es wäre eine interessante Diskussion wert. Gute Leute das, mit dem Austritt.

  • Weiß der Teufel (haha), was Frau Schmollak da gewürfelt hat?! Oder war es nur ein Tippfehler auf der Num-Tastatur? Und warum ein Foto eines SoldatInnen-Friedhofs? Können sich jüdische und/oder muslimische Kriegsopfer eigentlich dagegen verwahren, dass ihnen Kreuze aufs Grab gestellt werden?

     

    Zur Hundesteuer würde der Gehörnte (aka Mephisto) vermutlich sagen:

    "Die Kirche hat einen großen Magen."

    • @lichtgestalt:

      Auf eben diesem Friedhof haben die Gräber z.B. jüdischer Soldaten einen Davidstern statt eines Kreuzes.

       

      Aber man kann schon davon ausgehen, daß das Bild recht wenig mit dem Thema zu tun hat.

      • @Sascha Rheker:

        Danke für die Info.

    • @lichtgestalt:

      Zahlen Amerikaner überhaupt Kirchensteuer? Es handelt sich doch offensichtlich um einen amerikanischen Soldatenfriedhof.

    • @lichtgestalt:

      sorry: Schmollack.

  • 8G
    88862 (Profil gelöscht)

    Wenn die Leute von ihrer Kirche überzeugt wären, würden sie nicht austreten, sondern für die "gute Sache" gerne ihren Obulus entrichten. Keiner ist je "nur wegen des Geldes" ausgetreten, ohne an der Sache grundsätzlich zu zweifeln.

    Übrigens: auch aus christlicher Sicht, d.h. von der Bibel her, sind die Kirchen nicht überzeugend. Es treten neben Atheisten und Zweiflern auch Christen aus (so wie ich).

    Nur 1514, da hat die Kirche doch noch sehr anders ausgesehen als heute; da hatte Luther noch nicht mal seine 95 Thesen angeschlagen; diese Zahlenabgabe ist geschichtlich ein echter Missgriff.

    • @88862 (Profil gelöscht):

      Ich hab's:

      2014 - 1514 = eine halbe Ewigkeit. Uiuiuiui. Da haben wir Lutheraner doch wieder falsche Thesen ... in die taz genagelt