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Kommentar KanzlerinwechselAlle Wege führen zu AKK

Lukas Wallraff
Kommentar von Lukas Wallraff

Vorerst kann nur die SPD Kramp-Karrenbauers Kanzlerinschaft verhindern. Doch nach der Legislaturperiode wird es schwer.

Aus Sicht der CDU spräche viel dafür, den Kanzlerinwechsel bald durchzuziehen Foto: dpa

D ie Frage ist nicht mehr, ob CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK) die nächste Bundeskanzlerin wird. Sondern wann. Die aktuellen Debatten über eine mögliche Ablösung von Angela Merkel sind deshalb relevanter als die üblichen Personalspekulationen des Politikbetriebs. Eine entscheidende Hürde auf dem Weg zum Kanzleramt hat die AKK bereits aus dem Weg geräumt: Die Bedenken des rechten Unionsflügels gegen die vermeintliche „Mini-Merkel“ haben sich in Luft aufgelöst. Wer war noch mal Merz? Eben.

Kramp-Karrenbauer schafft, was Merkel nie gelungen ist: Den Konservativen immer wieder einen Trinkhalm geben, an dem die Stammtischbrüder freudig nuckeln können, ohne dadurch gleichzeitig allzu viele mittige Wähler*innen und mögliche Koa­li­tions­partner*innen zu verscheuchen. Oder meint jemand, die Grüne Katrin Göring-Eckardt würde auch nur daran denken, ihre Freundschaft mit AKK wegen eines schlechten Klospruchs über das dritte Geschlecht aufzukündigen? Aus Sicht der CDU spräche deshalb viel dafür, den Kanzlerinwechsel bald durchzuziehen, am besten noch vor den Landtagswahlen im Osten, wo Merkel in rechten Kreisen unrettbar unbeliebt ist.

Kann also nur noch die SPD Kramp-Karrenbauers Kanzlerinschaft verhindern? Ja, vorerst. Die SPD könnte natürlich einen fliegenden Wechsel während der Legislaturperiode ablehnen und eine Wahl der Merkel-Nachfolgerin im Bundestag verweigern. So weit, so einfach. Aber dann wird es schwer.

Ohne Merkel wäre die FDP sofort zu einer Jamaika-Koalition bereit. Den Grünen ist das ebenfalls zuzutrauen. Auf jeden Fall hieße die Kanzlerin dann AKK. Alternativ wären Neuwahlen eine Option – ohne ersichtlichen inhaltlichen Grund, nur wegen der Personalie Kramp-Karrenbauer. Eine 15-Prozent-SPD ohne attraktive Kandidaten würde gegen die 30-Prozent-CDU mit der frisch gekürten Kanzlerkandidatin AKK antreten müssen. Viel Erfolg! Eine Chance, AKK zu verhindern, gäbe es nur noch mit rot-rot-grüner Perspektive. Aber bis Grüne und Linkspartei dazu bereit sind, ist AKK längst Kanzlerin.

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Lukas Wallraff
taz.eins- und Seite-1-Redakteur
seit 1999 bei der taz, zunächst im Inland und im Parlamentsbüro, jetzt in der Zentrale. Besondere Interessen: Politik, Fußball und andere tragikomische Aspekte des Weltgeschehens
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8 Kommentare

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  • Nach meiner Wahrnehmung wird Kamp-Karrenbauer total überschätzt. Was jedoch nicht heißen soll, dass die deutschen Wähler nicht dumm genung dazu sind, diese Frau zu wählen. Bei Merkel hat das ja auch immer wieder geklappt.



    Der neueste Witz: Wir brauchen jetzt dringend einen Flugzeugträger.



    So etwas kann doch nuur einem kranken Hirn entspringen.



    Die SPD wäre gut beraten, von heute auf morgen diese Regierung zu verlassen.

  • Die SPD wird niemals freiwillig aus dieser Regierung gehen, Neuwahlen bedeuten ein Debakel für die einstige Volkspartei. Und dann wären viele Abgeordnete arbeitslos und vor allem die Privilegien sind futsch, Dienstwagen, Ansehen, Öffentlichkeitswirksamkeit.

  • Das wirkliche Problem bekommen die Grünen mit KK. Die Dame geriert sich zunehmend als Rechtsausegerin der Union, sie will so nationalistisch-konservative Wähler der AfD gewinnen. Und mit ihr sollen-wollen die grünen Polit-Schaumschläger Habeck und Co nach Jamaika segeln? Noch sonnen sich die jungkkonservativen Grünen in den Wahlprognosen - Prognosen wohlgemerkt! Wenn KK die Union weiter nach rechts trimmt, könnten sie damit gegen die Wand fahren. Rot-Rot-Grün haben sie ja längst abgeschrieben - das könnte sich noch als fataler taktischer Irrtum erweisen.

  • Ganz falsch! Allenfalls die FDP würde einem fliegenden Wechsel zustimmen. Die SPD wäre weg und die Grünen würden auf Neuwahlen bestehen und würden auch danach Bedingungen stellen, die AKKs schöne Illusion zerstören würde. Denn die Befriedung des rechten Flügels, die Kramp- Karrenbauer gerade gelingt, verdankt sich in Wirklichkeit ja hauptsächlich ihrer noch- nicht- Macht. Wenn sie mit den Grünen regieren will, und mit wem sonst, muss sie ganz anders handeln.

  • "schafft, was Merkel nie gelungen ist: Den Konservativen immer wieder einen Trinkhalm geben, an dem die Stammtischbrüder freudig nuckeln können, ohne dadurch gleichzeitig allzu viele mittige Wähler*innen und mögliche Koa­li­tions­partner*innen zu verscheuchen"

    Für solche "Strohhalme" hatte die taz jahrelang Kreuzzug gegen Frau Wagenknech geführt.

    • @agerwiese:

      Glauben Sie mir, Wagenknecht und Karrenbauer sind Schwestern im Geiste.

  • Warum sollten die Grünen ohne Neuwahlen AKK zur Kanzlerin machen? Bei Neuwahlen könnten sie ihre Sitze verdoppeln und eventuell auch ohne die ungeliebte FDP regieren.

    • @vulkansturm:

      Wenn man die Verteilung der Kabinettsposten nach den aktuellen Umfragen macht statt nach dem letzten BTW-Ergebnis (20 % statt 8,9 %), kann ich mir schon vorstellen, dass die Grünen auch ohne Neuwahlen springen. Schließlich lagen sie 2011 bei Umfragen schonmal über 20 % und sind dann bei der BTW 2013 bei 8 % gelandet.