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Kolumne Vom Überleben in der KriseStaat ist keine schwäbische Hausfrau

Jens Berger
Kolumne
von Jens Berger

„Sparen“ ist in der deutschen Sprache positiv besetzt. In vielen anderen Ländern ist das nicht so. In Südeuropa werden andere Begriffe verwendet.

Der Grieche ist sauer! Bild: dpa

G eneralstreik! Millionen Südeuropäer gingen in dieser Woche gegen den Sparkurs ihrer Regierungen auf die Straße. In Deutschland wurden die Proteste häufig mit Kopfschütteln quittiert. Wer nicht spart, so die simple Logik, bleibt verschuldet. Für eine Volkswirtschaft muss das jedoch nicht gelten. Im Gegenteil. Wenn der Staat mitten in einer Wirtschaftskrise die Ausgaben kürzt, kann dies verheerende Folgen haben – und den Staatshaushalt auf lange Sicht sogar vollends ruinieren.

„Sparen“ ist in der deutschen Sprache positiv besetzt. Wer Geld spart, verbessert seine finanzielle Lage. Was für den einzelnen Haushalt gilt, lässt sich jedoch nicht auf die Gesamtwirtschaft übertragen. Wenn ein Haushalt spart, legt er in der Regel Geld bei einer Bank an, die ihm nur deshalb Zinsen gutschreiben kann, weil andere Haushalte, Firmen oder eben der Staat sich verschulden. Wenn niemand Schulden macht, kann also auch niemand sparen.

In einer Wirtschaftskrise geben die privaten Haushalte in der Regel als Folge steigender Arbeitslosigkeit und sinkender Löhne weniger Geld aus. Wenn die Nachfrage wegbricht, bröckelt auch der Investitionshunger der Konzerne.

Im Gegenteil: Anstatt neue Jobs zu schaffen, werden vorhandene vernichtet. Wenn sowohl Privatiers als auch Unternehmer nicht mehr Geld ausgeben können oder wollen, beginnt ein Teufelskreis aus rückläufiger Nachfrage und steigender Arbeitslosigkeit. Jetzt kann nur noch der Staat eingreifen – meist mit Geld, das er nicht hat: Schulden. Wenn der Staat in der Krise weniger Geld ausgibt, verstärkt er den Teufelskreis, statt ihn zu stoppen.

Es wird immer weniger

Wenn die Arbeitslosigkeit steigt, die Nachfrage zurückgeht und die Unternehmen Verluste machen, nimmt der Staat auch in allen Bereichen weniger Steuern ein. Dafür steigen auf der anderen Seite Ausgaben wie die Kosten für die Sozialsysteme. Wenn ein Staat in der Krise Ausgaben kürzt, hat er im Folgejahr also nicht mehr, sondern weniger Geld zur Verfügung. Genau in diesem Punkt unterscheidet sich der Staat dann doch fundamental von der schwäbischen Hausfrau.

Bild: privat
Jens Berger

ist freier Journalist, Wirtschaftsexperte und politischer Blogger der ersten Stunde. Als Redakteur der „NachDenkSeiten“ und Herausgeber des Blogs „Spiegelfechter“ schreibt er regelmäßig zu sozial-, wirtschafts- und finanzpolitischen Themen. Im Westend-Verlag veröffentlichte er im Februar das Buch „Stresstest Deutschland: Wie gut sind wir wirklich?“

Südeuropa befindet sich mitten im Teufelskreis aus rückläufiger Nachfrage und steigender Arbeitslosigkeit. Dies ist vor allem eine Folge der Sparpolitik der letzten Jahre. Wenn die südeuropäischen Staaten an dieser Politik festhalten, ist auch kein Ende der Krise in Sicht.

Erstaunlich, dass dieser simple Zusammenhang in Deutschland nicht verstanden wird. Stattdessen wundert man sich hierzulande, dass die südeuropäischen Länder „trotz größter Sparanstrengungen“ ihre Etatziele regelmäßig verfehlen. Dass diese Ziele nicht trotz, sondern wegen des Sparens verfehlt werden, gerät im öffentlichen Diskurs oft völlig in den Hintergrund.

Enthaltsamkeit statt Sparpolitik

Einiges wäre erreicht, wenn wir uns wenigstens vom Begriff „Sparpolitik“ verabschieden würden. Im Englischen spricht man von „Austerity“ (lateinisch austeritas strenge Enthaltsamkeit). Dieser Begriff wird als „Austerität“ auch in der deutschen Fachliteratur verwendet.

Die Franzosen sprechen gar von einer „Politique de rigueur“ (Politik der Härte/Strenge/Unerbittlichkeit). Sprachlich ein großer Unterschied zum positiv besetzten deutschen Begriff „Sparpolitik“. Unsere Sprache bestimmt unser Denken. Wahrscheinlich würden die Deutschen anders über ihre Mitmenschen in Südeuropa denken, wenn diese nicht gegen „Sparpolitik“, sondern gegen eine „Politik der Härte“ protestieren würden?

Und wenn man schon nicht auf das Wort „Sparen“ verzichten mag: Passender ist in diesem Zusammenhang wohl „Totsparen“.

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33 Kommentare

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  • J
    J_D

    Herr Berger vergisst, dass die Situation erst durch die Überschuldung der Südeuropäischen Staaten zu Stande gekommen ist. Außerdem vergisst Herr Berger auch, dass die Schulden in Form von Zinsen bezahlt werden müssen. Für eine Verschuldung, wie sie Herr Berger vorschlägt müsste also gewährleistet sein, dass das Wechstum in jedem Falle den Wert der anfallenden Zinsen übersteigt. Was leider, insbesondere im Fall von Griechenland, nie wirklich der Fall war.

     

    Von einem Wirtschaftsexperten würde ich eigentlich auch erwarten, dass er diese Zusammenhänge in seine Überlegungen mit einbezieht.

  • F
    Felix

    tja, das kommt bei raus wenn leute über dinge reden die sie nicht verstehen.

    genauso wie es einen unterschied zwischen "billig" und "günstig" gibt, gibt es auch einen unterschied zwischen "sparen" und "sparen".

    das eine sparen ist das mit hirn das ein wenig weh tut unter umständen (das was die schwäbische hausfrau tut) und das was hirnlos ist (was der rest der welt glaubt tun zu müssen wenn man sparen hört wie mir scheint).

     

    sparen 1 wäre man schafft den zweit und drittwagen ab den man nicht mehr zahlen kann und kauft sich statt nem porsche nen vw.

    sparen 2 wäre man behält alle 3 autos und ernährt sich nur noch von trocken brot...

  • W
    wauz

    Geld muss laufen

     

    Es heißt nicht umsonst Geldumlauf. Unser Wirtschaftssystem hat aber keinen Umlauf. Staaten pumpen Geld in die Realwirtschaft, das das über drei Ecken in einer riesigen Kapitalblase landet. Neuerdings pumpen die Staaten sogar direkt Geld in die Kapitalblase. Dummer weise KANN dieses Kapital jederzeit wieder in Geld verwandelt werden, was zur Folge hat, dass der Geldwert mangels adäquater Ware sofort in den Keller geht.

    Was hilft? Ein radikaler Kapitalschnitt. Geldreform. Vom alten zum neuen Euro. Das ist die Enteignung der Bänker, die man wahrscheinlich mit Maschinenpistolen durchsetzen muss. Macht aber nix. Kollateralschaden ist immer.

    Und zukünftig muss der Staat so Steuern erheben, dass das Kapital nicht schneller wächst als die reale Wirtschaftsleistung.

  • A
    Andreas

    @PlatzPatrone: Normalerweise würden die Unternehmen investieren. Und wie machen die das? Richtig mit Schulden! (Denn die Privathaushalte können nicht sparen, wenn keiner sich verschuldet.) Oha

  • M
    Momo

    KORREKTUR meines Kommentares vom 19.11.2012 13:48 Uhr

     

    Es muss selbstverständlich heißen:

     

    "Es gab sogar ein Diktat von Merkel und Sarkozy an die griechische Regierung, Hilfgeldern für Griechenland (tatsächlich jedoch: für die internationalen Banken) nur dann zuzustimmen, wenn die griechischen Rüstungsimporte aus Deutschland und FRANKREICH wie geplant abgewickelt würden.

  • M
    Momo

    @PlatzPatrone__Mir scheint es, Sie haben den Beitrag Jens Bergers inhaltlich nicht verstanden! Die angebliche "Sparpolitik" von Merkel und Co. haben in den südeuropäischen Krisenstaaten doch erst recht eine Verschuldungslawine ausgelöst. Ich verweise auf Albrecht Müllers Beitrag in den NachDenkSeiten:

     

    "Eine Anregung: Übernehmen Sie nicht den Sprachgebrauch und die Legenden der herrschenden Lehre. Beispiel: Sparen, Sparkurs, …"

     

    http://www.nachdenkseiten.de/?p=13482

  • P
    PlatzPatrone

    Es gibt Ökonomen und Blogonomen. Herr Berger gehört zum letzt genannten. Was ist sein Rezept? Schulden!

    Was soll das?

  • A
    Andreas

    @Dosenfutter: Die Südländer müssen weder Sparen noch Schrumpfen. Die müssen nur uns mehr an Waren verkaufen, wir müßten quasi "über unsere Verhältnisse" leben! Dadurch würden sich die Defitzite/ Überschüsse der Leistungsbilanzen ausgleichen!

  • M
    Momo

    @Dosenfutter__... und haben sich "auf Pump" auch bei der deutschen Wirtschaft verschuldet, unter anderem für viele Milliarden schwere Rüstungsimporte. Es gab sogar Diktat von Merkel und Sarkozy, Hilfgeldern für Griechenland (tatsächlich jedoch: für die internationalen Banken) nur dann zuzustimmen, wenn die griechischen Rüstungsimporte aus Deutschland und Griechenland wie geplant abgewickelt würden. Merkels und Sarkozys Spardiktat gegenüber Grichenland galt als ausgerechnet nicht für die Rüstungsausgaben!

     

    2009 verkaufte Krauss-Maffei Wegmann (KMW) 170 moderne Leopard 2-Panzer an Griechenland für 1,72 Milliarden Euro.

     

    Angesichts der Krise 2011 kürzte die griechische Regierung den Etat für Waffenkäufe von geplanten 1,5 Milliarden auf 600 Millionen Euro, erhöhte ihn aber für 2012 wieder auf eine Milliarde Euro.

     

    Griechenland ist traditionell der beste Kunde der deutschen Waffenschmieden. Die Kieler Howaldtswerke-Deutsche Werft konnte sich zwischen 2005 und 2010 über griechische U-Boot-Aufträge im Wert von fast drei Milliarden Euro freuen.

     

    Noch 2010 exportierte Deutschland U-Boote und Panzerhaubitzen im Wert von über 400 Millionen Euro in das Land.

  • C
    CitizenK

    Die Griechen haben jahrelang auf Pump Waffen aus Deutschland gekauft, vor allem U-Boote. Von Kritik daran aus deutschen Regierungs- oder Wirtschaftskreisen ist nichts bekannt, Selbstkritik schon gar nicht. Hat ja deutsche Arbeitsplätze gesichert, auf die man jetzt so stolz ist.

     

    Jetzt lässt man die Griechen auch noch mit dem Problem der Flüchtlinge aus Asien und Afrika allein.

     

    Aber man schwingt die moralische Keule.

  • T
    thinkhard

    Wunderbar, Herr Berger,

    Diesen Beitrag sollte man an die X-Millionen Haushalte per Brief versenden, damit der deutsche Michel endlich kapiert, das die derzeitige Austeritätspolitik von Madame Merkel und Troika gegenüber den europäischen Südländern destruktiv ist, d.h. die Volkswirtschaften dieser Länder ruiniert.

    Und die Folgen dieser Politik wird auch immer mehr sichtbar am Rückgang deutscher Exporte, denn mehr als die Hälfte aller deutschen Ausfuhren gehen in den EU-Raum.

  • M
    MaWo

    Dann "sparen" wir uns mal nicht mehr tot:

    Ein Arbeitnehmer mit 1.000 EURO/Monat spart nicht mehr und gibt den Betrag zu 100% aus.

    Frau Merkel, Herr Ackermann (& Co) geben ihr Einkommen enfalls zu 100% aus?!

    Hoppla!

    Ironie AUS.

  • D
    Dosenfutter

    Die Griechen habe Jahre auf Pump gelebt. Kredite flossen in Stömen. Nun gibt es keine Kredite mehr, die WIrtschaft muss sich nun gesundschrumpfen. Was ist da so schwer zu verstehen?

  • M
    Momo

    @Matthias Süß__Sie schreiben: "Was im Artikel natürlich verschwiegen wird: Die Südstaaten inklusive Frankreich sind in der Situation, nicht nur, weil die Staaten hoch verschuldet sind (das ist Deutschland mit mehr als 2 Billionen auch), sondern weil die Wirtschaft nicht wettbewerbsfähig ist."

     

    Was Sie, lieber Herr Süß, uns verschweigen, ist die Ursache für die nicht mehr vorhandene preisliche Wettbewerbsfähigkeit der französischen Wirtschaft: Das seit Mitte der 90er Jahre von Deutschland betriebene Lohn-, Sozial- und Unternehmenssteuerdumping. Seit dem Jahre 1999 (dem Jahr der Fixierung der Euro-Umtauschkurse der einstmals eigenständigen europäischen Währungen) hat sich hierdurch die preisliche Wettbewerbsfähigkeit Frankreichs gegenüber Deutschland um ca. 20 Prozent verschlechtert! Und dies, obwohl Frankreichs Lohnstückkostenentwicklung sich seit 1999 exakt an der Zielinflationsrate der EZB (die von den Eurozonenstaaten weder über- noch unterschritten werden soll) orientiert hat. Deutschlands Dumpingpolitik hat nicht nur in Deutschland gravierende Schäden verursacht (Stichworte: massive Ausweitung des Niedriglohnsektors, drastische Verschlechterung der Arbeitsplatzqualität, deutliche Zunahme bei der Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen, drastische Zunahme der Altersarmut in den kommenden Jahren und Jahrzehnten), sondern trägt auch maßgebliche Verantwortung für die ökonomischen Schieflagen innerhalb der Eurozone!

  • EW
    Eva Willig

    Ich bin ein eher schlichtes Gemüt und meine, dass Mikroökonomie wichtiger als Makroökonomie ist. Um mein Nichteinverständnis mit der Austeritätspolitik zu zeigen und minimal Solidarität mit den gebeutelten Griechen zu üben, war ich im Mai 12 hingefahren. Dies hatte ich mir auch für nächstes Jahr vorgenommen.Aber ich weiß nicht, ob ich mir das leisten kann. Die Reise würde 300€ mehr als in diesem Jahr kosten. D.h. die Tourismusindustrie hat über Nacht Griechenland zu einem Luxusgebiet erklärt. Wurde in den letzten Jahren schon durch deutsche Reiseveranstalter die Saison in Griechenland künstlich um 5 Wochen verkürzt und dieses Jahr z. B. auf der kleinen Insel Zakynthos von Air Berlin wöchentlich 10 Flüge eingespart, geht das im nächsten Jahr munter so weiter. Man kann auch von außen ein tourismusorientiertes Land aushungern.

  • BJ
    Banana Joe

    Es ist schön zu lesen, dass es noch Autoren gibt, die den Unterschied zwischen Volks- und Betriebeswirtschaft kennen und erklären können und in der Folge den sprachlichen Deckmantel des Begriffs "Sparen" aufdecken.

     

    So ist die Schlussfolgerung des Autors nachvollziehbar...

     

    "...dass diese Ziele nicht trotz, sondern wegen des Sparens verfehlt werden, gerät im öffentlichen Diskurs oft völlig in den Hintergrund..."

     

    Weil Sprache unser Denken bestimmt, ist es nicht verwunderlich, dass den wenigsten diese Erkenntnis -aufgrund der sprachlichen Verschleierung- verborgen bleibt.

  • RL
    Rudolf Lothar

    "Erstaunlich, dass dieser simple Zusammenhang in Deutschland nicht verstanden wird."

     

    Dieser Zusammenhang ist dermaßen simpel, dass ich es für ausgesprochen unwahrscheinlich, dass er von den Studierten der Politik nicht verstanden wird. Die eigentliche Frage ist, was TATSÄCHLICH erreicht werden soll. Ich sehe hier eher folgende Enwicklung:

     

    Eine Unterwanderung der Demokratie durch die Wirtschaft mit Hilfe von Manipulation der Bevölkerung durch die kontrollierten Medien.

     

    Die Gläubiger diktieren die Regeln.

     

    Allerdings denke ich nicht, dass dahinter eine verschwörungsähnliche Kontrolle steht, sondern viele Einzelaktionen, die den eigenen wirtschaftlichen Vorteil im Sinn haben nach den Regeln des Marktes.

     

    Der Markt muss wieder demokratietauglicher gestaltet werden.

  • A
    anke

    @Tim Leuther:

    Sag ich ja: Vergleiche sind Glücksache: Man weiß nie, mit wem man es nachher zu tun bekommt.

     

    Tut mir herzlich leid, wenn ich irgend jemandem zu nahe getreten sein sollte. Meine Betonung im ersten Kommentar lag beim Schreiben auf "Härte", nicht auf "Mann". Und im zweiten hatte ich sie auf "Luxus", "Nötigstes", "(un-)übersichtlich", "selbst bedienen" und "Verschwendung" gelegt, nicht auf "(Haus-)Frau". Aber mir ist natürlich klar, dass den "Ton" nur der bemerken konnte, der nicht hoffnungslos fixiert ist auf angebliche Geschlechterkriege. Und zwar so sehr, dass er überhaupt nichts mehr komisch findet an der Lage der Dinge. Solchen Leuten allerdings hilft es auch nicht, wenn sie die Witze nicht nur erklärt sondern auch gezeichnet kriegen. Nichts für Ungut also, Tim, Sie waren einfach nicht "Zielgruppe".

  • FS
    Frank Sichau

    Bei der klar und nachvollziehbar dargelegten Situation sollten auch die Begriffe klar sein: Es geht um Austeritätspolitik, einen Austeritätskurs, dessen gesellschaftlich verheerende Wirkungen schon seit ca. 80 Jahren erforscht sind!

    Sprachlich amüsant würde das Ganze bei dem Begriff "Austeritätsbemühungen" ....

     

    Sparen sieht grundlegend anders aus und sollte nicht mit Kürzen / "Einsparen" verwechselt werden. Hier wären dann auch mal die Sprachwissenschaftler gefragt, inwieweit "sparen" nicht ein gezielt eingesetzer Euphemismus ist, weil Sprache eben doch nicht so wertfrei ist, wie manche darlegen - frei nach dem ironischen Beispiel von Dietrich Kittner (?): "Deutsche Eiche - Neeger." (De Ennst Neescher (+) war nicht gemeint.)

  • MS
    Matthias Süß

    Was im Artikel natürlich verschwiegen wird: Die Südstaaten inklusive Frankreich sind in der Situation, nicht nur, weil die Staaten hoch verschuldet sind (das ist Deutschland mit mehr als 2 Billionen auch), sondern weil die Wirtschaft nicht wettbewerbsfähig ist. Die Transfers würden in unnatürliche Einkommenserhöhungen gesteckt (in Griechenland 35 Prozent Einkommenszuwachs zwischen 2002 und 2008) und nicht in die Verbesserung der Infrastruktur oder Bildung.

    Die Südstaaten haben drei Optionen:

    1. Den Norden erpressen, um eine dauerhafte Transferunion einzurichten

    2. Eine Sparorgie, die deutlich über dem liegen müsste, was aktuell passiert

    3. Die Nordstaaten treten aus dem Euro aus, damit die verbliebenen Staaten die Schulden + Löhne inflationieren können.

    Der Lösungsweg 3 wäre der sanfteste für alle Beteiligten und auch der sozialste für die Bürger. Was wir bekommen werden ist aber wahrscheinlich die schlechteste Lösung: Eine Mischung aus 1 und 2.

  • F
    friedrich

    Der Autor Jens Berger hat hier sehr

    gut die derzeitige Sprachverwirrung

    innerhalb Europas vor Augen geführt.

    Wer weiß, wie der Diskussionstil beeinflusst

    worden wäre, wenn man früher die innereuropäische

    Begriffsemotionalisierung verstanden hätte.

    Ich bin mir sicher, dass die meisten Bundesbürger

    den Begriff des "austerity" nicht richtig

    interpretieren konnten.

    Bezüglich der Zusammenhänge haben sie teilweise

    natürlich nicht Recht.

    Ich glaube zur Beseitigung der Schuldenspirale

    gehört dann und wann aber auch ein

    Forderungsverzicht z.B. der Bundesbank, um endlich

    den Zyklus aus steigenden Zinsen und

    staatlichen Investitionsverzicht, politische

    und soziale Instabilität zu beseitigen.

    Deutschland braucht Südeuropa!

    Nur die reichen Chinesen und Amerikaner

    können sich autoritäre Regime in Europa

    leisten und versuchen ja auch tatkräftig

    Gewerkschaften und Demokratie weltweit zu bekämpfen.

    Wer für Europa ist, muss einen Forderungsverzicht

    der Bundesbank wollen und ESM, ESEF und die

    EU-Kommissare abschaffen!

    Die Menschen und nicht die EU sind das Maß aller Dinge!

  • TL
    Tim Leuther

    @anke

    Klar Frauen in Führungspositionen sind besonders mitfühlend. Schon vergessen Merkel ist eine Frau.

     

    Thatcher war es auch.

     

    Was sie hier verbreiten sind negative Vorurteile gegen Männer, welche durch keinerlei Fakten hinterlegt sind.

  • A
    anke

    Nein, ein Staat ist keine schwäbische Hausfrau. Die schwäbische Hausfrau nämlich spart sich jeden Luxus, so lange das Nötigste nicht beschafft werden kann. Kapitalistische Staaten tun genau das Gegenteil. Sie beschaffen so lange Luxusgüter, bis es nicht mehr fürs Nötigste langt.

     

    Woran liegt das? Ganz einfach: Schwäbische und andere Hausfrauen stehen einer vergleichsweise übersichtlichen Familie vor. Mit dieser Familie zusammen leben sie entweder komfortabel oder aber nicht. Staaten hingegen sind recht unübersichtliche Gebilde. Einzelne Menschen können sich da ziemlich leicht und ziemlich lange selbst bedienen, ohne dass die Folgen sofort für jeden spürbar sind. Wenn die Verschwendung dann auffällt, ist es fast immer zu spät.

     

    Merke: Vergleiche sind Glücksache – so lange jedenfalls, wie der, der sie verwendet, nicht begreift, wovon eigentlich die Rede ist.

  • T
    Timchen

    so einfach, so klar. Danke, Jens Berger.

  • AH
    A. Helmut Fickenwirth

    Wirtschaftskrisen sind unvermeidlicher Teil eines kapitalistischen Wirtschaftssystems. Altbekannt, aber da das System heilig ist, wird das ignoriert. Genau wie damals in den sozialistischen Laendern. Heilig heilig heilig ist das System. Wie es war im Anfang so auch in Ewigkeit - Amen.

     

    Bis dann die Schose einmal zusammenbricht. Und das wird so sicher kommen wie das Amen in der Kirche.

  • H
    Humankapital

    Danke, für diese Einführung in die Gedankenwelt von Keynes. Dabei muss natürlich gesagt werden, dass dies für unser System des Kapitalismus gilt und nur für die Vermeidung von Kriesen durch falsche Sparpolitik im Abschwung zutrifft. Die heutige Krise wurde jedoch nicht durch dies ausgelöst, sondern durch das Versagen des Marktes.

  • K
    Klaus-Otto

    Der "Wirtschaftsexperte" Jens Berger bringt hier etwas durcheinander, wenn er sagt: "Wenn niemand Schulden macht, kann also auch niemand sparen."

     

    Mit "sparen" in den südeuropäischen Ländern ist doch nicht gemeint, dass z. B. die Griechen jetzt alle ein Sparbuch anlegen sollen, sondern dass sie endlich mit dem weiteren Schuldenmachen aufhören.

     

    Schulden machen ist für Volkswirtschaften nur erlaubt, um damit produktive Investitionen zu machen, um dann die Schulden samt Zinsen irgendwann zurückzahlen zu können. Schulden rein zu Konsumzwecken (z. B. üppige Wahlgeschenke zwecks Machterhalt der jeweils regierenden Parteien) sind verboten, denn sie wachsen endlos weiter ohne jede Aussicht auf Tilgung. Nur hält sich leider niemand an solche Verbote, und das führt dann zwangsläufig zur Insolvenz.

  • U
    Unsinn

    Die überschrift sugerriert etwas völlig anderes als das was drin steht und das was drin steht ist volkommen falsch!!!

  • B
    Bochumer

    Wenn die Sachen so einfach wären, dann hätten die Südeuropa ja ein wahres Wirtschaftswunder erleben müssen. Denn die Schulden sollen ja ein Motor für die Wirtschaft sein...

    ... die Realität ist vermutlich komplizierter. Es kommt sowohl beim Schuldenmachen wie auch beim Sparen darauf, wie man das macht. Niemand braucht zum Beispiel subventinierte Billiglinien-Flughäfen. Aber jeder ein Dach über den Kopf.

    Somit muss halt über die einzelnen Maßnahmen genau sprechen und Abwägen. Daran hapert es, weil sich bestimmt Leute durch die Politik ihre Pfründe sichern. Große Vermögen besteuern und Steueroasen dichtmachen, dass wäre ein Anfang. Das mit den Steueroasen ist durchaus weniger schwierig, als gedacht. Die vielen Milliarden werden ja elektronisch bewegt und nicht unter der Kleidung geschmuggelt. Auch der Ankauf von SteuerCDs hat sich ja bewährt.

    Zusätzlich müssen die Staaten aber weniger Geld für unnütze Sachen ausgeben. Das griechische kennt zum Beispiel ein Wort für "Beamte", die Geld bekommen aber nie auf der Arbeit erscheinen. Das kann ja nicht ernsthaft so bleiben, sonst kommen ist die Schuldenproblematik nicht lösbar.

  • UP
    Ute Plass

    "Der Staat ist keine schwäbische Hausfrau", denn wäre er eine, gäbe es keine sog. Finanz- Wirtschaftskrise!!!

  • N
    noname

    Wie wär's einfach mit "Kürzen"?

    Der Staat legt ja nichts zur Seite, sondern kürzt Leistungen.

  • A
    anke

    Ich fürchte, an der Mitleidlosigkeit der Deutschen würde sich selbst dann nichts ändern, wenn künftig nicht mehr von einer "Sparpolitik" die Rede wäre, sondern von einer "Politik der Härte". Genau 98% der Chefsessel in Medienunternehmen sind männlich besetzt, habe ich heute gelernt. Dass "Härte" in absehbarer Zeit ein Schimpfwort wird in diesem Land, ist also nicht zu erwarten. Auch dann nicht, wenn demnächst 30% aller Chefs Frauen sein sollten.

  • TL
    Tim Leuther

    Aber wenn niemanden dem Staat Geld leiht?

     

    Das Problem Südeuropas sind letztendlich die Leistungsbilanzdefizite. So lange die Bestehen, müssen die durch Geldimporte/ durch Verschuldung nach außen gefüllt werden. Ob nun in Staatsverschuldung (Griechenland) oder private Verschuldung (Spanien) ist am ende zweitrangig.

     

    Der Teufelskreis der Leistungsbilanzdefizite ist in Südeuropa beinahe gestoppt. In Griechenland ist er auf ein Zehntel zusammengeschrumpft. 2012 könnte Griechenland ein Leistungsbilanzüberschuss bekommen. Natürlich hatte das einen Preis. Das was sich Griechenland in 15 Jahren an Lestungsbilanzdefizit angefuttert hat musste schlagartig abgegeben werden. Das ist brutal.

     

    Eine Wirtschaft die auf Import-Konsum aufgebaut ist hat ein BIP das eine zu hohe Leistungskraft ausdrückt. Rückt man von diesem Modell ab, verliert man natürlich einiges.

     

    Wachstum ist eben nicht gleich Wachstum. Und das Wachstum was Südeuropa in der Vergangenheit hatte beruht oft auf Konsum auf pump. Das zu lassen führt zu Negativwachstum / Rezession. Trotzdem kann es teil der Gesundung sein.

     

    PS: Die so oft gelobte Türkei wird das auch demnächt erfahren können. Deren Leistungsbilanzdefizit ist nähmlich auch negativ. Und zwar in extremen maße.