Homosexuelle Adoptiveltern: „Genauso gute Eltern“

Klare Tendenz: Das Adoptionsrecht für Schwule und Lesben muss ausgeweitet werden. Kinder könnten Sicherheit, Unterhalts- und Erbansprüche gewinnen.

Schön wär's, das gleiche Recht bei Adoptionen. Bald vielleicht Realität. Bild: dapd

KARLSRUHE taz | Selten gab es am Bundesverfassungsgericht so viel Einigkeit zwischen Klägern, fast allen Sachverständigen und auch den Richtern. Das Urteil wurde bei der Verhandlung am Dienstag zwar noch nicht verkündet, aber die Tendenz war mit Händen zu greifen: Das Adoptionsrecht von eingetragenen homosexuellen Partnerschaften muss ausgeweitet werden.

Derzeit können Schwule und Lesben nur in zwei Konstellationen Kinder adoptieren: Als Einzelpersonen können sie schon immer ein fremdes Kind annehmen. Seit 2005 gibt es zusätzlich die sogenannte Stiefkindadoption. Hier bringt einer der Partner ein leibliches Kind in die Beziehung ein und der andere Partner adoptiert es dann.

Verboten sind derzeit aber zwei andere Konstellationen: Homosexuelle Partner können nicht gemeinsam ein fremdes Kind adoptieren. Auch die sogenannte Zweitadoption ist nicht möglich, bei der erst ein Partner als Einzelperson das fremde Kind annimmt und anschließend der andere Partner zusätzlich adoptiert.

Im Jahr 2000 beschloss die rot-grüne Koalition, dass Homosexuelle eine eingetragene Partnerschaft eingehen können. Solche Paare können seitdem zum Beispiel einen gemeinsamen Namen tragen, vor Gericht das Zeugnis verweigern und sich im Todesfall wie Ehegatten beerben. Außerdem sind die Partner gegenseitig zum Unterhalt verpflichtet.

Gegen das Gesetz klagten die Länder Bayern, Thüringen und Sachsen. Doch das Bundesverfassungsgericht lehnte die Klage 2002 ab.

2005 besserte Rot-Grün das Gesetz nach und führte unter anderem die Möglichkeit zur Stiefkindadoption (siehe Text) ein.

Seit 2009 fordert das Bundesverfassungsgericht eine weitergehende Angleichung der eingetragenen Partnerschaft an die Ehe, zum Beispiel bei der Erbschaftssteuer und im Beamtenrecht.

Heute gibt es noch zwei große Nachteile zur Ehe: Homopartner bekommen bei der Einkommenssteuer keine Splittingvorteile, außerdem sind ihnen manche Formen der Adoption verwehrt. (chr)

Um diese Zweitadoption, auch Sukzessivadoption genannt, ging es jetzt in zwei Fällen in Karlsruhe. Der erste Fall spielt in Münster. Eine lesbische 58-jährige Innenarchitektin hatte vor rund neun Jahren in Bulgarien ein Mädchen adoptiert, das inzwischen 13 Jahre alt ist. Die Architektin lebt schon seit zwanzig Jahren mit ihrer Freundin zusammen, einer heute 53-jährigen Ärztin. Diese würde das Mädchen gerne auch adoptieren, darf aber nicht.

Das Oberlandesgericht Hamm verteidigte die geltende Rechtslage: Der Schutz des Kindes sei „am ehesten in einer aus Vater, Mutter und Kind bestehenden Familie gewährleistet“. Die Ärztin erhob Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil und die Gesetzeslage.

Kein Grund zur Diskriminierung

Ähnlich ist der zweite Fall aus Hamburg. Hier geht es jedoch um ein schwules Paar. Ein Partner hat vor 12 Jahren ein neugeborenes Kind aus Rumänien adoptiert. Sein Partner würde gerne auch Vater sein, darf aber nicht. In Hamburg zweifelt auch das dortige Oberlandesgericht an der Gesetzeslage und legte diese dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vor. Die Diskriminierung sei nicht gerechtfertigt.

Faktische Unterstützung gab es in Karlsruhe von Birgit Grundmann, Staatssekretärin im Justizministerium. „Gleichgeschlechtliche Partner sind genauso gute Eltern“, sagte sie unter Berufung auf eine Studie ihres Ministeriums. Die Entwicklung von Kindern sei in solchen Familien genauso gut. In der Regel erlebten die Kinder keine Stigmatisierung, und wenn doch, könnten die Eltern sie gut auffangen.

Michael Coester vom Familiengerichtstag wies darauf hin, dass die Kinder in beiden Fällen schon seit Jahren in den Familien mit zwei Müttern oder zwei Vätern lebten. Sie könnten durch eine zusätzliche Adoption des anderen Elternteils nur gewinnen: Sicherheit, Unterhalts- und Erbansprüche.

Auch gegen eine eventuelle Hänselei in der Schule helfe es nicht, wenn das zweite Elternteil kein Adoptionsrecht habe. „Gesellschaftliche Diskriminierung darf nicht auch noch Anlass für rechtliche Diskriminierung sein“, warnte Marion von zur Gathen vom Paritätischen Wohlfahrtsverband. Die psychologischen Sachverständigen Sonja Schwarz und Anja Kannegießer wiesen darauf hin, dass es für die Erziehung von Kindern nicht gut sei, wenn die sozialen Eltern nicht gleichberechtigt sind.

„Du hast mir gar nichts zu sagen“, könne ein pubertierendes Kind dann dem Elternteil entgegenhalten, das rechtlich nur die Partnerin der Mutter ist. Auch im Fall einer Trennung der Homopartnerschaft könne es Probleme geben, betonte Thomas Meysen vom Deutschen Institut für Jugendhilfe und Familienrecht. „Nur wenn beide Partner das Sorgerecht haben, kann das Familiengericht anhand des Kindeswohls prüfen, bei wem das Kind künftig leben soll.“

Angst vor einer konservativen Kampagne

Nach derzeitiger Rechtslage komme das Kind automatisch zu dem Elternteil, der es adoptiert hat. Der Grünen-Abgeordnete Volker Beck berichtete aus der Praxis der Gesetzgebung. Es habe keine sachlichen, sondern nur politische Gründe gehabt, dass 2004 nur die Stiefkindadoption beschlossen wurde, nicht aber auch die Zweitadoption: „Unser Koalitionspartner, die SPD, hatte Angst vor einer konservativen Kampagne, wenn Homosexuellen ein zu großzügiges Adoptionsrecht gewährt wird.“ Nun müsse leider wieder das Bundesverfassungsgericht bei der Gleichstellung nachhelfen.

Die Richter, auch der konservative Senatsvorsitzende Ferdinand Kirchhoff, zeigten sich dazu gerne bereit. Als einer von zehn Sachverständigen, Klaus Zeh vom Deutschen Familienverband, die geltende Rechtslage verteidigte, versuchten gleich mehrere Richter, ihn von deren Mängeln zu überzeugen.

Das Urteil wird vermutlich nur das Verbot der Zweitadoption beanstanden. Das Verbot der gemeinsamen homosexuellen Adoption wird dann aber auch nicht mehr lange zu halten sein.

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