Gefahrengebiet in Hamburg: Guerilla-Kritik im Internet
Die Kritik am umstrittenen Gefahrengebiet in Hamburgs Innenstadt findet zurzeit besonders im Netz statt. Und ist dabei vor allem: kreativ, zynisch und satirisch.
BERLIN taz | „Sozialistische Literatur, Panzertape, Reizunterwäsche und in kleine Tütchen abgepackte getrocknete Petersilie“. Dies waren die Waffen einer Guerilla-Aktion zweier junger Frauen, wie eine Beteiligte in ihrem „Erfahrungsbericht einer Spaziergängerin im Gefahrengebiet“ in einem Blogartikel schreibt. Verhüllt mit einem schwarzen Tuch („wegen des Winters“) spazierten sie durch die gefährliche Zone, bevor sie schließlich festgenommen wurden.
Ob die Geschichte die Realität abbildet oder erfunden ist, ist dabei gar nicht so relevant, denn die Unterwanderung des polizeilichen Wahrnehmungsrasters, erzielte auch auf fiktiver Ebene bereits breite Reaktionen. Während Blogs wie Nerdcore rebloggten, wird fleißig über den Sinn und Unsinn der Aktion diskutiert. Die zynisch bis skeptischen Kommentare reichen dabei von „ein Schlag in die Fresse von Leuten, die tatsächlich für ihre Überzeugung auf die Straße gehen", bis zu „in 2 Jahren wirst du wahrscheinlich für solchen groben Unfug erschossen".
Der in Blogs, auf Twitter und in Songs verhandelte Diskurs um die umstrittene Gefahrenzone in Hamburg, mit der die Polizei seit Sonntag in Altona, St. Pauli und der Sternschanze verdachtsunabhängige Personenkontrollen durchführt, ist reger denn je. Die agile Blog- und Twittercommunity ist auch ein Hinweis darauf, dass sich politisch Aktive zunehmend nicht mehr angemessen von etablierten Medien repräsentiert fühlen.
Auf der visuellen Ebene bedient man sich vor allem der grafischen Subversion. So zeigt der Blog Urbanshit die besten Mashups der allgegenwärtigen Gefahrengebietskarte. Highlights sind der von Einschüssen durchlöcherte Google-Maps-Screenshot von Texas und der empört drein blickende Junge im St. Pauli T-Shirt, der genüsslich seinen Mittelfinger ausstreckt.
Das Onlinemagazin HH Mittendrin sammelt satirische Tweets. Zu sehen ist etwa eine Comic-Szene aus „König der Löwen", in welcher der Vaterlöwe mit seinem Sohn am Abgrund einer Schlucht sitzt, in die Ferne schauet und sagt: "Siehst Du Simba., dort hinten liegt die Gefahrenzone von #Hamburg. Dort darfst Du niemals hingehen." Dass sich die beißende Absurdität der Realität wie zurzeit in Hamburgs Innenstadt sich manchmal eher so als in Form nüchterner Berichte erschließt, zeigt ein Text im Satireblog Spiegelfechter.
Dort wurde jüngst die Hamburger Davidwache zur Gefahrenzone erklärt: „Bis auf Weiteres dürfen Zivilisten in der Davidwache Personen- und Zimmerdurchsuchungen durchführen, wenn ihnen ein Polizeibeamter nicht ganz geheuer vorkommt. Für bisher 90 Polizeibeamte führten die Kontrollen durch Zivilpersonen zu Aufenthaltsverboten in der Wache, sie streunen nun inkognito durch Hamburgs Straßen und Gassen. Acht Beamte erhielten Platzverweise."
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