piwik no script img

Eskalation am Hambacher ForstWachschützer überfahren Aktivisten

Schockstimmung bei den Baumschützern rund um den Braunkohletagebau. Der Energiekonzern RWE klagt über eine „neue Stufe der Gewalt“.

So sah es 2012 bei einer Protestaktion im Hambacher Forst aus. Foto: dpa

BERLIN taz | Bei Auseinandersetzungen wegen der Rodungen rund um den RWE-Braunkohletagebau Hambacher Forst hat es am Donnerstag mindestens neun Verletzte gegeben. Während RWE von einer neuen Stufe der Gewalt“ seitens der Aktivisten sprach, beklagen die Baumschützer „eine immer stärkere Zuspitzung des Konfliktes um den Kohleabbau im Rheinland“.

Seit mehr als drei Jahren kämpfen die Braunkohle-Gegner gegen die Ausbreitung des Tagebaus zwischen dem Rhein-Erft-Kreis und Düren westlich von Köln. Immer wieder kommt es dabei zu Besetzungen von Teilen des Forstes und der Bagger. Am Donnerstag eskalierte die Auseinandersetzung offenbar, als ein von Sicherheitsleuten begleitetes Rodungsteam auf Aktivisten stieß.

„Aus dem Weg, ich fahr Sie um!“, soll der Fahrer eines Autos des Wachsschutzes gerufen haben, bevor er aufs Gas drückte – und zwei Aktivisten überfuhr. Das erzählt Katja Schäfer, Sprecherin der Braunkohlegegner aus dem Hambacher Forst – und verweist auf ein Handy-Video, das die Aktion angeblich zeigt.

„Die Stimmung ist geschockt“, meint Schäfer. Der Grund: Die Aggressivität des Wachdienstes. Sie berichtet von Auseinandersetzungen zwischen Aktivisten und Wachdienst, bei denen „Steine und Stöcke auf beiden Seiten flogen“. Die Bilanz auf Seiten der Aktivisten: vier Verletzte, einer davon durch den Autoaufprall angeblich schwerer. Er befand sich laut Braunkohlegegnern am Freitag noch in Polizeigewahrsam. Ihm werde Haus- und Landfriedensbruch vorgeworfen.

„Brutaler Angriff von Aktivisten“

Über einen „brutalen Angriff von Aktivisten auf Mitarbeiter von RWE-Partnerfirmen"“ klagt dagegen der Energiekonzern. Angeblich sollen „30 Vermummte in Tarnkleidung“ laut einem Unternehmenssprecher „mit Messern, Steinen, Zwillen und Wurfgeschossen“ Baumfäller und Sicherheitsteam angegriffen haben. Dabei soll es wegen Wurfgeschossen und Reizgas auf RWE-Seite fünf leicht Verletzte gegeben haben. Mehrere Dienstfahrzeuge wurden laut RWE beschädigt, zudem zeigt das Unternehmen Fotos, auf denen eine angeblich von den Aktivisten in Brand gesetzte Pumpstation zu sehen ist.

Die Auseinandersetzung steht im Zusammenhang mit der Ausweitung der Rodungsarbeiten im Hambacher Forst. Deshalb haben die Aktivisten auch ab Montag eine „Aktionswoche“ angekündigt. Was geplant ist, will Sprecherin Katja Schäfer nicht sagen. Sie sagt nur: „Überraschung!“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • Braunkohle ist ökologisch und ökonomisch ein derartiger Unsinn, daß man ganz grundsätzlich jenen dankbar sein sollte, die das zu verhindern versuchen.

     

    Dennoch mußte ich beim Satz "[Die Sprecherin der Aktivisten] berichtet von Auseinandersetzungen zwischen Aktivisten und Wachdienst, bei denen „Steine und Stöcke auf beiden Seiten flogen“." grinsen - da hört man irgendwie ein "das dürfen die anderen doch gar nicht!" heraus.

  • Das sieht ja aus wie versuchter Mord an Umweltaktivisten. M.E. gehört so etwas Brisantes auf die Titelseite der Printausgabe, u.a. auch um die Aktivisten durch Öffentlichkeit zu schützen.

    Ein völlig enthemmt und ungebremst agierender Werkschutz kann Fürchterliches anrichten. Die Staatsanwaltschaft sollte wegen dieser Tat ermitteln. Und mögliche schützende Hände in und hinter der RWE sollten die potentiellen Täter preisgeben.

  • Hammbacher Forst.

    So sehr ich mit den Anliegen übereinstimme, so sehr frage ich mich, inwieweit die Mittel gerechtfertigt sind.

     

    (Mich möge bitte niemand für blöd verkaufen, ich bin zu alt und kenne Szene wie Begebenheiten gut genug, als dass ich unkritisch die Opferrolle akzeptieren könnte.)

     

    Einige Aktivisten im Forst, ich weiß um die wechselnden Besetzungen, wandten leider Mittel an, die absolut nicht akzeptabel sind. Wenn Menschen durch Fallen oder Tätlichkeiten schwer verletzt und gar Handgranaten gefunden werden, verbietet sich mir jedwede Solidarität.

     

    Der Zweck heiligt eben nicht die Mittel. Zeit wird's, das mal wieder in den Vordergrund zu rücken!

    • @Frank Reich:

      Woher nehmen Sie die Handgranate?

       

      Sie konstruieren sich was zusammen um damit 'Mittel zu heiligen'?

       

      "Das kommt von sowas!" - "Da war nix." - "EGAL.. KOMMT DAVON!"

    • 2G
      27741 (Profil gelöscht)
      @Frank Reich:

      Dann rücken sie bitte auch in den Vordergrund, wie viel Menschenleben der Kapitalismus schon auf dem Gewissen hat. Das wird überhaupt nicht thematisiert.

      • @27741 (Profil gelöscht):

        Das wird nirgendwo thematisiert. Vor allem nicht, wie viele Leben und Zukunft er noch kosten wird.

      • @27741 (Profil gelöscht):

        @Pluto

        Das Heisst, Sie stellen sich auf dieselbe Stufe wie die von Ihnen kritisierten Kapitalisten? In wiefern sind Sie dann besser?

        • @Martin74:

          Und im Sozialismus/Kommunismus gab und gibt es selbstverständlich keinen Kohletagebau.

          Und damit hat er auch keine Menschenleben auf dem Gewissen.

           

          Lach.

  • [...] Beitrag entfernt. Aufrufe zu Gewalt sind zu unterlassen! Siehe Netiquette. Die Moderation

  • 2G
    27741 (Profil gelöscht)

    Unerhörter Vorgang. Ich fordere die sofortige Inhaftierung des Wachschutzes für die Dauer von zwei Jahren.

    • @27741 (Profil gelöscht):

      Hey Pluto, so geht das nur in Nordkorea!