Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Kein ordentlicher Lohn für Kirchenangestellte, keine Zinsen für Sparer, kein Kampf am 1. Mai, dafür gut bezahlte Jobs in Bayern.
taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?
Friedrich Küppersbusch: Nachrüstungs-Schmidt und Agenda-Schröder finden Steinbrück gut.
Und was wird besser in dieser?
Der niedliche SPD-Bengalo Schmidt und Gerd, der joviale Biertrinker, finden Steinbrück gut.
Am 1. Mai ist diesmal so wenig passiert wie nie zuvor. Haben Sie sich gefreut oder gelangweilt?
Wer in der ersten Maiwoche mit, sagen wir mal, einem „Dossier“ in der Zeit gewürdigt werden möchte, sollte das Gemeinwohl um ein paar Millionen betrügen. Wer hingegen Nazis daran hindert, wie 2009 die Maikundgebung anzugreifen, wird zumindest in Dortmund zuverlässig mit Reizgas und Festnahme versorgt. Wir spielten Federball im Garten und versuchten dabei, an den Rotorgeräuschen die Hubschrauber über der Stadt zu zählen. Das Bedürfnis, „Masse“ zu sein, ist aus der Mode. Das muss keine Verschlechterung sein. Und die Gewerkschaft konzentriert sich darauf, die zu organisieren, die weder arbeitslos noch prekär noch wegen ihrer Herkunft benachteiligt sind oder als Konsumenten verarscht werden. Kurz: Das Potenzial, diese Gesellschaft in Gärung zu bringen, kann man überall zuverlässiger finden als am 1. Mai bei den Getreuen hinter der DGB-Fahne.
Parallel zum 1. Mai fand in Hamburg der 34. Evangelische Kirchentag statt. Nun sind Kirche und Diakonie nicht gerade für gute Lohnpolitik und Arbeitsbedingungen bekannt. Alles im Sinne der Nächstenliebe?
Das Grundgesetz übernimmt unter Artikel 140 fünf Kirchenartikel aus der Weimarer Verfassung von 1919. Die gute Million ArbeitnehmerInnen bei Caritas und Diakonie können also den Kirchentag 2019 unter das Motto „Hundert Jahre Zweite Liga“ stellen. Verdi-Chef Bsirske erklärte als Gastredner, an seiner Verfassungsklage für das Streikrecht im Kirchenjob festzuhalten. Der ist so niedlich.
„Die Lage am Arbeitsmarkt ist schlecht“, findet EZB-Präsident Mario Draghi. Darum soll da jetzt Geld reingesteckt werden. Der Leitzins der EZB wurde auf ein Rekordtief von 0,5 Prozent gesenkt. Aber wem genau ist damit eigentlich geholfen?
Ich versteh es nicht. Sicher ist, dass Sparer keine Zinsen bekommen und private Schuldner fetteste Zinsen bezahlen. Der Schritt bedeutet, dass Banken sich billiger Geld besorgen und also am Verleih der Kohle mehr verdienen. Das ist eine originelle Antwort auf die Frage, wie zum Teufel man die Überschuldung der Staaten, der Wirtschaft, der Banken mindern soll. Deutschland könnte höhere Zinsen gebrauchen – in Südeuropa hat man dagegen früher gern Schulden von etwas Inflation anknabbern lassen. Die schießen mit Schrot, weil sie nicht wissen, wohin eine Kugel sollte.
Viele CSU-Abgeordnete in Bayern haben ihren Frauen und Töchtern aus Steuermitteln bezahlte Jobs verschafft. Nach dem ganzen Betreuungsgeld-Unsinn endlich mal eine moderne Frauenförderung?
1995 wurde die niedersächsische Umweltministerin Monika Griefahn beurlaubt, weil sie sich für ein Ökokonzept ihres Gatten zur Expo starkgemacht hatte. Gutachter monierten später, die Geschichte beruhe auf fehlerhaften Recherchen der Bild. Die Presse taufte das die „Familienfilz-Affäre“. Wie sind die damals in Bayern ohne Lachkrampf durch die Zeitungslektüre gekommen?
Am Montag beginnt der NSU-Prozess. Oder nicht?
Ich hoffe. Jetzt ist allgemein klar, wie sensibel die Sache ist. Absurde Debatten entlang der Melodie: „Die Justiz will sich nicht blamieren.“ Die war schon fertig blamiert, als Zschäpe & Co. noch mordeten.
Uli Hoeneß offenbart sich im Beichtmedium Zeit: Der arme Mann war fast süchtig! Damit ist er doch jetzt entlastet, oder?
Ich verfüge nicht über die Fähigkeit, von Uli Hoeneß enttäuscht zu sein.
Der FC Bayern schafft es derweil ins Champions-League-Finale und trifft dort auf Borussia Dortmund. Schon Angst?
Dortmund wird CL-Sieger, oder Bayern schafft die bescheuertste Trainerentlassung aller Zeiten. Win-win.
Schon Tickets?
Der Klub erwartet 400.000 bis 500.000 Anfragen für sein Kontingent von 24.000 Karten. Doch wäre der BVB überhaupt im Finale, wenn wir nicht alle bei der Schwägerin im Wohnzimmer vorm Bildschirm das Karma mit Nahtoderlebnissen aufgeladen hätten? Never change a winning team.
Und was machen die Borussen sonst so?
Neben Stehplätzen und schicken Lounges sollte das Stadion künftig auch 5.000 bis 10.000 sogenannte Watzke-Kachelcenter anbieten. Ich nehm eins.
FRAGEN: MARLENE STAIB
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