Aktionskünstler Pjotr Pawlenski im Exil: Er will's gewesen sein
Der russische Aktivist Pjotr Pawlenski legt sich gerne mit der Politik an. Nun will er Sexvideos des Macron-Vertrauten Griveaux verbreitet haben.
Missstände in Politik und Gesellschaft sowie Verfehlungen von Mächtigen gnadenlos offen legen – das gehört zum Geschäftsmodell von Pjotr Pawlenski. Dafür zieht sich der russische Aktionskünstler gerne aus und andere gleich dazu. Wenn auch noch ein wenig Selbstverstümmelung vonnöten sein sollte, um die gewünschte Wirkung zu erzielen – sei es drum.
Vorläufig letztes „Opfer“ des 35-Jährigen ist Benjamin Griveaux, Kandidat von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron für das Amt des Pariser Bürgermeisters bei den Kommunalwahlen Mitte März. Bis vergangenen Freitag. Da zog sich Griveaux infolge von Sexvideos zurück. Und die will Pawlenski öffentlich gemacht haben. Der Grund: Er sei schockiert, dass Griveaux Familienwerte propagiere, gleichzeitig aber einer außereheliche Beziehung zu einer Frau unterhalte, sagte er der französischen Internetzeitung Médiapart.
Schockiert sind, wenn es um Pawlenski geht, in der Regel die anderen. Als die Mitglieder der russischen Band Pussy Riot inhaftiert wurden, nähte sich der gebürtige St. Petersburger im Juli 2012 aus Protest den Mund zu. Zum Zeichen einer weiteren Unmutsbekundung geriet eine Aktion vor einem Regierungsgebäude in St. Petersburg, bei der sich der studierte Wandmaler in Stacheldraht einwickelte.
Ende 2013 nagelte er seinen Hodensack an den Roten Platz in Moskau, um auf Apathie, politische Gleichgültigkeit und Fatalismus in der russischen Gesellschaft aufmerksam zu machen. Der Griff ans eigene Gemächt brachte Pawlenski ein Ermittlungsverfahren wegen Vandalismus ein.
Flucht ins Pariser Exil
Auch die Ereignisse auf dem Euromaidan in der Ukraine meinte der Künstler kommentieren zu müssen, indem er 2014 die Revolution mit brennenden Autoreifen, Metallstangen und ukrainischen Fahnen in St. Petersburg nachstellte. Den Versuch, ihn daraufhin in eine psychiatrische Klinik zwangseinweisen zu lassen, ließ Pawlenski zum Messer greifen, mit dem er sich publikumswirksam ein Ohrläppchen abschnitt.
2015 wurde Pawlenski festgenommen, nachdem er eine Tür der Zentrale des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB in Brand gesetzt hatte. Ein Gericht verurteilte ihn einer Geldstrafe in Höhe von 13.500 Euro.
Als ein Verfahren wegen angeblicher sexueller Übergriffe auf eine Schauspielerin drohte, floh Pawlenski im Januar 2017 mit seiner damaligen Partnerin und seinen beiden Kindern nach Paris. Dort erhielt er politisches Asyl. Auch in der französischen Hauptstadt spielte er mit dem Feuer. Brandstiftung an einer Filiale der Banque de France um eine, wie er sagte, „Revolution zu entfachen“, brachte ihm Anfang 2019 eine dreijährige Haftstrafe ein, von der zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurden.
Derzeit befindet sich Pawlenski wegen des Verdachts auf Körperverletzung in Gewahrsam. In der Silvesternacht 2019 soll er jemanden während eines Streits in einer Pariser Wohnung mit einem Messer bedroht haben. Jetzt könnte noch ein Verfahren wegen Verstoßes gegen das Persönlichkeitsrecht hinzu kommen.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autoritäre Auswüchse beim BSW
Lenin lässt grüßen
Prozess zum Messerangriff in England
Schauriger Triumph für Rechte
BSW in Thüringen auf Koalitionskurs
Wagenknecht lässt ihre Getreuen auf Wolf los
Rückgabe von Kulturgütern
Nofretete will zurück nach Hause
Nahostkonflikt in der Literatur
Literarischer Israel-Boykott
Kamala Harris’ „Abschlussplädoyer“
Ihr bestes Argument